Lust for Life - Ich fange jetzt mal an zu leben

  • Nein, ich habe nicht mit ihr gesprochen, da bin ich gerade zu emotional für, bringt nichts. Erstmal Abstand gewinnen, mich um mein Zeug kümmern, dann vielleicht irgendwann...Ist ja nicht so, als wüsste sie nicht, was sie gerade tut. Heute musste sie dringend in die Buchhandlung, die schon zu hatte, die Ausreden werden nicht besser. Ich habe schon das Gefühl, sie möchte eigentlich, dass alle es merken, aber ich kann das nicht, deshalb involvier ich ja ihre beste Freundin.

    Tough times don't last, tough people do

  • Wie gesagt: Ich könnts auch einfach nicht und ich will es irgendwie auch gar nicht hören, was soll sie sagen? Letztendlich zählt nur die Tat und bevor ich nicht höre, dass sie in Therapie oder zumindest zum Arzt und dann zur Suchtberatung/Selbsthilfegruppe geht, hat kein Wort Gewicht. Ich habe das damals alles aleine geschafft, weil ich wusste, woran ich bin: Das weiß sie auch. Wer aktiv Entzugserscheinungen wegsaufen muss, der hat keinen Raum mehr für Illusionen übrig und ihrer Freundin gegenüber kann sie sich eher öffnen, als mir gegenüber. Mir würde sie alles versprechen, was ich hören will und dann nach kurzer Pause genau das Gegenteil davon tun. Da hat niemand etwas davon und am allerwenigsten ich selbst.

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  • Auch ich erlebte diese Machtlosigkeit, zusätzlich ist man noch stark emotional eingebunden, das macht es doppelt schwer.

    Zum Glück können wir erwachsenen Kinder einfach so fliehen. Das war das Beste was ich hätte tun können und tat.

    Ich musste akzeptieren, daß ich keinerlei Enfluss hatte.

  • Tja, da schreibst du was wahres Achelias: Ich bin so eben erfolgreich geflohen :).

    Ich habe jetzt am Ende dann doch die Wahrheit gesagt, warum ich weg muss, lügen ist einfach nicht so meins, nichtmal aus Gründen der Konfliktvermeidung und was jetzt kommt, wird wohl niemanden besonders überraschen: ALLE ANDEREN HABEN EIN PROBLEM, aber sie doch nicht. Nein, sie trinkt nur gerne mal was und "nur wegen dem Stress" und, ab da hab ich dann dicht gemacht und sie einfach wie ein besonders nerviges Kind behandelt. "Debatte ist vorbei, Thema ist durch und ist doch alles bestens, wenn du kein Problem hast, dann hör doch einfach auf?!" Ja, den letzten Satz hab ich von hier und den mag ich besonders gern.

    Eine Gruppe braucht sie auf keinen Fall und ich erspar euch den Rest einfach. "Ihr ganzes Leben muss sie sich schon diese haltlosen Vorwürfe anhören." Junge, Junge, wenn man sich das ganze Leben lang schon anhören muss, dass man ein Alkoholproblem hat, dann braucht man wirklich keinen nobelpreisverdächtigen IQ um daraus folgern zu können, dass man verdammt nochmal EINS HAT! Aber ist auch egal, mir gehts gut, Wetter ist wundervoll, ich werd hier noch ein bisschen aufräumen, Musik hören und dann mal vor die Tür gehen.

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  • Ach: Eins noch. Für den Bruchteil eines Moments hat sie mich tatsächlich fast gehabt. Sie hat mir wirklich so dreist ins Gesicht gelogen, dass ich kurz an meiner eigenen Wahrnehmung gezweifelt habe. Gruselig sowas...

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  • Sei deiner Mutter nicht böse, sie kann nicht anders, sie tut alles in ihrer Macht stehende, um ihre Welt zu schützen, wohlwissentlich das es anders ist.

    Sich Hilfe holen, bedeutet Schwäche zeigen, das kann nicht sein.

    Zeige Großmut und halte dich fern, das ist alles was du für Dich tun kannst.

