Schritt für Schritt und Tag für Tag

  • Hallo zusammen,

    nun möchte ich hier auch meinen eigenen Thread eröffnen, damit ich am Ball bleibe und regelmäßig meine Gedanken und Gefühle sortiere :idea:

    Über einen Monat bin ich jetzt trocken und komme bisher ganz gut zurecht, auch dank dieses Forums. Herzlichen Dank an alle, die hier aktiv sind und ihre Erfahrungen teilen, das ist für einen Neuling wie mich auf dem Weg in eine alkoholfreie Zukunft unglaublich hilfreich.

    "Heute bleibe ich nüchtern." Das ist mein Ziel. Und ich werde dem bescheuerten Alkohol auf die Schliche kommen und warum er so eine große Rolle in meinem Leben eingenommen hat.

    Es wird ein Marathon, kein Sprint. Aber jede Veränderung fängt mit dem ersten Schritt an: Schritt für Schritt und Tag für Tag, ich gehe es an.

    Viele Grüße

    Mari

  • Heute ist Tag 40.

    War heute bei meinem Arzt wegen noch einer anderen gesundheitlichen Sache. Hab das Thema Alkohol aber wieder bewusst angesprochen und ihm von meiner Abstinenz berichtet. Er hat mir gratuliert, dass ich die ersten Wochen geschafft habe. Das hat mich im ersten Moment erstaunt und sogar ein bisschen irritiert (bin da eher introvertiert :oops: ). Aber dann wurde mir bewusst, dass das ja wirklich ein besonderer Grund zur Freude ist, und man das ruhig mal aussprechen darf :!:

    Ich habe den Absprung geschafft, jetzt heißt es, weiterhin achtsam bleiben.

  • Hallo Mari,

    auch von mir herzlichen Glückwunsch. :) Und schön, dass du hier schreiben willst.

    Ich bin w, Anfang fünfzig und seit ein paar Jahren zufrieden trocken, und ich erinnere mich an eine ganz ähnliche Situation, als ich mich damals bei meiner Hausärztin „outete“. Sie beglückwünschte mich auch, stand richtig auf und gab mir die Hand, und das hat sich bei mir tief eingeprägt und war einer der kleinen Momente, die mich getragen haben.

    Dir weiterhin alles Gute, und einen schönen Start ins Wochenende.

    Thalia

  • Guten Morgen :)


    Ich wünsche Dir weiterhin viel Kraft!

    Liebe Nala, ich danke dir! Das wünsche ich dir auch.

    Ich habe heut lange und echt gut geschlafen, das ist schon mal wichtig für die körperliche Kraft. Und mental natürlich auch, wenn man entspannt aufwacht. Und außerdem: Wer schläft, trinkt nicht :idea::mrgreen:


    Sie beglückwünschte mich auch, stand richtig auf und gab mir die Hand, und das hat sich bei mir tief eingeprägt und war einer der kleinen Momente, die mich getragen haben.

    Jaaaa, das war irgendwie ein ganz besonderer Schlüsselmoment, Thalia, vor allem hatte ich mit so einer Reaktion überhaupt nicht gerechnet :oops:
    Wenn man die zurückliegenden Monate und Jahre durch den Suff nur negative Gedanken über sich ansammelt und die Perspektive immer Richtung weiter abwärts geht, dann erscheint einem so ein Moment fast surreal. Werde mich daran auch noch ganz lange zurückerinnern und davon zehren.


    Dir weiterhin alles Gute, und einen schönen Start ins Wochenende.

    Dankeschön, das wünsche ich dir auch :)

    LG Mari

  • Heute ist nicht mein Tag. Ich bin gerade mit mir selbst überfordert.

    Normalerweise kann ich nur sehr schlecht die Kontrolle abgeben, habe ich doch als EKA schon als Kind gelernt, dass ich mich am besten auf mich selbst verlasse und vor allem niemanden mit mir belaste. Aufgrund meiner momentanen gesundheitlichen Situation (OP) geht das gerade nicht und ich bin auf die Hilfe meines Partners und meiner Familie angewiesen. So gesehen ist es wohl ganz gut, das gerade durchzumachen, nämlich, dass bei mir jetzt mal so gar nichts geht und ich derzeit diejenige bin, die Hilfe braucht, nicht umgekehrt.

    Aber es fällt mir gerade sehr schwer loszulassen und zu akzeptieren, dass ich "schwach" sein darf.

