kamarasow - Man stolpert nicht über Berge, sondern über Maulwurfshügel

  • Guten Morgen,
    hm, lange nichts mehr geschrieben. Der Drang etwas zu schreiben ist derzeit auch ziemlich gering. In der realen Welt ist Ballett, bin häufig angespannt und wenn am Abend mal Zeit ist, dann steht das Forum nicht auf der Prioritätenliste.

    Abends wird jetzt meistens Cola getrunken. Die Zähne und der Magen sagen: Juhu. Ich glaube, Koffein ist eine Ersatzdroge für mich. Gut, der Kaffeekonsum war tagsüber schon immer groß, aber jetzt kommt noch zusätzlich Cola hinzu. Einschlafen geht daher manchmal etwas schwerer. Aber das passt schon. Bis zum Weckerklingeln schlafe ich dann aber wie ein Baby. Vergleicht man das mit der nassen Zeit, dann sind das große Unterschiede in der Schlafeffizienz.

    Nuja, ich mach mal weiter mit dem Gutachten.

    Viele Grüße
    Kamarasow

  • Guten Morgen,
    die Tage werden wärmer und länger, die Trigger zahlreicher. Seit geraumer Zeit plagt mich verstärkt das vergiftete Gedankenspiel, am Abend, wenn alles zur Ruhe kommt, wieder etwas zu trinken. Pah, es soll mich in Ruhe lassen. Der kommende Sommer könnte daher schwer werden. Eine Lösung wäre, sich in den Kühlschrank zu setzen.

    Gibts Schönwettertrinker, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben? Wie seid ihr da durch?

    Viele Grüße
    Kamarasow

  • Hallo Kamarasow,

    ich kenn das auch. Mir hilft definitiv, mit Leuten meine sonnige Freizeit zu verbringen, die Eis und Limo konsumieren bei schönem Wetter. Ansonsten selber immer Mineralwasser dabei zu haben. Und, so wie du es auch tust, aufmerksam zu sein. Und mich wieder stärker mit der Sucht beschäftigen, vielleicht (nochmal) ein Buch lesen oder Gespräche mit anderen Trockenen führen. Hier schreiben.

    Und im Hinterkopf immer das Vertrauen, dass es besser wird und das Suchtgedächtnis mehr in den Hintergrund tritt, je länger ich zufrieden trocken bin. So ist nämlich meine Erfahrung.

    Was macht deine Bewerbung?

    Viele Grüße
    Thalia

  • Hallo!

    Thalia hat es dir schon beschrieben, was zu tun ist.

    Und "belohnen" kannst Du dich abends mit etwas anderem, einem Tee, bestimmten Schorlen, einem guten Buch, einem Film...

    Das erste Jahr ist das schwerste. Das zweite fiel mir deutlich leichter, auch wenn mir noch 1 Monat daran fehlt. Im zweiten Jahr hast Du alle Jahreszeiten incl. der dann typischerweise anstehenden "gewöhnlichen" Ereignisse schon mal erfolgreich trocken hinter dich gebracht. Darauf lässt sich dann aufbauen.

    Auch das Thema Suchtdruck stellt sich nicht mehr so oft. Er zeigt sich wesentlich seltener und ist nicht mehr so heftig, wie in den ersten Monaten.

    Da musst Du jetzt einfach durch. Kopf hoch und die Sinne geschärft, dann wird es schon. Und halt dir stets vor Augen: "Wenn Du jetzt schwach wirst, fängst Du wieder ganz von vorne an." Das ist der doofe Alkohol doch gar nicht wert.

    Gruß
    Carl Friedrich

  • Hallo Thalia,
    die Bewerbung verlief im Sande. Heißt also erstmal weiter mit der alten Stelle. Ich werde aber sporadisch die Stellenangebote anschauen. Vielleicht ist ja mal wieder was ganz gutes dabei.

