• Lieber Kaleu,

    Danke für Deine ausführlichen Antworten, dass muss ich jetzt erst mal in mir sortieren, also:

    Deine Erklärung mit dem gebrochenen Bein, völlig logisch, kann ich nachvollziehen, doch verstehe ich noch nicht so ganz, warum es Dich so triggert, wenn platt gesagt, Dir der Arzt ein Glas vor die Nase stellt oder ein Gewicht an Dein gebrochenes Bein wirft. Weil er ausgerechnet der Helfer ist, an den Du Dich gewendet hast, da Du es nicht alleine schaffst? Im Aussen wirst Du doch auch täglich mit Alkohol in Berührung gebracht, oder? (alleine Supermärkte und Tankstellen)

    Auch dass mit der Risikominimierung ist mir total einleuchtend, besonders am Anfang. Doch irgendwann kommt ja der Tag, an dem Du Dich wieder mehr im Aussen bewegen möchtest. Geburtstagsfeiern, Hochzeiten, etc, immer gibt es dort Alkohol in Massen. Wenn es nicht der Wille ist, der Dich davon abhält zuzugreifen, was genau ist es dann?

    Und wenn der Wille gebrochen wird, wie Hartmut schreibt, und das Suchtgedächtnis das Handeln übernimmt, wer übernimmt dann das Ruder, die Vernunft?

    Ich stelle mir das Suchtgedächtnis so vor, dass eine innere Stimme in einem ständigen Dialog mit mir ist, dass ich doch ruhig trinken kann und soll oder muss etc.. Wahrscheinlich wie eine Verselbstständigung im Hirn.

    Größtmögliche Risikominimierung würde sich für mich so anhören, als könnte keine Veranstaltung mehr besucht werden, auf der es Alkohol gibt, aber so ist es bei Euch ja nicht.

    Ich hoffe ich komme hier nicht allzu unklar rüber. Ich lass dass jetzt mal so stehen, sonst verfransel ich mich selber noch ;)

    Liebe Grüsse Martha

    Achte auf deine Gedanken, sie sind der Anfang deiner Taten ...

  • hallo alle

    ich finde die vielen denkansätze hier sehr interessant. ich habe am anfang ja auch nur über den "unsinn" den kopf geschüttelt. aber dir erklärung von hermine macht echt und als einziges sinn. um den leuten die augen zu öffnen sicher ein probates mittel, als test wie stabiel man schon ist, absoluter schwachsinn.

    hallo martha

    ich würde gern was zu deinen fragen schreiben, auch wenn du kaleu gefragt hast. ich denke nicht das man das hier an dem arzt aufhängen kann der den alk hinstellt, das war ja nur ein beispiel. egal wer einem das zeug vor die nase stellt, es erzeugt druck.

    du hast recht wenn du sagst, man wird überall damit konfrontiert. ich bin am anfang überhaupt nicht allein einkaufen gegangen, meine einkaufszettel schreibe ich so das ich möglichst nicht an den regalen mit alkohol vorbei muß und getränkemärkte meide ich. auch nach 8 1/2 jahren. das ist eben risikominimierung. ich gehe nicht zu veranstalltungen wo der konsum im vordergrund steht, wenn ich mich nicht gut fühle sage ich auch feiern ab wo "normal" getrunken wird. feierlichkeiten in meinem haus sind alkoholfrei. meine freunde, denen an meiner gesellschaft liegt, gestallten ihre feiern zunehmend alkoholfrei. sie haben ja alle kein problem mit dem zeug, und ne trockene party ist um längen besser als solche, wo man nach 3 stunden schon mit den ersten kein gescheites gespräch mehr führen kann. meine freund haben bei uns gestern walpurgis gefeiert, die letzten sind um 5 rum weg. alle mit dem eigenen auto und das frühstück heute morgen hat auch geschmeckt. es hat keiner den alkohol vermißt. war einfach nur lustig, die gags kamen ohne dreifache erläuterung an, es wurde nichts verschüttet oder zerdeppert, gibt keine brandlöcher in möbeln und teppichen, und die toilette muß ich auch nicht renovieren. einfach nur ne coole party.

