Ich fange jetzt mal an zu leben

  • Mein 1. Gedanke: Hat Achelias auch gekifft und ist jetzt 1 1/4 Jahre Cannabisfrei?

    Mein 2. Gedanke: Wieso beantwortet Achelias eine Frage, die Stern an Lust for Life gestellt hat?

    Mein 3. Gedanke: Es ist fast halb 12, ich gehöre ins Bett. :lol:

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo Achelias,


    Suchtdruck wie noch zu Beginn verspüre ich kaum noch, ich würde fast schon überhaupt nicht sagen. Andererseits spüre ich gerade wenn ich mich wirklich traurig fühle wie sich Gedanken einschleichen möchten, dass doch alles wieder in Ordnung wäre, wenn ich saufen würde. Zuletzt im Kontext mit meiner Mutter hin und wieder mal gehabt.


    Erklären tue ich mir das gar nicht. Ich nehm's, wie es kommt. Ich theoretisiere zwar gerne mal herum, aber im Moment fehlt mir dafür schlicht die Zeit/der Nerv und jetzt bin ich auch im geschlossenen Bereich angekommen, wo es enorm viel zu lesen gibt, nur der Tag wird davon leider auch nicht länger :),


    Grüße, LfL

  • Hallo Allerseits,


    Nachdem ich nun wirklich mal länger nichts mehr geschrieben habe und ich auch im geschlossenen Bereich nicht besonders aktiv bin, dachte ich mir: Wäre doch nett mal kurz zu erzählen, wie es mir so geht. Eins noch vorweg: Auch wenn ich nicht schreibe schaue ich dennoch fast täglich hier rein und es ist mir oft eine große Freude die vertrauten Namen zu lesen und einfach zu wissen, dass ich hier gewissermaßen dazugehöre.


    Es ist ein etwas alberner Witz, denn ich am Beginn meiner Abstinenz öfter gemacht habe, dass wir trockenen Alkoholiker ja gewissermaßen Teil eines unheimlich exklusiven Clubs sind. Dabei hatte ich vor allem die hohen Rückfallqoten im Sinn und da ich ein recht kompetetiv veranlagter Mensch bin, sehe ich uns Trockenen gewissermaßen auf der Gewinnerseite. Anders gesagt: Wir sind die wenigen Prozentpunkte die den Absprung schaffen und daraus entsteht die Exklusivität, denn teilnehmen kann ja jeder mit einem Alkoholproblem, machen nur leider die wenigsten..


    Das mal beiseite, ich stelle gerade fest: Es ist schon Tag 601! Wie die Zeit vergeht. Damit habe ich zwar noch keine zwei Jahre geschafft, aber ich bin auf einem guten Weg dahin und das freut mich ungemein.


    Leicht war es ganz gewiss nicht immer. Gerade im Winter hatte ich einige Tiefs und es gab auch einen Tag, an dem war ich kurz davor hier mal die Notfunktion zu benutzen, weil ich mich unendlich einsam und traurig gefühlt habe. Das Forum ist jedoch gewissermaßen mein letzte Nothilfe, wenn die anderen nicht mehr greifen, die ich mir nun aufgebaut habe und die griffen dann doch. Dabei geht es um einen recht überschauberen Kreis von Menschen, die ich auch im echten Leben kenne, die von meinem Problem wissen und in solchen Situationen für mich da sind. Die haben aber natürlich auch nicht immer Zeit, ging dann aber doch und bereits eine kurze Unterhaltung sorgte dafür, dass ich mich wieder besser fühlte und die Situation Unfallfrei überstand.


    Das soll es für das Erste dann aber auch mal wieder gewesen sein. Ich habe vor in absehbarer Zeit einmal meinen Faden hier in Ruhe zu studieren, denn ich weiß tatsächlich nicht mehr so besonders viel von dem, was ich geschrieben habe. Gerade die Anfangszeit ist mir kaum noch im Gedächtnis und das möchte ich mal nachholen. Dabei fällt mir nämlich auf, wie viel sich eigentlich getan hat. Auf menschlicher Ebene meine ich und entwicklungstechnisch gesehen. Man stagniert ja unheimlich während der Sauferei, wenn es nicht sogar einfach nur noch abwärts geht und jetzt mal das Gegenteil davon zu erleben, das macht tatsächlich Spaß.


    Naja, wie gesagt, ich bin eigentlich ohnehin nie weit weg, auch wenn ich nicht schreibe und das hier ist in erster Linie als Feedback für diejenigen gemeint, die von Beginn an meinen Weg verfolgt haben und sich vielleicht ab und an mal fragen, wie es mir so geht: Gut :) .