    Zu den Triggern: Das Niederschreiben der Gedanken und das Teilen der Gedanken mit Leidgenossen scheint den Triggern die Kraft zu nehmen. Zumindest fühlt es sich im Nachhinein so an. Das ist dann wohl die oft zitierte Trockenarbeit. Daher also Danke Carl und Thalia. Es half.

    Viele Grüße

  • Hallo Kamarasow,

    Zitat

    Das Niederschreiben der Gedanken und das Teilen der Gedanken mit Leidgenossen scheint den Triggern die Kraft zu nehmen.

    geht es dir denn so schlecht dass du leidest :?:

    Ich mag den Begriff "Leidgenosse" für mich nicht, ich hatte, als ich nass war gelitten.

    Seit ich trocken bin leide ich nicht mehr, ganz im Gegenteil :)

    LG Martin

  • Hallo Martin,
    für mich ist eine Krankheit durchaus ein Leiden. Ich wäre froh darüber, die Krankheit nicht zu haben.

    So wie ich deine Zeilen interpretiere, war nass alles schlecht und trocken alles gut. Das kann ich für mich nicht sagen. Ich stand nass genauso im Leben, wie jetzt.

    Viele Grüße

  • Zitat von kamarasow

    Hallo Martin,
    für mich ist eine Krankheit durchaus ein Leiden. Ich wäre froh darüber, die Krankheit nicht zu haben.

    Hallo!

    Kommt mir bekannt vor. So habe ich in meinem ersten Jahr auch mal gedacht. Jetzt nicht mehr. Ich habe meinen Frieden mit ihr, der Krankheit, gemacht. Ich bin nicht froh und glücklich darüber, alkoholkrank zu sein, habe mich jedoch damit arrangiert und sie als einen Teil von mir akzeptiert.

    Dieser Prozess hat bei mir gedauert. ich schätze mal ca. 1 1/2 Jahre. Die Zeit habe ich benötigt, um auch geistig-emotional- von der Krankheit Abstand zu nehmen.

    Vielleicht verschafft es dir ja eine gewisse Erleichterung, dass unsere Krankheit relativ moderat zu handhaben ist. Wir müssen uns im Regelfall deswegen nicht operativ behandeln lassen, wir werden nicht bestrahlt oder gar mit der chemischen Keule (Pillencocktail) traktiert. So gesehen, geht es uns vergleichsweise gut. Ich möchte z.B. nicht mit einem Krebs- oder Aidskranken oder Dialysepatienten (Aufzählung nicht abschließend) tauschen. Ich muss lediglich etwas sein lassen, etwas unterlassen, nämlich dem Alkohol zu nahe zu kommen.

    Dein Hinweis, Du hast auch "nass" im Leben gestanden, verfängt nicht. Du hast halt früher als andere den Absprung begonnen, bevor dich der Strudel der Sucht gänzlich in die Tiefe und somit fast ins Grab gerissen hat.

    Zum Schluss: Ich leide absolut nicht. Im Gegenteil, mir geht es prima.

    Gruß
    Carl Friedrich

  • Hallo Forum,

    das was ich jetzt schreibe fällt mir schwer zu kategorisieren. Die Gedanken sind diesbezüglich auch nicht klar. Ich versuch es trotzdem mal auszuformulieren: Der Pfad zum Trockenwerden ist für mich u.a. ein Pfad zu sich selbst. Das Problem dabei ist, man stößt auf Dinge, die man an sich selbst schlecht findet. Der Alkohol überspielte bspw meine eigentliche Käuzigkeit (maulfaul) in geselligen Runden. Nüchtern sind die Gespräche z.T. derart zäh, sodass ich mir denke: Ach, Mist, mit Alkohol wäre es jetzt nicht so blöd. Nüchtern habe ich meist auch gar keine große Lust zu reden und verprelle damit mein Gegenüber.

