Vater belästigt mich im Suff

  • Hallo zusammen,

    seit gestern Abend bombardiert mich mein Vater ( Alkoholiker) wieder mit kranken Nachrichten( zb. Mordfantasien) und Anrufen. Ich reagiere nicht und werde übelst von ihm beschimpft. Bis vor kurzem bin ich immer sofort gesprungen, wenn er um Hilfe flehte, habe alles stehen und liegen gelassen und bin sofort zu ihm gefahren. Habe ihn mehrfach in die Entgiftung gebracht auf mein Drängen. Stunden später rief er mich dann immer besoffen an und meinte, er hätte es da nicht ausgehalten. Auch den Krankenwagen habe ich schon mehrmals gerufen, weil er sich umbringen wollte. Resultat: Als der Krankenwagen bei ihm eintraf, war plötzlich wieder alles gut und die Leute waren umsonst gekommen.
    Ich kann mit ihm nicht reden. Allein wenn ich die Nachrichten von ihm aufpoppen sehe, zieht sich alles in mir zusammen und ich kriege riesigen Druck und Stress. Mich triggert es auch zu sehr mit einem Besoffenen zu reden.

    Ich möchte keinen Kontakt mehr, traue mich aber weder ihm das zu sagen noch zu schreiben. Er hat mich von klein an so manipuliert, dass ich wie erstarrt bin, sobald ich mit ihm in Kontakt trete.
    Er weiss auch, dass ich selber Alkoholikerin bin, aber das ist ihm völlig egal. Ich habe ihm schon mal vor ca 4 Wochen vorsichtig gesagt, dass wir beide erst wieder Kontakt haben können, wenn wir trocken sind. Aber um ehrlich zu sein, möchte ich auch in Zukunft keinen Kontakt zu ihm, weil er als Vater nie für mich da war.

    Ich fühle mich grad wie ein hilfloses Kind. Es macht mich auch so unfassbar wütend, dass er mich seit Jahrzehnten mit seiner Krankheit belastet und Hilfe und Unterstützung einfordert. Soll ich ihn blockieren oder mich überwinden und ihm schreiben, dass ich keinen Kontakt mehr möchte?

    Ich habe auch Angst, dass er auf die Idee kommt plötzlich vor meiner Haustür zu stehen. Er schreibt nämlich auch wirres Zeug von Mordfantasien. Er ist psychisch sehr krank und unberechenbar.

    Ich musste mir das jetzt mal von der Seele schreiben. Vielleicht hat jemand einen Rat?

  • Zitat

    Ich möchte keinen Kontakt mehr, traue mich aber weder ihm das zu sagen noch zu schreiben.

    Hallo Carmen,
    du brauchst das weder zu sagen noch zu schreiben. Du brauchst es nur zu machen.
    Lass den Kontakt einschlafen.
    Alle Informationen die er braucht, die hat er bereits. Ob er sich an die Gespräche und Begegnungen mit dir erinnern kann oder will, ist seine Sache.

    Ich spreche aus eigener Erfahrung. Es geht. Es tut zwar furchtbar weh und es fühlt sich auch völlig verkehrt an, aber um deinetwillen: Geh auf Abstand. Denn dadurch kommst du dir selber nah. Da geht der Weg lang.

    Bis dermaßen emotional mißbrauchte Kinder sich von ihren Eltern trennen können, geht oft eine jahrzehntelange Sucht- und manchmal auch Mißbrauchsgeschichte in der Familie voraus. Kinder werden nicht beim Großwerden begleitet und stark gemacht, sondern sie werden emotional, manchmal auch körperlich mißbraucht und ihnen werden die Flügel gestutzt. Aber: Man war das Kind, man war auch das Opfer, aber man muß das ja nicht lebenslang bleiben. Man kann sich selber aus der Opferhaltung rausbegeben und den Kontakt zum Täter, um es mal so auszudrücken, einschlafen lassen.

    Wie gesagt, es fühlt sich verkehrt an den Kontakt zu den Eltern abzubrechen, es fällt auch unendlich schwer und ist maximal stressig und aufwühlend. Aber es ist machbar. Und irgendwann fühlt es sich an wie eine heilende Wunde. Die ist narbig, die juckt auch, manchmal kratzt man sich noch dran, aber irgendwann kehrt innendrin Ruhe ein.

