achelias Alkohol

  • ... vom elendigen Verrecken gelesen. ... Aber man hat doch das Recht auf eine Palliative Behandlung, ...

    Hallo Panama,


    verrecken ... elendig sterben, siechen, krankheitsbedigt dahinleiden, qualvoll ...


    Davor ist wohl niemand sicher.

    Doch erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit, wenn wir unseren Körper langsam aber stetig vergiften, z.Bsp. mit dem Zellgift Alkohol, dass uns dieses Schicksal ereilt.


    Ich frage mich immer, wie blöd ist eigentlich der Mensch oder wie verzeifelt, dass er dieses Risiko eingeht? Denn er weiss es ja.

    Auf der einen Seite strebt er nach Wohlstand (dass es einem wohl/ gut geht) und beraubt sich gleichzeitig seiner Grundlage, der Gesundheit.

    Denn er bemerkt ja, dass er immer weniger "besser" funktioniert, wenn er dieses Zellgift einnimmt.

    Im Gegensatz zum unheilbaren Kranken, kann der Alkoholiker diesen Vergiftungsprozess stoppen und gesunden.


    Mir ging es aber nicht, um med. Details oder um Vergiftungsfolgen, sondern ob man sich als Angehöriger erpressen lassen sollte, z.Bsp. mit der Androhung des Freitodes, um wieder "auf Spur" gebracht zu werden.


    Niemand hat das Recht auf palliative Begleitung!

    Wenn überhaupt, ist es ein "Gnadenakt" , dem man jemanden zu Teil werden lassen kann, wenn ein anderer bereit dazu ist.


    Wenn "mein Alkoholiker" sich so langsam ans Verrecken heransäuft und ich ihn immer wieder unterstütze, beginne ich doch bereits mit der Palliation.

    Natürlich kann ich ihn nicht zwingen.


    Wenn ich mit meinem alkoholischen Partner auf Dauer nicht zurechtkomme - ist es dann noch eine Partnerschaft?

    Oder nur noch eine Symbiose, die auf (Verlust-)Angst basiert und mittels Drohungen gefestigt wird?

    Die man selbst aus Mitleid, dem Impuls helfen zu wollen, immer wieder nährt, in dem man sich Hoffnungen schafft, die in Wirklichkeit jeder Grundlage bereits beraubt sind.


    Wenn ich meinen Alkoholiker respektiere, muss ich ihn doch ernst nehmen, sein Wort, sein Tun.

    Jedem Lügner, Wahrheitsverdreher jagt man nach der zweiten ... fünften Verfehlung zum Teufel.

    Warum mache ich mich freiwillig, immer wieder zur leidenden "Kankenschwester", zur toleranten, nachsichtigen Versteherin?

    Weil ich den Respekt vor mir (selbst) verlor?

    Wenn ich mein Wohl (und ggf. das meiner Kinder) immer hinten anstelle und an den Befindlichkeiten des Alkoholikers festmache, befinde ich mich doch bereits auf der Palliativstation.

  • Deswegen hab ich nachgefragt, was damit gemeint ist. Hier im Forum wohl eher der jahrelange Leidensweg, ich hatte das so verstanden, dass man kurz vorm Tod sehr leidet.

    Und das muss man ja eigentlich nicht , zumindest muss man keine furchtbaren Schmerzen erleiden, weil man einen Anspruch auf medizinische Palliative Begleitung hat (nicht durch den Partner!!). Früher war das ja so, dass Krebspatienten zT keine starken Schmerzmittel bekamen, weil die auch lebensverkürzend waren und das durften Ärzte ja dann nicht verschreiben.

    Aber eine Palliativ-medizinische Betreuung muss man natürlich auch selbst wollen.

  • ... Da habe ich mich dann immer gefragt, ob der Wille zum Saufen die Entscheidung für allerheftigste körperliche und auch psychische Qualen wirklich einschließt.

    Mit Sicherheit war das nicht sein Wille!

    Doch unser Problem, das besonders bei Alkoholikern ausgeprägt ist, ist, wir sind Meister im Verdrängen.

    Wir wollen nicht wahrhaben, belügen uns selbst oder haben einfach aufgegeben, lassen einfach geschehen und wählen den Weg des geringsten Widerstandes.


    Ist es Schwäche? Kann man sich Stärke aneignen, trainieren?

    Kann man Bewusstsein erlernen?

  • Es ist eine Vergiftung in Zeitlupe.