  • Du hast vollkommen recht Achelias, natürlich bin ich trotzdem etwas wütend. Ich glaube den einen Moment, wollte sie mich tatsächlich schlagen, so sauer ist sie davon geworden, dass ihr nach all den Jahren endlich mal jemand die Wahrheit gesagt hat. Was sie allerdings richtig fuchsig macht, ist das keiner ihrer alten Tricks mehr bei mir zieht. Erst recht kein "So redest Du nicht mit mir", "Doch, ich rede so mit dir, wie mir das passt" und da muss ich ehrlich sagen, bin ich ein bisschen stolz auf mich. Denn das ist mein Selbstvertrauen, das ich mir hart erkämpft habe, das diese Unterhaltung überhaupt möglich gemacht hat. Weder mein Bruder noch meine Schwester haben das je geschafft, die sind beide still und heimlich aus ihrem Leben verschwunden, bzw. meine Schwester ist noch dabei das zu tun. Hin und wieder greift sie noch die Vorteile ab, wie Gratisurlaub machen, aber das ist ihre Sache.

    Ein paar Tage werde ich wie gesagt noch brauchen, um mich wieder zu beruhigen und zu mir zu kommen, war dann doch ne ziemlich harte Nummer am Ende. Ich bin wirklich unglaublich froh, nicht nur das Forum hier sondern auch ein paar Freunde im "echten Leben" zu haben, die kein Alkohol Problem haben und bei denen ich mich nebenher ein bisschen ausheulen konnte. Die sind im übrigen "neu", also die habe ich während meiner Abstinenz erst kennen gelernt und von denen empfiehlt mir auch keiner, ihr Problem zu meinem zu machen, insofern, ich komme zurecht und Dienstag geht es erstmal nach Berlin, mal wieder meinen Vater besuchen.

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  • Hallo Lust for Life,

    auch die Wut lässt nach … mit der Zeit, vorausgesetzt du hälts dich fern.

    So war es jedenfalls bei mir, mein Vater war schon lange nicht mehr mein Vater, sondern nur noch der Säufer, er war mir so fremd, Gefühl und Achtung hatte ich völlig verloren. Mitleid hatte ich, aber nicht den Drang helfen zu wollen, denn er hatte kaum noch nüchterne Momente. Als ich mich trennte, war ich in deinem Alter, ich sah ihn nie wieder, wollte es auch nicht, er lebte dann noch 15 Jahre,

  • Das glaube ich auch, für gewöhnlich bin ich auch nicht wütend auf sie, das war jetzt vor allem wegen der "Aussprache". Ich hätte halt wenigstens erwartet, dass sie ein kleines bisschen Einsicht zeigt, aber keine Chance. Die hätte buchstäblich die Flasche am Mund haben können und hätte noch gesagt "Ich trinke nicht", irre, wie weit sich Menschen von der Realität entfernen können, wirklich unfassbar.

    Ich hatte in den letzten Jahren meiner Alkoholikerkarriere nie groß einen Hehl daraus gemacht, wenn ich mal angesprochen worden bin. Im Gegenteil: Ich saufe, weil ich süchtig bin, das habe ich tatsächlich öfters mal gesagt. Spielt auch keine Rolle, von heute auf Morgen kann ich da nicht ganz weg, aber ich wohne da nicht mehr und ich versuche da auch nichts mehr aufzubauen, das ist erstmal das wichtigste. Nach meiner Einschätzung werden ihre "Freunde" dafür Sorgen, dass der Weg nach unten noch sehr, sehr lange dauern wird, denn wenn sie mich so überzeugend anlügen kann, dann schafft sie das bei denen drei Mal. Ist, wie's ist und ich werd mir mein Leben davon nicht verderben lassen, sondern einen guten Song draus machen, so kann man das auch regeln :).

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  • Ja, Eminem "Cleaning out my closet" zum Beispiel. Ich hab tatsächlich damals schon dagesessen (2002 kam der Song raus) und davon geträumt: Eines Tages schreibst du auch mal so einen Song. Ich habe mir das aber tatsächlich etwas großartiger vorgestellt, als es sich am Ende dann anfühlt. Von einem Elternteil Abschied nehmen zu müssen, obwohl es ja eigentlich noch lebt und "nur" ein Problem hat, das gar nicht so schwer in den Griff zu kriegen wäre, ist überhaupt nichts tolles, aber es muss halt sein.

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  • Tja, deine Geschichte kenne ich nun wiederum nicht. Ich sollte mir wohl mal einen Ruck geben und auch mal rüber in "die geschlossene" kommen :D. Aber Morgen steht erstmal ein Kurztrip nach Berlin an, da bin ich so oder so nicht online dann..