  • Tag 660: Vor ungefähr anderthalb Monaten, also etwa Anfang April kam ich auf die Idee, dass es mal Zeit für einen richtigen Frühjahrsputz wird. Ich würde mich jetzt nicht unbedingt als unhygenisch bezeichnen, aber ich bin auch nie übermäßig ordentlich gewesen. Ich habe es, auch wenn das einigermaßen absurd klingen mag, schlicht und ergreifend nie gelernt.


    Einher mit diesem Frühjahrsputz, der sich über einige Tage hinzog und in dessen Verlauf ich wirklich fast alles einmal putzte, da selbst die Klinken meiner Türen und Fenster mitunter doch nicht mehr wirklich ansehnlich aussahen, ging der Beginn meines Sportprogramms. Sport konnte mich bislang nicht sonderlich begeistern, ich bin einer dieser Menschen, die keine Figurprobleme haben und tendenziell eher zu dünn sind, aber es ging mir um die Herausforderung und darum meinen Alltag mit einer weiteren sinnvollen Beschäftigung zu füllen.


    Um es kurz zu machen: Ich konnte mich bislang von 8 Liegestützen, die ich an manchen Tagen nur mit Ach und Krach am Stück schaffte, auf immerhin 20 pro Satz steigern und mittlerweile habe ich richtig Lust auf Sport, was ich Anfangs nicht für möglich gehalten hätte.


    Das ist die eine Art von Veränderung in mir, die mittlerweile zur Reife gelangt ist, möchte ich sagen: Das erste Jahr wollte ich einfach nur ohne Alkohol leben lernen und das hat geklappt. Jetzt möchte ich mich selbst optimieren und auch das klappt. Darüber hinaus ist mein Alltag wieder deutlich voller, aber dadurch teils auch stressbehafteter geworden, was grundsätzlich kein Problem ist, aber Kurzschlusshandlungen fördert.


    Um ein Beispiel zu geben: Vor kurzem kam ich von einer Reise aus Berlin zurück und auf dem letzten Zwischenstopp wollte ich mir noch etwas zu trinken holen. Ich hatte ziemlich schweres Gepäck dabei und war noch dazu alles, was man im Idealfall nicht sein sollte: Ich war hungrig und müde, dadurch irgendwie auch ärgerlich, also es hat wirklich nur noch lonely gefehlt um die "H.A.L.T." Regel komplett zu machen. In diesem Zustand wollte etwas in mir im Bahnhofskiosk dann nach einer Bierdose greifen. Habe ich selbstverständlich nicht gemacht, aber ich musste mich bewusst davon abhalten - und das fand ich dann doch etwas gruselig.


    Im Endeffekt ist es eine Erinnerung daran, dass ich gewisse Automatismen der Sucht nie ganz loswerden kann und das diese eben besonders dann greifen, bzw. ich dafür anfällig bin, wenn mein Allgemeinzustand es zulässt. Deshalb ist es so wichtig auf sich selbst Acht zu geben und ich finde es nicht negativ, daran wieder erinnert worden zu sein. Hätte ich tatsächlich ein Bier gekauft, wäre das etwas anderes, dann müsste ich jetzt hinterfragen, ob mir nicht irgendwo ein Grundsatzfehler unterlaufen ist.


    Zum Abschluss möchte noch sagen: Es gab im Verlauf dieser 660 Tage bislang viele Tage, an denen es mir so gut ging, dass ich mit dem Allgemeinzustand zufrieden war. Es gab jedoch auch einige Tage, an denen ich mit dem Allgemeinzustand überhaupt nicht zufrieden und teilweise auch fast verzweifelt war. Es gab jedoch keinen Tag, an dem ich mit meiner Alkoholabstinenz unzufrieden war. Ich stelle sie schlicht nicht zu Debatte und wenn mal etwas unangenehmes passiert, wie das oben beschrieben Szenario am Kiosk, dann versuche ich hinterher zu rationalisieren warum die Situation eingetreten ist und damit fahre ich ganz gut.


    Im Moment lese ich hier auch wieder verstärkt mit und ich kann allen Neuankömmlingen, die auch wirklich dabei bleiben möchten nur sagen: Gebt euer bestes, es lohnt sich. Auch wenn der Umgangston mal etwas direkter ist oder dem ein oder anderen die ein oder andere Regel nicht gefällt: Nichts davon ist gegen jemanden gerichtet und der einzige Sinn des Forums ist, dass ihr euch selbst helfen lernt. Niemandem sonst, und wenn das jeder verinnerlicht und hinbekommt, dann ist am Ende trotzdem allen geholfen :).

Unserer Selbsthilfegruppe beitreten!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Selbsthilfegruppe teil!