    Heute habe ich erkannt, dass der Alkohol eine Form von "Urlaub" für mich war, wenn ich mich mal wieder im Job und auch privat verausgabt habe. Eine Flucht aus dem anstrengenden Alltag, alle Last von den Schultern abschütteln, wenigstens für ein paar Stunden abschalten, niemanden hören, niemanden sehen, nur mit mir.

    Ich habe große Angst, wieder in dieses "Hamsterrad" aus Überforderung und Stress zu geraten, denn dann wird der Drang, Alkohol zu trinken, stärker werden. Und ich will nicht mehr trinken ... nie wieder. Ich brauche Strategien, damit es nie wieder so weit kommt.

    Heute ist Tag 43.


  • Ich habe große Angst, wieder in dieses "Hamsterrad" aus Überforderung und Stress zu geraten, denn dann wird der Drang, Alkohol zu trinken, stärker werden. Und ich will nicht mehr trinken ... nie wieder. Ich brauche Strategien, damit es nie wieder so weit kommt.

    Hallo Mari!

    Eine für alle gültige Strategie, nicht mehr zu trinken, kenne ich nicht. Es dürfte sie auch nicht geben, da wir alle nun mal unterschiedlich sind. Wer bei Stress gerne zur Flasche griff, um sich zu beruhigen, der sollte andere Rituale zum Runterkommen finden, z.B sich mal besinnen, was einem wirklich Freude bereitet und Ablenkung und Zerstreuung bietet.

    Mir hat es bei Stress immer geholfen, die Natur aufzusuchen. Da gibt es kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung. :wink: Zu Beginn meiner Abstinenz habe ich mir gerne meine Fahrrad geschnappt und bin 'ne Stunde kräftig gestrampelt. Oder aber regelmäßig zum Training gehen. Ein paar Übungen lassen sich auch daheim erledigen und dann 'ne große Runde durch die Gegend drehen (nur nicht in Richtung der nächsten Tränke, an der man sich früher eingedeckt hat). Mich bringt das immer runter.

    Ein kluger Kopf hat mal zutreffend formuliert: "Sorgen Sie dafür, dass es Ihnen gut geht." Da steckt alles drin, auch für dich Mari.

    Gruß
    Carl Friedrich

  • Hallo Mari,

    was du schreibst, kann ich gut nachvollziehen. Ich habe das Trinken in ähnlicher Funktion genutzt - gegen Stress und (eigene!) hohe Anforderungen. Auch ich bin in einem coabhöngigen Familiensystem groß geworden und habe auch von Anfang an gelernt, dass ich auf die Bedürfnisse der anderen immer achten muss und dass diese immer wichtiger sind als die eigenen. Das aufrecht zu erhalten half mir der Alkohol. Wenn ich trank, ließ die innere Anspannung nach. Und dieses extreme Gefühl, für alles verantwortlich zu sein.

    Nachdem ich den Alkohol weggelassen habe, hat mir geholfen, wenn ich mich in solchen Situationen quasi von außen beobachte: was macht mein Atem, mahlt mein Kiefer wieder; und ich habe mich an die ersten Worte einer Therapeutin bei der progressiven Muskelentspannung erinnert: „Einfach einmal fallen lassen.“ Die Schultern, die Hände, den Kopf sinken lassen und tief ausatmen.

    Ich hab jetzt nicht präsent, ob du eine Therapie machst oder beantragt hast.
    Nachdem ich trocken war, fand (und finde) ich ganz erstaunlich, welch positiven Entwicklungen jetzt auch durch eine Psychotherapie möglich sind. In all den Jahren zuvor verhinderte das Trinken, dass ich mit mir selbst weiterkam.

    Ja, und alles Gute für deine OP (Post-OP?) wünsche ich dir auch noch. Da sei mal ganz besonders gut zu dir!

    Viele Grüße
    Thalia

  • Hallo Mari,


    Ihr ging direkt das durch den Kopf, was Carl-Friedrich schrieb. Wenn ich das Gefühl habe, mir fällt die Decke auf den Kopf oder ich will nichts hören und sehen und möchte mir Gutes tun, dann gehe ich raus. Eine Runde spazieren gehen wirkt Wunder, auch wenn man das sonst noch nicht für sich entdeckt hat.

    Der „Urlaub“ von dem Du geschrieben hast, wäre doch nur kurz da. Danach bräuchtest Du Urlaub vom Urlaub, weil das Saufen die reinste Misshandlung der Seele ist. Und da wären wir wieder beim Teufelskreis.