    ich halte den alkohol so weit es nur möglich ist aus meinem leben raus. das kann ich mit dem verstand und dem willen steuern, wenn ich das anfange zu vernachlässigen, und meine das ich ja nu lange genug geübt habe, wenn ich meine wachsamkeit aufgebe, dann gehe ich stück für stück zurück. das ist mir sehr bewußt, ich denke sicher nicht mehr täglich an meine krankheit, aber ich vergesse sie auch nicht, denn das wäre tötlich.

    doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

  • Liebe Martha,

    Dorothea hat es schon schön beschrieben. Es geht gar nicht um den Arzt, es geht um die Situation. Jeder kontakt mit Alkohol löst eine Art Druck aus. Das muss noch kein Saufdruck sein - aber Druck kann sich in Saufdruck verwandeln. Wenn bei diesem Druck Alkohol in Griffweite ist, verstärkt das den inneren Druck enorm und wie gesagt kann innerer Druck zu Suafdruck führen und Saufdruck zu Alkoholkonsum. Deswegen die Risikominimierung.

    Als Beispiel, wenn ich in einer alltäglichen Situation bin, in der eine Art Druck in mir entsteht, sei es Stress oder ähnliches, dann bin ich froh keinen Alkohol im Haus zu haben. Würde es zu Saufdruck kommen, müsste ich mir erst Alkohol besorgen gehen. Allein der Weg zum Supermarkt bringt Zeit zum Nachdenken und der innere Druck könnte dabei abgebaut werden.

    Sitze ich gezwungenermaßen mit einer Flasche Schnaps alleine im Raum erzeugt allein diese Situation aufgrund meiner Krankheit schon einen inneren Druck. Wenn ich zusätztlich weiss, ich stehe unter Beobachtung erzeugt das weiteren Druck.

    Natürlich komme ich im Alltag immer mit Alkohol in Berührung, aber ich kann das selbst dosieren. Selbst wenn ich mich insgesamt stabil genug fühle an einer Feier teil zu nehmen auf der Alkohol konsumiert wird, kann ich auch mal 'n schlechten Tag haben. Wenn ich dann gut auf mich achte sage ich zum Beispiel zu einem Freund der Bescheid weiss, hey, ich fühle mich heute nicht so gut, kannst Du mir bitte helfen bei dieser Feier auf mich aufzupassen? Allein das kann schon Druck nehmen. Oder aber ich verlasse die Feier früher wenn ich merke ich komme an einen kritischen Punkt. Oder ich weiss im Vorfeld, ich bin heute nicht stabil genug, ich gehe da heute gar nicht erst hin.

    Das ist ja das was der trockene Alkoholiker lernt, auf sich selbst zu achten um schon im Vorfeld abschätzen zu können um auf Nummer sicher zu gehen. Eben Risikominimierung.

    Das heisst nun noch lange nicht, dass ich nicht mehr in den Supermarkt gehe. Es ist einfach situationsbhängig. Im normalen Alltag bin ich ausreichend stabil um ohne irgendwelchen Druck am Weinregal vorbei zu gehen. Aber wenn ich gerade aus einem beliebigen Grund Saufdruck habe, weiss ich, dass das der ungünstigste Zeitpunkt wäre um in den Supermarkt zu gehen. Da warte ich lieber noch 'ne Stunde und beschäftige mich mit was Anderem was mir gut tut bis der Saufdruck weg ist.

    Das ist sicher auch bei jedem verschieden. Ich lerne einfach mich selbst einzuschätzen. Was kann ich problemlos, was nicht. Was ich nicht problemlos kann, da such ich mir Alternativen. Der eine mag jeden Tag feiern gehen können, der andere überhaupt nicht.

