Erst mal ein herzliches Hallo an alle hier.
Gelesen habe ich hier schon sporadisch letztes Jahr, nur fehlte damals noch die letzte Entschlossenheit, mein Problem ernsthaft in Angriff zu nehmen. Ich bin 51 Jahre und lebe in NRW in geordneten familiären und gesicherten beruflichen Verhältnissen (öffentlicher Dienst).
Nach Anmeldung bei der Suchtberatung bin ich seit dem 01.05.2015 clean. Entzogen habe ich selbst und allein, ja ich weiß die Risiken. Aber meine früheren trockenen Phasen habe ich auch alleine hinbekommen. Ich habe runterdosiert und am 30.04. die letzten 4 Flaschen Bier sowie 0,1 l Obstler gebechert. Am 01.05. ausgeschlafen und danach erst mal nach einem guten Frühstück ins Fitnessstudio, anschließen noch 3 Stunden mit dem Rad durch die Gegend. Da war ich abends so kaputt, dass ich wie ein Toter einschlief. Entzugserscheinungen hatte ich an dem Tag keine.
Abhängig bin ich seit ca. 18 Jahren. Warum? Das wüsste ich gerne, da ich kein Problemtrinker bin. Allerdings sehe ich eine gewisse familiäre Vorbelastung väterlicherseits. Getrunken habe ich gerne, zumeist Bier, weil es mir schmeckte. Daraus entwickelte sich dann eine Gewohnheit bis hin zum Kontrollverlust. Ich konnte halt nicht mehr aufhören, zumindest nicht an Frei- und Samstagen, an denen ich mein gemäßigtes Trinken unter der Woche kompensieren musste und Bier wie Wasser trank. Hinzu kamen dann noch Kräuterschnäpse bzw. Obstler. Beides jedoch nicht in rauen Mengen, sondern quasi als Sahnehäubchen oben drauf. Sonntags wurde dann wieder runterdosiert, um die Woche über arbeiten zu können.
Ich strebe jetzt eine ambulante Therapie an. Die Vorgruppe habe ich bereits absolviert und warte auf die Bewilligung durch die Kostenträger. Vorbereitet habe ich mich durch mehrmalige Lektüre u.a. der "Suchtfibel" sowie dem herrlichen Werk ALK des Herrn Borowiak.
Craving hatte ich selbstverständlich auch, aber ich konnte mich bislang erfolgreich abgelenken. Ich merke schon, wie die Abstände größer und das Begehren geringer werden.
Alkoholvorräte habe ich keine. Nur für meine Frau, die überhaupt keine Probleme mit dem Stoff hat und nur sehr selten kleine Mengen konsumiert, lagern noch ein paar Flaschen Wein und Sekt im Keller, die für mich ungefährlich sind, da ich mir aus beiden nichts mache. Aber vielleicht entsorge ich die doch besser, um für den Fall der Fälle nicht doch in Versuchung zu geraten. Meine Frau wäre einverstanden.
Privat meide ich Zusammenkünfte, wo heftig getrunken wird. Meine Fußballkneipe, in der ich ca. 2x monatlich aufschlug, habe ich gestrichen und werde mir zur neuen Saison eine andere suchen, um mir gewisse Begegnungen bei Wasser, Zero-Cola und Apfelschorle anzuschauen.
Meine Einkäufe erledige ich immer noch in denselben Läden, wie früher. Nur lassen mich die Alkoholabteilungen inzwischen kalt, im ersten Monat war das anders, da musste ich innerlich heftig gegensteuern.
Mein Privatleben hat sich in den letzten Wochen deutlich verbessert, kein Wunder die Saufzeit wird halt anders und z.T. gemeinsam genutzt. Meine Familie unterstützt mich in einen Bemühungen, die hoffentlich von Erfolg gekrönt sind.
Kontrolliertes Trinken? Kann ich nicht, habe ich schon mehrfach in den letzten Jahren probiert, der alte und hochriskante Konsum stellte sich binnen kürzester Zeit wieder ein. Und der Kampf gegen den inneren Schweinehund, der sich nach einer Flasche Bier meldet, weiter zu saufen, ist mir zu anstrengend. Das war für mich heftiger, als ganz auf den Stoff zu verzichten.
Gesundheitlich habe ich mich komplett durchchecken lassen, aber erst nach 3 1/2 Wochen Karenz. Hatte keine Lust auf einen dreistelligen Gamma GT-Wert. Demzufolge lag dieser Marker auch "nur" bei 41. Meinen Arzt habe ich eingeweiht, der war überrascht. Auch alle inneren Organe wurden zusätzlich per Ultraschall überprüft. Zum Abschluss ging es noch zum Urologen und dann nächste Woche noch eine Darmspiegelung. Bislang alles im grünen Bereich. Froh war ich, dass nur eine leichte Fettleber diagnostiert wurde und die wird zur Zeit dank einer gründlichen Ernährungsumstelung und mehr Sport reduziert. Habe bislang 8 kg abgespeckt, ein paar weitere sollen noch folgen.
Zum Thema Umgang mit der Sucht: Ich habe nur den engsten Kreis der Familie und unsere beiden besten Freunde informiert. Das reicht aus meiner Sicht aus. Da ich auf der Arbeit nie konsumiert habe, mit Ausnahme von Festivitäten -und da nur moderat-, sehe ich keine Veranlassung, da den sogenannten Kollegen was zum Tratschen zu geben. Außerdem möchte ich noch die letzte für mich mögliche Beförderungsstufe erreichen und dass kann ich mir abschminken, wenn mein Problem publik wird. Dann gilt man als nicht belastbar und man wird kaltgestellt. Eine Suchterkrankung gilt da trotz des so vordergründigen Verständnisses, als erheblicher charakterlicher Mangel.
Jetzt möchte ich erst mal schließen und sehe Kritik und Verbesserungsvorschlägen mit Interesse entgegen.