    Langzeittrockene berichten hier eigentlich ständig darüber, dass sie trocken viel zufriedener und glücklicher sind als vorher. Ich hingegegen sehe die Krankheit derzeit eher als ein Leiden, weil man hinsichtlich der Sozialkomponente (durch die eigene soziale Schwäche) und im Hinblick der Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt ist. Für mich heißt es derzeit: "Oh, ihr feiert? Schön. Viel Spaß.".

    Ein weiterer Punkt sind die begrenzten Handlungsspielräume für Veränderungen im Leben. Eigentlich denke ich schon länger daran, eine Art Sabbatjahr zu machen, da ich mich dauerhaft erschöpft fühle. Seitdem ich abstinent bin, ist es wesentlich besser geworden, aber irgendwie fehlt trotzdem etwas. Eine mögliche Auszeit würde bspw auch ganz einfach an den finanziellen Rahmenbedingungen scheitern. Außerdem kann ich mich nicht einfach aus der Verantwortung für die vier Kinder stehlen. Nun, und so stecke ich irgendwie gefühlt in einer Klemme. Derweil ziehen die Jahre ins Land und an den Schläfen zeigen sich langsam graue Haare. Ich könnte jetzt sagen, ja mei, so ist das Leben. Oder ist das nur eine kleine midlife-Krise? Ich weiß es nicht. Wäre es einfacher, wenn die Kinder schon raus sind? Aber dann bin ich ja alt. Eigentlich gilt es jetzt anzupacken und nicht auf irgendetwas zu warten. Einfach, weil es mir (vielleicht) gut tun würde und ich nur an mich denken würde.

    Naja. Wie ihr seht, viel unausgegorenes dabei. Ich renn mal weiter im Hamsterrad und versuche mich in den kurzen ruhigen Momenten besser zu verstehen.

    Viele Grüße

  • Hallo Karamasow!

    Du bist erst rund ein halbes Jahr (wenn ich nicht etwas übersehen habe) dabei. Zufriedene Trockenheit dauert. Es handelt sich um einen langen Prozess.

    Ich habe z.B. knapp 2 Jahrzehnte gesoffen, da kann ich nicht erwarten, binnen weniger Monate zum rundum glücklichen und ausgeglichenen Abstinenzler zu werden. Ich bin jetzt am Ende des zweiten Jahres. Es geht stetig voran, aber in kleinen, jedoch stetigen Schritten. "Siebenmeilenstiefel" gibt es nur in Märchen und Sagen.

    Nimm dir Zeit und setz dich nicht unter Druck. Alles hat seine Zeit, alles braucht seine Zeit. Und nichts kommt von allein. Geduld ist jetzt gefragt, viel Geduld und konsequente Trockenarbeit.

    Richtig ist, dass Du hier in schriftlicher Form mal Druck aus dem Kessel lassen kannst. Ein weiterer Ort wäre eine R-SHG.

    Also Kopf hoch, Du bist auf dem richtigen Weg, auch wenn der Wind mal von vorne kommt.

    Gruß
    Carl Friedrich

  • Hi Kamarasow,

    das gemeine am Alkohol ist dass er viele viele Illusionen aufbaut wie z.B. "Alkohol macht mutig", "Alkohol enthemmt", "Alkohol ist gut für die Nerven", "Alkohol entspannt" usw . usw.

    Wenn man das alles genau zerpflückt bleibt davon nichts mehr übrig, bzw. Alkohol bewirkt entweder das Gegenteil oder er ist genau dafür verantwortlich dass kein Selbstvertrauen oder kein Mut da ist.

    Ausserdem wurde uns über Jahrzehnte eingebläut dass wir den Alkohol als Krücke brauchen um in dieser achso modernen Welt überleben zu können.

    War dir vielleicht der Alkohol die ausgleichende "Krücke" im Hamsterrad nach der dein Suchtgedächtnis nun wieder verlangt?

    Sich daraus zu befreien erfordert kluges Denken, umsichtiges Handeln, Mut und Selbstvertrauen und natürlich ist es möglich auch mit Verantwortung. Z.B. kann ein Jobwechsel oft wie ein neues Leben sein auch wenn man es sich nicht vorstellen kann wenn man gerade "mitten drin" steckt.