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  • Das glaube ich auch, für gewöhnlich bin ich auch nicht wütend auf sie, das war jetzt vor allem wegen der "Aussprache". Ich hätte halt wenigstens erwartet, dass sie ein kleines bisschen Einsicht zeigt, aber keine Chance. Die hätte buchstäblich die Flasche am Mund haben können und hätte noch gesagt "Ich trinke nicht", irre, wie weit sich Menschen von der Realität entfernen können, wirklich unfassbar.

    Da siehst du die Hilflosigkeit deiner Mutter. Noch versucht sie die Fassade aufrecht zu erhalten, mit aller Macht und reagiert auf jeden Angriff, auf jede „Unterstellung“ äußerst agressiv.

    Sie ist in Panik – mit Konfrontation erreichst du das genaue Gegenteil, sie reagiert mir Abwehr und lügt was das Zeug hält. Noch hat sie ihren Stolz und säuft heimlich, in der Hoffnung es merkt keiner.

    Diese Phase hat wohl jeder Alkoholiker, er versucht zu schützen, was es noch zu schützen gibt.

    Je mehr kritisiert wird, desto heftiger werden die Gegenreaktionen.

    Nun nutzt uns diese Erkenntnis herzlich wenig. So geht es wohl jedem Angehörigen. Meckert man, erreicht man Abwehr, tut man nichts und lässt gewähren, verbessert sich auch nichts.

    Sätze wie: Der Alkoholiker muß Einsicht zeigen, sind zwar richtig, doch wie bringe ich den Alkoholabhängigen dazu, daß er nicht mehr seinen Frust wegsäuft?

    Der (individuelle) Frust muß also weg und das scheinbare Allheilmittel als Fein akzeptiert werden.

    Angehörige sind da scheinbar die schechtesten Argumentationspartner, da zu sehr emotional involviert.

    Die menschliche Beziehung ist meist im Popo, zumindest arg gestört. Wie bekommt man wieder eine vertrauensvolle, vorurteilsfreie Kommunikation hin? Ärzte, Therapeuten können gute Vermittler sein, doch will eine Partei diese Helfer nicht akzeptieren, bringt das auch nichts. Es ist wie im Krieg, es wird sich so lange gefetzt, bis einer aufgibt und das Feld räumt.


    Ich habe getrunken, weil ich mit vielen Sachen nicht klar kam, weil meine Wünsche, Vorstellungen nicht mit der Realität übereinstimmten.

  • Da siehst du die Hilflosigkeit deiner Mutter.

    Nein, tut mir leid, da sehe ich das genaue Gegenteil. Hilflosigkeit wäre heulend zusammenbrechen und schluchzend zugeben: Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Sie weiß sich allerdings sehr gut zu helfen, sonst würde sie ja nicht ihr ganzes Leben auf Lügen aufbauen nur um weiterhin saufen zu können und in Panik ist sie auch nicht, höchsten mal, wenn der Pegel nicht stimmt. Ihr Leben läuft blendend Achelias, das kannst du dir vielleicht nicht vorstellen, weil ich das nicht richtig beschrieben habe, aber sie ist umgeben von Co-Abhängigen, die ihr wirklich jeden Mist noch hinterhertragen. Sie kann den ganzen Tag verkatert auf der Couch liegen und muss allerhöchsten mal für zwei Stunden am Tag Arbeit simulieren, das ist alles.

    Mir ist völlig egal, wie man wieder eine Kommunikation hinbekommt, weil es zwischen ihr und mir außer guten Tag und auf Wiedersehen keine Kommunikation mehr geben wird. Solange sie nicht bereit ist, sich ihre Krankheit einzugestehen, war es das und sie anzupampen, das habe ich für mich gemacht, weil ich mich jetzt besser fühle und sie sich das meiner bescheidenen Meinung nach auch einfach mal verdient hat.

    Habs früher aus Berlin zurück geschafft, weil ich so den Zahnarzttermin morgen früh nicht verschieben muss, falls das wen interessiert :).

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  • Ach so, ja, das ist bisschen das Problem mit dem geschriebenen Wort, da interpretiert man gerne mal was falsch/anders als es derjenige es eigentlich meinte. Nicht so schlimm, ich bin gerade ziemlich müde, aber ich danke dir für den Austausch, da konnte ich in letzter Zeit doch mal einige Dinge loswerden, die sich über lange Zeit aufgestaut haben.

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