    Mir macht es nichts aus wenn jemand neben mir sitzt und ein Glas Wein trinkt. Es ist mir nicht unangenehm, Saufdruck bekomme ich auch nicht, es macht mir schlicht nichts aus. Wenn jemand eine Kiste Bier bei mir in der Küche unterstellen wöllte, hätte ich ein gewaltiges Problem damit.
    Am Weinregal im Supermarkt kann ich vorbei gehen ohne irgend ein Problem zu haben. Schenkt mir jemand eine Flasche Wein, möchte ich die möglichst schnell los werden. Es ist in verschiedenen Situationen immer anders und es ist bei jedem anders. Was den einen stört, macht dem Anderen nichts aus. Aber alle diese Situationen erfüllen einen Zweck oder sind im Alltag entstanden.

    Aber eine Flasche Alkohol im Haus zu haben oder alleine mit einer Flasche Alkohol zusammen im Raum zu sein, erfüllt keinen Nutzen. Ich würde mich völlig unnötig einem sinnlosen dauerhaften Druck aussetzen.

    Liebe Grüße

    Kaleu

  • Liebe Doro, Lieber Kaleu,

    herzlichen Dank für Eure ausführlichen Antworten. Jetzt habe ich es verstanden, super. Und nun kann ich auch mehr damit anfangen, wenn ihr von Trockenarbeit bzw. Risikominimierung sprecht. Und nun kann ich auch verstehen, warum für Euch diese Übung so abenteuerlich ist.

    Mir war klar, dass Alkoholismus eine Krankheit ist, mir war jedoch nicht bewusst, dass dieses Suchtgedächtnis nicht weg zu bekommen ist und nur durch das Sehen von Alkohol schon in Gang gesetzt wird oder werden kann.

    Nun klickert es. Ich dachte das Ziel sei es, das Suchtgedächtnis zu "überlisten", aber logisch, wenn es nicht weg geht, geht nur Risikominimierung. Und da muss wahrscheinlich, wie ihr beiden das sehr schön beschreibt, jeder seinen eigenen Weg drin finden, was er aushalten kann und was nicht.

    Da habe ich ja heute richtig was dazu gelernt, mein Bedürfnis nach Verstehen ist voll erfüllt, Danke, und ich habe keine weiteren Fragen mehr :-). Hab Euch doch richtig verstanden, oder?

    Nun wünsche ich Euch noch einen schönen ersten Mai!

    Viele liebe Grüsse Martha

    Achte auf deine Gedanken, sie sind der Anfang deiner Taten ...

  • Liebe Martha,

    ja, so ist es. Das Suchtgedächtnis verschwindet nicht, nie wieder und es lässt sich auch nicht überlisten. Aber man kann ein Gegengewicht zu ihm aufbauen. Zufriedenheit. :)

    Liebe Grüße

    Kaleu

  • hallo martha

    ich habe da noch ein beispiel aus dem ganz normalen leben, das auch recht anschaulich macht wie jedes hirn so funktioniert.

    ne freundin von mir sagte immer das ein nicht grade preiswertes parfüm nach kreißsaal richt???? da ich lange auch im kreißsaal mit gearbeitet hatte wußte ich das da ganz sicher nichts so riecht. hat bischen gedauert bis wir dahinter stiegen das ihre hebamme das bei der geburt ihrer tochter trug. eine geburt ist ein einschneidendes erlebnis, und so ist für meine freundin dieser duft auf ewig mit dem kreißsaal verbunde.

    wir haben uns auf ähnliche weise die verbindung zum alkohol geschaffen, bei stress, auf partys, wo oder wie auch immer wir alkohol einsetzten. kommen wir heute in solche situationen ist die assoziation alkohol da. das kann durch ein lied geschehen das zu besäufnissen lief, gerüche von einem beim konsum bevorzugten gericht, was auch immer. das muß man einfach wissen, wenn man darauf vorbereitet ist, kann man vom verstand her gegensteuern. wenn nicht..... böse falle.

    doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

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