    Ich selber habe z.B. eine unkündbare Stellung in die Tonne gekloppt und mich selbstständig gemacht, habe die Entscheidung bis heute nicht bereut.

    Auf jeden Fall wird dir der Alkohol in keinster Weise etwas bringen sondern dich ganz im Gegenteil im Hamsterrad gefangen halten. Und das ist das wahre Leiden ;) LG

  • Zitat von kamarasow

    Hallo Forum,

    das was ich jetzt schreibe fällt mir schwer zu kategorisieren. Die Gedanken sind diesbezüglich auch nicht klar. Ich versuch es trotzdem mal auszuformulieren: Der Pfad zum Trockenwerden ist für mich u.a. ein Pfad zu sich selbst. Das Problem dabei ist, man stößt auf Dinge, die man an sich selbst schlecht findet. Der Alkohol überspielte bspw meine eigentliche Käuzigkeit (maulfaul) in geselligen Runden. Nüchtern sind die Gespräche z.T. derart zäh, sodass ich mir denke: Ach, Mist, mit Alkohol wäre es jetzt nicht so blöd. Nüchtern habe ich meist auch gar keine große Lust zu reden und verprelle damit mein Gegenüber.

    Langzeittrockene berichten hier eigentlich ständig darüber, dass sie trocken viel zufriedener und glücklicher sind als vorher. Ich hingegegen sehe die Krankheit derzeit eher als ein Leiden, weil man hinsichtlich der Sozialkomponente (durch die eigene soziale Schwäche) und im Hinblick der Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt ist. Für mich heißt es derzeit: "Oh, ihr feiert? Schön. Viel Spaß.".

    Hi Kamarasow,

    so krude sind die Gedanken gar nicht - find ich zumindest...vielleicht aus dem Grund, daß ich da sehr viele Parallelen zu mir selber sehe. Ich bin auch eher maulfaul, kann mit smalltalk gar nix anfangen und besoffen war ich dann ganz anders - kontaktfreudig, risikobereit, angriffslustig, übertrieben selbstbewußt...was weiß ich noch alles.

    Aber ganz ehrlich, ich habe irgendwo auch immer gewußt, daß ich in dem Moment nur ne Rolle spiele, die gar nix mit mir selbst zu tun hat...ich habe jemand anderen gespielt - und mich selber damit im Grunde auch irgendwo verleugnet.

    Zufriedenheit bezieht sich für mich genau darauf, wieder ich selbst sein zu dürfen...ich muß nicht mehr anderen gefallen, ich muß mich selbst im Spiegel betrachten können und sagen - yoh, das passt so auch zum Inhalt. Ob der Inhalt anderen gefällt, ist mir weniger wichtig geworden. Ich muß 24 Std. am Tag zunächst mal mit mir selber auskommen und das ist mitunter schwer genug...noch schwerer wäre es, wenn ich weiterhin ne Doppelrolle spielen müßte.

    Es stimmt, was Du sagst...es wird ruhiger um einen herum. Ich persönlich sehe das allerdings eher als Vorteil, weil mir mein Leben grad gegen Ende meiner nassen Zeit dann doch zu turbulent wurde.

    Den Gedanken, einfach mal eine Auszeit zu nehmen, wird irgendwann jeder im Leben haben...und es gibt für alles im Leben einen Moment, in dem es einfach auch passt...der Moment, an dem Du Dich aus allem ausklinken kannst, wird für Dich sicher auch noch kommen.

    Wenn ich mein Baumhaus irgendwann mal realisiert haben werde, lade ich Dich mal aufs WE ein...mal schauen, auf wieviele Worte es zwei maulfaule Abstinenzler dabei bringen :P

    Mir gefällt weiterhin sehr gut, daß Du auch mal die vermeindlich negativen Seiten der Abstinenz beleuchtest...viele Gedanken, die Du hier geäußert hast, hatte ich in ähnlicher Form ebenfalls...