    Denk Deinen „Urlaub“ zu Ende, also nicht nur die Gefühle beim Trinken mit einkalkulieren, sondern auch die Gefühle NACH dem „Urlaub“. Denn jeder Urlaub geht zu Ende. Es sein denn, man stirbt im „Urlaub“...

    Du schaffst das! Immer erst Denken, dann Handeln :)

  • Lieber Carl Friedrich,
    liebe Thalia,
    liebe Cadda,

    ich danke euch sehr, sehr, sehr für eure aufbauenden Worte, die mir sehr guttun. Und ihr trefft in so vielen Dingen schon wieder den Nagel auf den Kopf, ich fühle mich verstanden und aufgefangen. Eure Tipps und Gedankenanstöße helfen, ich lasse das gerade alles ein bisschen sacken und auf mich wirken...

    Danke, auch für die guten Wünsche, eure Mari :)

  • Hallo Mari!

    Ich kann gut nachvollziehen, was du meinst.
    Mir fällt es auch sehr schwer, wenn ich mal auf Hilfe angewiesen bin, diese schlicht anzunehmen und die "Schwäche" zuzulassen.
    Und auch, aus Überforderung und Stress/Anspannung den Druck, zu trinken zu haben.

    Ich habe das mal ganz krass erfahren, als ich wegen meiner Depressionen stationär in einer Klinik war. Ich war da vier Wochen. Die en zwei Wochen war ich einfach nur kaputt und hab das ganze nicht so wirklich an mich rangelassen. In der dritten Woche war ich extrem gereizt, wollte alles hinschmeißen, weil ich mich eingesperrt und bevormundet fühlte. Die viele freie Zeit ohne feste Aufgaben und Beschäftigung haben mich verrückt gemacht, stand das doch auch in krassem Gegensatz zu meinem "normalen" Leben. Die Ärzte und Pfleger haben mir gebetsmühlenartig erklärt, dass genau das der Punkt ist. Dass ich permanent unter Dauerstrom stand und jetzt einfach mal runterkommen soll und loslassen und nicht immer mit Aktivität alles deckeln, wie ich es sonst tat.
    Das war eine harte Lektion! Ich hab getobt am Telefon mit meinem damaligen Partner und meiner Freundin, hab mit den Pflegern und Mitpatienten diskutiert, dann flossen sehr viele Tränen.... Und ich habe gelernt, ich muss nicht immer auf Biegen und Brechen die Starke sein, ich darf auch mal schwach sein, ich darf vor allem auch negativen Gefühlen Platz einräumen. Trotzdem wird zu mir gestanden und ich werde aufgefangen und ich bin deswegen kein Loser oder schlechter Mensch. Auch wenn einem in der heutigen Gesellschaft leider oft genau das vermittelt wird. :mrgreen:
    Es heißt nicht, dass das Thema seitdem bei mir durch ist, aber ich kann doch etwas besser auf mich achten und auch mal sagen, ich brauche jetzt mal meine Ruhe und Zeit für mich.

    Ich weiß nicht, ob dir mein Beitrag was gibt, aber bei deiner Schilderung musste ich spontan an dieses Erlebnis denken.

    Liebe Grüße

    Nala

  • Liebe Nala,

    und ob mir dein Beitrag was gibt! Ganz herzlichen Dank für deine Worte. Ich leide ja auch seit langem an Depressionen und es ist genau mein Thema, loslassen, innehalten und Gefühle zulassen.


    Die Ärzte und Pfleger haben mir gebetsmühlenartig erklärt, dass genau das der Punkt ist. Dass ich permanent unter Dauerstrom stand und jetzt einfach mal runterkommen soll und loslassen und nicht immer mit Aktivität alles deckeln, wie ich es sonst tat.

    Ich glaube, das ist es! So langsam begreife ich, dass mich der Alkohol und mein Aktionismus von mir selbst ablenken. Ich habe in den letzten Tagen bewusst innegehalten, alles runtergefahren und mich dem (Gefühlschaos :lol: ) gestellt, was dann kam. Es war aufreibend und kräftezehrend, aber ich bin da durch gegangen und fühle mich heute auch schon wieder ein bisschen gefestigter. Der Saufdruck ist auch weg.


    Mir hat es bei Stress immer geholfen, die Natur aufzusuchen.


    ... „Einfach einmal fallen lassen.“ Die Schultern, die Hände, den Kopf sinken lassen und tief ausatmen.


    Wenn ich das Gefühl habe, mir fällt die Decke auf den Kopf oder ich will nichts hören und sehen und möchte mir Gutes tun, dann gehe ich raus.

