Ist Alkoholismus eine Gefühlskrankheit?

  • Mir schwirrt schon seit einigen Tagen etwas durch den Kopf, was mich nicht loslässt.
    Ich war ja 12 Tage in einer qualifizierten Entgiftung. In der Klinik arbeiten viele "Ehemalige", d.h. trockene Alkoholiker.
    Dort wird folgendes Konzept vertreten: die Alkoholkrankheit hat Anlagen von Geburt an. Ein Alkoholkranker kann seine Gefühle, vor allem die negativen, nicht im Schlaf verarbeiten, wie es ein Nicht-Alkoholiker kann. Um diesem Gefühlsstau entgegenzuwirken, trinkt er Alkohol. Abszinenz ist nur dann möglich, wenn die Gefühle auf andere Art ihren Ausdruck und ihr Ausleben finden. Vor allem durch Gespräche. Deshalb sind SHGs für die Klinik auch das A und O einer dauerhaften Abstinenz.
    Habt ihr schon mal was von dieser These gehört?

  • Hallo Babsi,

    ich halte das für eine etwas bedenkliche These, denn nicht jeder Alkoholiker trinkt, wenn er Probleme hat bzw. weil er Probleme hat. Ich z. B. habe viel aus Langeweile und zur Entspannung getrunken. Und wenn ich Probleme hatte, hab ich das Saufen oft auch ganz gelassen, weil ich nüchtern mit Schwierigkeiten besser umgehen kann.

    Was meinst denn du persönlich dazu?

    Liebe Grüße
    Heike

  • Hallo Babsi,

    Zitat

    die Alkoholkrankheit hat Anlagen von Geburt an

    Das ist meines Wissens eine nach wie vor umstrittene Aussage.

    Gefühle und deren Ausdruck waren ein zentrales Thema in meiner LZT. Haben doch nach meiner Erfahrung die meisten Alkoholiker Probleme, über ihre Gefühle zu reden. :(

    Heute ist das anders bei mir, meint Kommaline :lol:

    LG kommal

    unterwegs...

  • Hallo Babsi,

    ich beschäftige mich seit einigen Wochen mit meinen Träumen und kann dazu sagen, dass ich tatsächlich den Eindruck habe, in meinen Träumen gefühlsmäßig unbeteiligt zu sein. Da ich allerdings immer noch nicht in der Lage bin, mich an meine Träume wirklich zu erinnern, möchte ich das noch nicht als endgültige These stehen lassen.

    Viel schwerwiegender scheint mir jedoch die Tatsache, dass ich im wachen Zustand meine Gefühle nicht äußern kann. Alkohol habe ich in einer späteren Phase meiner Abhängigkeit gezielt genutzt, um mich lockerer zu machen und in Gesellschaft eben diese Gefühle äußern zu können. Das ist dann natürlich oft genug in einem peinlichen Kontrollverlust ausgeartet.
    Heute versuche ich, meine Gefühle zu äußern und zu verarbeiten.

    Ich persönlich habe darüber hinaus mit Theorien zu erblicher Determiniertheit Bauchschmerzen. Selbst wenn sie stimmen sollten (was mehr als umstritten ist!), würde ich sie niemals als Ruhekissen ansehen, nach dem Motto "das ist so, ich kann da nichts zu, bin das Opfer meiner Gene und damit basta". Ich habe in meinem Leben zwar schon oft geglaubt, das Opfer widriger Umstände zu sein ("ich bin auf die Welt gekommen, damit andere mich fertig machen können und es ihnen dadurch besser geht"), aber das hat mich nie davon abgehalten ein besseres Leben anzusteuern. Ich will gut leben, nur dafür muss ich etwas tun. Und im Augenblick zahlt sich jeder Moment, jede Bemühung der vergangenen Jahre, endlich aus.

    LG
    Plejaden

  • Zitat von Leseratte

    ich halte das für eine etwas bedenkliche These, denn nicht jeder Alkoholiker trinkt, wenn er Probleme hat bzw. weil er Probleme hat. Ich z. B. habe viel aus Langeweile und zur Entspannung getrunken. Und wenn ich Probleme hatte, hab ich das Saufen oft auch ganz gelassen, weil ich nüchtern mit Schwierigkeiten besser umgehen kann.

    Was meinst denn du persönlich dazu?