    Schönen Gruß und schöne Zeit

    Andreas

  • Hallo Ihr,
    Danke für eure Worte. Auch wenn ich nicht anworte, heißt es nicht, dass ich sie nicht lese und wertschätze. Meist würde ja auch nur ein "Mhm" oder "Da hast du wohl Recht" übrigbleiben.

    Ich werde weiterhin Zeit brauchen. Die Gedanken und Gefühlswelt verändert sich nachwievor. Neulich schoss mir der Gedanke, bzw. das Gefühl in den Kopf, dass ich als nasser Alkoholiker vor allem eins nicht mehr war: Optimistisch. Sei es hinsichtlich der kleinen Dinge oder aber auch großer Träume. Probleme werden jetzt vermehrt nicht mehr als Probleme verstanden, sondern als Aufgabe. Und wenn es nicht klappt, dann hat man es aber versucht - was ebenfalls ein positives Grundgefühl auslöst.

    Neulich wurde mir beim Rennen auch etwas weiteres klar. Es zieht mich runter, zu wissen wie weit es noch ist. Dann schmerzen beim Laufen auch noch die Fußsohle und die Knie. Das sägt ordentlich an der Motivation. Wenn ich mich aber ausschließlich darauf konzetriere einen Schritt vor den anderen zu setzen, auf die Atmung, Schrittweite und Puls zu achten, dann taucht man ab. Man rennt einfach und merkt gar nicht wie man dem Ziel näher kommt. Dann sieht man irgendwann, dass das Ziel eigentlich das Nebensächliche. Das "Wie" wird zur Hauptsache. Das klang jetzt vermutlich völlig abgedroschen und den Spruch "Der Weg ist das Ziel" kennt vermutlich auch jeder, aber erst neulich habe ich ihn tiefer verstanden. Ich sollte mir daher als Ziel nicht Trockenheit setzen, sondern täglich konzentriert und wachsam abstinent bleiben.

    Viele Grüße

  • Zitat von kamarasow

    Ich sollte mir daher als Ziel nicht Trockenheit setzen, sondern täglich konzentriert und wachsam abstinent bleiben.

    Hallo!

    Einige schwören auf diese Methode, sich jeden Tag vorzunehmen, den Tag trocken zu verbringen.

    Abstinenz ist ein lebenslanger Prozess, ähnlich einem nie enden wollenden Marathonlauf. Aber mit der Zeit wird vieles Gewohnheit und damit insgesamt leichter.

    Kopf hoch, das wird schon. Du läufst doch schon Schritt für Schritt in die richtige Richtung.

    Wir dürfen ruhig mit uns selbst Geduld haben. Eine solche, wie zumindest ich sie früher nicht hatte. Auch das ist ein erfreulicher Aspekt. Er tut mir gut.

    Gruß
    Carl Friedrich

  • Hallo,
    es gibt nichts Neues zu berichten. Das verlängerte Wochenende war sehr sportreich und tat gut. Ich bin dadurch innerlich schön ausgeglichen.
    Die Natur wächst auch fein, aber etwas wärmer darf es gern werden.

    Viele Grüße

  • Hallo nochmal,
    weil gerade die Muße dafür da ist, noch ein paar Zeilen. Der Name Kamarasow leitet sich aus einem Buch ab, dass ich vor schätzungsweise ca. 2 Jahren von meiner Frau zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Eigentlich müsste es Karamasow heißen, denn das Buch heißt die Brüder Karamasow (Dostojewski). Über das Buch freute ich mich sehr, da ich schon einige Werke von Dostojewski und Tolstoi gelesen hatte. Das Buch ist ein Symbol für mich geworden, da es zum Ende der Trinkzeit geschenkt wurde. Nachdem ich es geschenkt gekam, legte ich es voller Vorfreude neben das Bett, um es im abendlichen Entspannungsmodus gleich parat zu haben. Vor 2 Jahren gab es aber ein Problem: die ausufernde Sauferei. Vor 2 Jahren hatte ich am Abend derart viel Alkohol getrunken, sodass an ein Lesen nicht mehr zu denken war. Jeden Abend legte ich mich also besoffen, aber irgendwie dennoch unzufrieden ins Bett. Es war ein Gefühl, das ich nicht greifen konnte. Jetzt meine ich es zu verstehen. Mein Kopf braucht am Abend die Ablenkung und das Eintauchen in eine andere Welt.