    Irgendwann kommt der Punkt, da kann man einfach nicht mehr und es es steht im Raum, daß man selber mit den kaputten Eltern untergeht. Das darf nicht sein. Sich selber aus dem kindlichen Opferzustand rauszubegeben ist ein langer Prozeß, weil man ja jahrzehntelang als solches herangezogen und behandelt worden ist. Aber es geht. Du kannst gehen. Einfach so.

    Lieber Gruß, Linde :)

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Liebe Linde,

    vielen Dank für deine Zeilen. Diese haben mich sehr berührt und aufgebaut.
    Alles, was du schreibst, fühlt sich richtig für mich an. Es tut gut, verstanden zu werden.

    Ich werde also konsequent keinen Kontakt mehr zulassen.

    Ich habe auch von dir schon ein wenig gelesen. Ja, es ist ein langer Prozess und emotionaler Missbrauch traumatisiert.
    Ich hoffe, dir geht es gut und du genießt den schönen sonnigen Tag!

    LG
    Carmen

  • Hallo Carmen,

    ich bin diesbezüglich nicht betroffen, aber ich finde den Ansatz von Linde großartig. Dass man auch einen Kontakt einstellen kann, ohne dieses vorher anzukündigen. So ist der Schritt nicht ganz so schwer, weil er zunächst nicht einen so offiziellen Charakter hat. Der Schritt wird quasi leise gegangen.

    Ich finde es für Dich extrem wichtig, diesen Abstand zu bekommen. Du musst Dich selbst schützen. Schließlich hast Du viel vor mit Dir selbst! Du möchtest trocken bleiben und glücklicher werden. Das geht nur, wenn Du für Dich sorgst.

    Ganz liebe Grüße

  • Hallo Cadda,

    ich finde Lindes Text auch großartig und er hat mich zum weinen gebracht.

    Ja, ich werde keinen Kontakt mehr zulassen. Mein Vater saugt mich nur aus.
    Ich brauche die wenige Kraft, die ich noch habe, für meine Genesung.

    Danke auch für deinen Zuspruch!

    Ganz liebe Grüße zurück

  • Hallo, liebe S.

    Ja, ich habe meinen Vater überall blockiert und lasse keinen Kontakt mehr zu. Es ist nicht leicht, aber es gibt nur diese eine Lösung. Denn ich kann ihm nicht helfen, ich kann nur mit ihm untergehen. . Ich habe 34 Jahre gebraucht, um das zu akzeptieren.
    Jetzt bin ich dabei loszulassen. Ist nicht einfach, aber es geht.

    Mittlerweile bin ich mir sogar ziemlich sicher, dass zuviel Hilfe für einen suchtkranken Menschen sogar eher schädlich und noch suchtfördernd sein kann.Denn durch die Hilfe und Unterstützung kann man sich seiner Sucht voll und ganz hingeben...denn im Notfall ist ja immer noch der Co da.

    Ich bin selbst auch alkoholkrank und bei mir hat die übermäßige Fürsorge meines Partners nichts Gutes bewirkt, obwohl er nur das Beste für mich wollte. Das ist wirklich sehr traurig, aber kein Einzelfall.

    Da mein Vater Alkoholiker ist und ich selbst auch Alkoholikerin bin, kenne ich sowohl die Perspektive eines Co- abhängigen als auch die des Süchtigen. Beide " Rollen" sind furchtbar und auf Dauer unerträglich.
    Was mir aber große Hoffnung macht, sind die Leute hier im Forum, die sich aus ihrer Alkohol- oder Coabhängigkeit befreit haben. Das wünsche ich uns auch. :)

    LG
    Carmen

  • hallo carmen

    als ich meinen partner kennen lernte hat seine mutter auch noch getrunken, ich war damals schon hier im forum aktiv und wußte daher vom lesen hier doch recht gut wie es den kindern geht und wie man sich am besten aus dem mist raus kämpft. na ja, zwei hilfestellungen in den entzug bei schwiemu hab ich mitgemacht, als sie erneut rückfällig wurde und mein hase völlig verzweifelt war hab ich ihm einen einzigen satz gesagt der ihm half los zu lassen. du verdankst deiner mutter dein leben, aber du schuldest es ihr nicht.