    Liebe Grüße
    Heike

    Hallo Heike,

    ehrlich gesagt weiß ich noch nicht so genau, wie ich das einodrnen soll.
    Wichtig für mich ist aber in nächster Zeit, dass ich es für mich einordnen kann, da ich auch in Erwägung ziehe, in dieser Klinik eine LZT zu machen.
    Ich weiß, wußte auch schon vor der Klinik, dass ich für mich selbst nicht gut gesorgt habe, eher für andere.
    Aber das mit dem Schlaf hat mich doch sehr irritiert. Vor allem die Tatsache, dass dies nicht reversibel sein soll.

    LG
    Babsi

  • Hallo, ich glaube nicht daran das das von Geburt an eine solche Anlage gibt. Ich glaube aber das sehr viele sensible Menschen Alkohol bzw. Drogenprobleme habe. Meine Erfahrung hat mir gezeigt das das oft Menschen sind die sich um sehr viele Dinge Gedanken machen und speziell bei Männern niemanden groß haben der Sie damit ernst nimmt oder mit dem Sie reden können. Bzw. sind Männer ja oft ganz anders erzogen und versuchen dann die Gefühle, bzw. das (für Sie unmännliche), zu verdrängen...so ist das glaub ich auch wenn man zur Entspannung drinkt, was mein Freund z. B. jeden Abend macht... er muß damit nicht aktiv an seine Ent-Spannung ran und brauch sich nicht um andere Möglichkeiten kümmern. Der Alkohol macht ja ooch schön blöd im Kopp. Das is denke ich schon oft gewollt...ABER ich denke auch das das ein elender Kreislauf ist...da man durch den Alkohol dann doch wieder so angeregt wird das man schlecht in den Schlaf findet bzw. nur einen nicht besonders erholsamen Schlaf hat. Aber die liebe Gewohnheit. mso öfter man das übt umso fester sitzt das Programm. Hab ich übrigens beim Rauchen aufhören auch gemerkt...die Automatismen. DAS GUTE aber ist man kann alles umprogrammieren, sozusagen neue Nervenbahnen bauen, durch Wiederholung! Auch noch wenn man 70 ist. Es ist nie zu spät!

    Grüße

    Das Leben ist Widerspruch: Das eine ist und das andere auch.

  • Hallo an alle,
    ich denke es sind verschiedene Faktoren die in verschiedener Konstellation zur Abhängigkeit führen.
    Ich bin nicht abhängig obwohl beide Elternteile Alkoholiker waren, meine Schwester widerum ist es. Allerdings hab ich kein Problem über meine Probleme und Gefühle zu sprechen.
    Mein Mann konnte das nicht. Er war sehr verschlossen und eher ein Einzelgänger. Es wäre für ihn undenkbar gewesen z. B. in einer Selbsthilfegruppe mit wildfremden Menschen über persönliche Dinge zu sprechen.

    Katy

  • So, ich möchte meinen Beitrag vom 20.03.2008 teilweise revidieren - ich habe Gefühle in meinen Träumen. Das habe ich heute nacht gemerkt und konnte mich zum ersten Mal auch daran erinnern. Da war etwas von Verzweiflung und Ungeduld, die Gefühle waren der Situation angemessen.

    Das Erinnern ist allerdings sehr schwierig, ich kann mich jetzt an gar nichts mehr erinnern und habe nur noch meine knappen Aufzeichnungen. Aber das "Problem" ist ja bekannt ;) .

  • Hallo Babsi,

    ich denke ebenfalls, dass der Alkoholismus unterschiedliche Ursachen hat, nicht nur dieses oder jenes. Auf die Frage ob Alkoholismus eine Gefühlskrankheit ist, fällt mir spontan eine Gegenfrage ein, nämlich 'Wie soll ein Mensch, der regelmäßig Alkohol zu sich nimmt, emotional ausgeglichen sein ?'. Das kann gar nicht gehen. Alkohol bringt Gefühle durcheinander und das ja auch recht massiv. Jemand, der das regelmäßig tut, kann emotional nicht ausgeglichen sein. Es werden ja künstliche Gefühle durch den Suff geschaffen bzw. werden vorhandene Gefühle manipuliert. Insofern denk ich, dass Alkohol auch eine 'Gefühlskrankheit' ist.

    Hm, aber ich denke nicht, dass nur durch den Schlaf negative Gefühle "richtig" verarbeitet werden. So einfach ist das ja nicht. Ich denke eher, dass viele Menschen einfach keine Werkzeuge haben, um mit ihren eigenen Emotionen umzugehen - woher denn auch. Sowas sucht man sich eigentlich immer erst dann, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. So zumindest bei mir.

    Viele Grüße,

    Timster

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