    Vor ein paar Wochen hatte ich Die Brüder Karamasow durchgelesen. Und was für ein Meisterwerk es ist - sofern ich das in seiner Gänze überhaupt überblicken kann. Man mag es von außen nicht unbedingt verstehen, aber darauf, dass ich es geschafft habe zu lesen, erfüllt mich Stolz. Wenn ich mich nun ins Bett lege, durchströmt mich jetzt öfters ein Glücksgefühl, eine Art Vorfreude auf weitere Seiten eines neuen Buches. Ein ehrliches, unverwasschenes Glücksgefühl - Ganz ohne Gift. Ein Glücksgefühl, dass ich schon fast vergessen hatte.

    Viele Grüße
    Karamasow

  • Hallo Karamasow!

    Ich erinnere mich noch an eine alte Verfilmung des Werks mit Yul Brunner. Es ist gefühlte Ewigkeiten her. Die Älteren 50+ werden sich womöglich erinnern.

    Du hast schon recht. Im Urlaub habe ich abends versucht, noch mal ein paar Kapitel in einem bereits begonnen Buch zu lesen. Das ging gar nicht. Der Alk hatte das Kurzzeitgedächtnis blockiert. Da bekam ich nichts mehr in die Birne. Am nächsten morgen konnte ich dann die Kapitel noch mal lesen.

    Das sieht heute anders aus. Gut so.

    Gruß Carl Friedrich

  • Hallo,
    sucht man die Threads zusammen, die mit mir angefangen haben, so ist es schon ernüchternd, wie wenige davon noch aktiv mit Zeilen gefüllt werden. Man kann wohl davon ausgehen, dass die meisten wieder trinken. Hm. So bleibt mir zunächst nichts anderes übrig, als von Langzeittrockenen zu lernen. Das ist zwar auch gut, aber manchmal bräuchte ich den Austausch mit Menschen, die so ähnlich weit sind wie ich.
    Ich habe das Gefühl mich als Mensch zu verändern. Ich grüble über jeden Kram nach. Insbesondere über Menschen mit denen ich häufigen Umgang pflege. Dabei denke ich, bin ich jetzt der Doofe oder sind die anderen gerade doof und ich habs jahrelang gar nicht mitbekommen. Oder haben die sich verändert? Z.B. bei menschenverachtende Witzen oder beim Thema Alkohol oder bei angestrengten Eltern bin ich gerade äußerst empfindlich. Ja, empfindlich ist ein gutes Wort zur Beschreibung der inneren Situation. Im nassen Zustand hatte mich das nicht groß gehoben. Vieles, wie z.B. beim Job ist jetzt gelassener, aber bei manchen Dingen die Menschen betreffen, geht mir jetzt schnell das Messer in der Tasche auf. Mir fällt es schwer, die richtige Sicht und Einstellung auf die Sache zu finden. Die innere Kompassnadel ist irgendwie durcheinander. Oft frage ich mich, ob es nur die Nebenwirkung der Hirnumpolung ist und ich nur innerlich überreagiere oder ob es jetzt ernsthaft ziemlich doof war. Nuja. Da muss ich jetzt wohl durch. Vielleicht wird es später klarer.
    Noch etwas schönes: Wenn alles klappt, dann können wir bald in den Urlaub fahren. Darauf freue ich mich wirklich, denn der Urlaub ist auch mal nötig. Bin ziemlich im roten Akku-Bereich.