    das reichte damit er den kontakt abbrach. es hat einige zeit gedauert bis sie dann wieder in die klinik und anschließen in eine therapie und sogar eine wohngruppe ging um trocken zu werden, bis dahin hatte sie aber so gut wie alles verloren, auch fast ihr leben. dadurch haben wir dann wieder kontakt aufgenommen, denn es mußten ja angelegenheiten geregelt werden denn sie war anfangs zu nichts in der lage, sie war wirklich mehr tot als lebendig. nur mußte sie so weit runter um aufstehen zu können.

    heute ist sie auch schon 7 jahre trocken und nach anfangs zögerlichem kontakt ist heute alles prima, wir fahren zusammen in urlaub und sie kommt regelmäßig zu besuch. hätte sie weiter gesoffen wäre sie heute sicher nicht mehr am leben, aber das wäre dann ihre entscheidung gewesen, besoffen gab es aber keinen kontakt.

    doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

  • Hallo Doro,

    es ist unterstützend und gut zu hören, dass meine Entscheidung, keinen Kontakt mehr zuzulassen, richtig ist, denn auch, wenn ich weiß, dass der Kontaktabbruch richtig ist, kommt ab und an ein schlechtes Gewissen hoch.
    Ich sehe auch keine andere Möglichkeit mehr. Zudem bin ich auch noch selbst alkoholkrank und gerade dabei, mich aus der Sucht zu befreien; da bin ich wohl die Letzte, die ihren alkoholkranken Vater unterstützen kann; ganz abgesehen davon, dass er ja garnicht wirklich aufhören will, er sucht nur einen Zuhörer und Mitsäufer, der sich seinen Unsinn anhört und ihn bemitleidet. Wenn ich in ein paar Jahren, was ich hoffe, trocken und stabil bin, würde ich nochmal einen Versuch starten, ihn zu unterstützen, falls er dann immer noch trinkt, aber jetzt muss ich an mich denken. Es ging immer nur um ihn und gebracht hat es nichts. Danke für Deinen Erfahrungsbericht. :)

    LG
    Carmen

  • hallo carmen

    du hast genug damit zu tun dich selbst aus dem sumpf zu befreien, ich sag immer ein ertrinkender kann keinen anderen ertrinkenden retten, dann ersaufen beide. guck das du an land kommst, erst dann, und vor allem, erst wenn dein vater es überhaupt will, kannst du ihm behilflich sein, aber nur dann. wenn er weiter trinken will dann mach dein ding. ich hatte am anfang als ich aufhörte zu trinken ja auch die idee meinen mann retten zu können, nach 2 jahren bin ich gegangen denn er wollte nicht. wir hatten bis zum schluß kontakt wegen der kinder, mehr aber nicht. vor 4 jahren saß ich dann an seinem sterbebett, es war seine entscheidung.

    doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

  • Ja, Doro. Du hast recht. Allein bei dem Gedanken mit meinem Vater in Kontakt zu treten, wird mir ganz übel. Es fühlt sich einfach falsch an mit ihm. Was irgendwann in der Zukunft ist, wird sich zeigen, aber daran versuche ich nicht zu denken.

    Ich habe die ersten Seiten Deines Tagebuchs gelesen und finde es unglaublich, dass Du es neben einem nassen Alkoholiker geschafft hast, trocken zu werden. Da liegt wahnsinnig viel Willen und Kraft drin.

    LG
    Carmen

  • ja nun, ich hatte 4 gute gründe die mich jeden morgen mit großen augen angesehen haben, das hat ne menge geholfen. ich wollte aus dem sumpf raus, ich wollte leben, für meine kinder und nicht zuletzt natürlich für mich selbst. theresa war 2 jahre alt, die brauchte mich noch in jeder beziehung, aber auch die großen, ich wollte sie nicht noch mal enttäuschen und ihnen endlich eine mutter sein wie sie sie verdient haben. gelitten hatten sie genug.

    doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

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