    Oh Mann ... bin grad baff ... ohne Worte ... Danke euch, ihr habt es mir alle geschrieben, aber jetzt kann ich es das erste Mal wirklich, wirklich verinnerlichen.

    Heute ist ... Moment, ich gucke ... Tag 45 :mrgreen:

  • So, wollte mich auch mal wieder melden nach einigen turbulenten Tagen, die mal wieder mit innerem Stress aufgrund meiner eingefahrenen Glaubenssätze verbunden waren :roll: Aber ich habe deshalb nicht zur Flasche gegriffen, was ja erst einmal das Wichtigste ist. Das Verlangen hält sich zur Zeit zum Glück in Grenzen.

    Das Thema Stress ist bei mir stark mit kindlichen Erfahrungen, auch in Verbindung mit meiner Vergangenheit als EKA, verknüpft. Das wird mir immer klarer. In der Therapie gehe ich diese Muster (und Traumata) an, ich hoffe, dass ich immer mehr den guten und gesunden Strategien Raum geben kann, damit nicht mehr der Alkohol als Ersatz herhalten muss. Das ist weiterhin mein Ziel, anstrengend, sich zu stellen und aufzuarbeiten, aber es führt für mich kein Weg dran vorbei.

    Heute ist Tag 51.

  • Heute ist ein schöner Tag. Ich stelle fest, dass ich mich viel besser fokussieren kann. "Einfach nur sein". Ein Buch lesen oder Musikhören, in der Sonne sitzen. Und alles ohne nervös oder hibbelig zu werden. Kein inneres Gehetztsein. So schön ist das! Ich bin dankbar. Diesen Zustand werde ich konservieren für die schwereren Tage, die da kommen mögen.

    Tag 58.

  • Hallo Mari!

    Das klingt super! Das momentane Wetter ist auch Balsam für die Seele!
    Ich kann total gut verstehen, was du meinst! Das innerliche Gehetztsein kenne ich nur zu gut! Und bin auch immer dankbar, wenn mal etwas zur Ruhe komme!
    Welche Art Bücher liest du? Ich bin eine absolute Leseratte und seit ca. 2 Jahren sind Krimis und Thriller meine Lieblingslektüre.

    Viele Grüße!

  • Hallo Mari,

    es freut mich, dass es Dir gut geht und Du die Zeit genießen kannst! Dankbar. Das bin ich auch. Ich denke so oft dran, wie glücklich ich ohne den Alkohol bin.

    LG Cadda

  • Guten Morgen,

    genieße meinen Kaffee und höre mir "Coffee House Jazz" dazu an. Habe das vor Kurzem für mich entdeckt, da es wunderbar entspannend und beschwingend ist, der Fuß wippt automatisch mit :mrgreen:

    @ Nala, ich lese gerade "Die Frau in Weiß". Das ist ein viktorianischer Krimi aus dem Jahr 1860. Ich mag Klassiker unheimlich gerne und habe die früher verschlungen, die letzten Jahre fehlte mir aber die Konzentration dazu. Und nun geht es wieder, seitdem ich nicht mehr trinke. Lese aber auch sehr gerne aktuelle Krimis und Psychothriller und sonst auch alles querbeet. Wenn du Empfehlungen hast, immer her damit :mrgreen:

    Cadda Das ist schön zu lesen. Und du bist schon so viele Jahre trocken, hoffe sehr, dass ich irgendwann auch auf so eine lange Zeit Abstinenz zurückblicken kann.

    Einen schönen Tag euch!

    Mari

  • Die letzten zwei Tage habe ich über den Tag verteilt immer mal wieder Druck verspürt. Ich habe dann eine ganze Menge Mineralwasser runtergespült. Komisch, bei Wasser quäle ich mich, um überhaupt zwei volle Gläser runterzukriegen, bei Wein wäre das kein Problem :roll:

    Der Unterschied zu den Tagen davor ist angestaute Energie. Ich möchte endlich wieder Sport machen, kann aber nicht so, wie ich will (Bewegungseinschränkung). Das Wetter wird immer schöner, es kommt so eine Frühlingshibbeligkeit auf, die ich irgendwie kanalisieren muss. Am effektivsten an der frischen Luft und mit viel Bewegung, damit ich abends zufrieden und müde ins Bett fallen kann. Nun muss ich da irgendwie anders durch, hm, Frühjahrsputz vielleicht :shock::-|:mrgreen:

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