    Viele Grüße

  • Hallo Kamarasow,

    nimm doch mich. Ich bin auch keine Langzeittrockene. Noch nicht. Nachmeinem Rückfall fing ich bei 0 an und ich bin jetzt etwas länger als ein Jahr in meinem neuen Leben. wie lange bist du jetzt trocken?

    Ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht wie Du. Ich nehme auch Empfindungen wahr, die ich eben vorher betäubt habe. Ich hab mich auch als Mensch verändert. Erstmal habe ich eben einfach Gefühle und Bedürfnisse nur wahrgenommen und dann habe ich begonnen, sie mir zuzugestehen und bei Bedürfnissen auch, ihnen nachzugehen.

    Was machst Du denn, wenn Dir "das Messer in der Tasche aufgeht?"
    Es ist doch erst schon mal gut, dass Du dieses Gefühl spürst!
    Ich für mich bin so, dass ich dann was sagen muss bzw. nachfrage, wie jemand zu seiner Aussage kommt oder so.... Oft klären sich dann auch Dinge. Es gehört für mich inzwischen dazu, dass ich es nicht nur beim Spüren meines Gefühls belasse.

    Wenn Du magst, schreibe ein bisschen mehr dazu.

    Viele Grüße
    Calida

  • Hallo Karsten,
    ich hoffe es. Etwas Restunsicherheit besteht, aber mir hilft gedanklich der Satz (von Linde66 glaube): Die schönen Momente hatte man nicht deshalb, weil man Alkohol trank, sondern weil es einfach schöne Momente waren.
    Das gibt mir Zuversicht.

    Grüße

    Hallo Calida,
    ja, dich hätte ich noch als Beispiel. Vom Alter her sind wir auch gleich. Ich mag auch dein Geschriebenes. Das passt also. Zur Dauer: Es dürften ca. 30 Wochen sein.
    Zum Messer: Nun, manchmal verspüre ich den Drang, demjenigen die Meinung undiplomatisch und drastisch ins Gesicht zu sagen, aber im Moment halte ich mich meist zurück und Schlucke es herunter. Mit einem Tag drüber schlafen spreche ich dann das Thema manchmal nochmal an. Aber nicht immer. So bleibt es z.T. eine schwelende Sache. Im engsten Kreis trage ich das Herz auf der Zunge und benenne direkt das was aus meiner Sicht doof und gut war. Bei entfernteren Menschen ecke ich damit eher an. Zuviel Ehrlichkeit wollen viele gar nicht hören. Nur oberflächliches grinsen, lächeln und Statussymbole. Ein passende Thema wäre hier Kindererziehung. Wir versuchen unsere Kinder in erster Linie zu aufrichtigen, ehrlichen und angenehmen Menschen zu erziehen. Die Respekt vor Erwachsenen haben, nicht abheben, hilfsbereit und aufmerksam sind. Allein mit den soeben genannten Werten kannst du dir vorstellen, dass wenn ein anderes Kind seine Mutter schlägt oder volllöffelt, ich äußerste Probleme habe, mich zurückzuhalten. Und falls ich es doch mal nicht schaffe mich zurückzuhalten, springt die Mutter ein und sagt: "Der meint es ja nicht so." . Was zur Folge hat, dass die Mutter mir auf einmal eher feindseliger gesinnt ist. Nunja. Vermutlich könnte ich jetzt hier Romane über tausend andere Situationen schreiben, aber dafür reicht die Zeit und Muße nicht. Solche und ähnliche Situationen gibt es zu Hauf. Im Berufsleben, bei den Hobbys (bin Teamsportler) und bei Bekannten. Und das was ich mit dem vorherigen Beitrag sagen wollte, ist, dass mir derzeit die innere Kompaßnadel für das Maß und die Einordnung fehlt. Im Sinne von "sagst jetzt was oder beißt du dir auf die Zunge." "war das jetzt nicht unendlich blöd oder einfach nur ein schlechter Witz".

    Viele Grüße

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