    Es ist entsetzlich mit anzusehen und sicher auch schlimm zu erkennen, was da gerade geschieht, wenn es dem Ende zugeht. Mein Vater hat es erst kurz vor Schluss in der vollen Tragweite kapiert, was er sich da angetan hat. Und ich bin sicher, dass er sich schon vor seinem schlimmen Zusammenbruch hundeelend gefühlt hat.


    Und seine letzten Tage waren fürchterlich. Übrigens auch für die Familie. Es ist schlimm das mitanzusehen. Und nein - es war kein gepflegt und wohl behütet in den Tod geleitet werden sondern tagelanges an Maschinen hängen in einem unpersönlichen, hektischen Krankenhaus. Es war elendig. Und „verrecken“ trifft es aus meiner Sicht vortrefflich. Das mit einer anderen Erkrankung zu vergleichen hingegen nicht … weil es eben ist, wie eine Vergiftung in Zeitlupe - qualvoll und selbst herbeigeführt!

  • es gibt immer einen der erpresst und einen der sich erpressen lässt...ist halt dieses Co-Ding...ob man sich das antrainieren kann, weiß ich nicht....man kann versuchen die Verantwortung abzugeben, wenn man da selbst nicht mehr rauskommt...zB mit einem gesetzlichen Betreuer....nur die emotzionale Bindung loszulassen, ist glaube ich das Schwerste

    Lieben Gruß

    mexico

  • Deswegen hab ich nachgefragt, was damit gemeint ist. Hier im Forum wohl eher der jahrelange Leidensweg, ich hatte das so verstanden, dass man kurz vorm Tod sehr leidet.

    Panama ,


    meine Kinder und ich hatten die Möglichkeit, im Krankenhaus in der letzten Stunde meines Mannes, in der noch Restleben in ihm war, bei ihm sein zu können.

    In dieser Stunde wird er wohl keine Schmerzen mehr gefühlt haben, weil mir die Ärzte gesagt haben, dass er ohnehin seit Tagen im Leberkoma liegt, sie ihm aber zur Sicherheit noch ordentlich Betäubungsmittel gegeben haben, damit er während des Sterbeprozesses nicht leiden muss. Zehn Tage vorher ist er mit Bauchspeicheldrüsenentzündung eingeliefert worden, d.h. Bauchschmerzen und Übergang jedes nur leichten Hüstelns in heftigen Würge-Brechreiz, ohne dass wirklich Flüssigkeit aus ihm kam. Zwischenzeitlich sank dann der Pegelwert Alkohol, also wieder Nachschütten, dann etwas schläfrig Dämmern, dann in Angst hochschrecken, das Gefühl, keine Luft zu bekommen, wie ein Fisch auf dem Trockenen bei geöffnetem Fenster nach Luft schnappen.


    Dazu, wenn überhaupt Verdauung, weil ja schon gar kein Appetit auf essen mehr war, dann schwarzer Teerstuhl.

    Nach Krankenhauseinlieferung kam dann dort wohl ein Krampfanfall, so dass die natürliche Reflexe ausgesetzt hatten. Während er dann in ein künstliches Koma gelegt wurde, wurde festgestellt, dass die Ösophagusvarizen an einer Stelle wieder aufgegangen waren (- leider kein Wunder). So bestand er am Ende aus lauter inneren Blutungen, weil nach und nach eben alle Organe ihren Dienst eingestellt haben.


    In Gesellschaft von Angehörigen kann für einen alkoholkranken Menschen in seiner Sterbephase vielleicht das elende Verrecken in der finalen Stunde dadurch gemildert werden, dass sich der Betreffende Tage zuvor ins Krankenhaus überstellen lässt - wie bei meinem Mann. Von sich aus hätte er keinen Arzt und keinen Krankenwagen gerufen, zu mir sagte er immer "Warte!"; als ob er irgendwie das Gefühl hatte, vorher noch "die Zähne zusammenbeißen zu müssen", damit er endlich tot sein kann.


    Bei denen, die den Weg ins Krankenhaus nicht schaffen oder nicht wollen (können), platzen dann z.B. die Varizen und sie verbluten innerlich oder erbrechen Blut und ersticken daran.

    Oder sie stürzen wegen Polyneuropathie und Weitertrinken irgendwo draußen ins Gebüsch und erfrieren benommen dort oder knallen zuhause gegen eine harte Tür-/Tischkante oder rumpeln irgendeine Treppe hinab.


    "Elendig verrecken" heißt für mich auch eine Wertung, nämlich im Sterben allein und würdelos zu sein, weil man es als Weitertrinkender geschafft hat, beizeiten auch die letzten Wohlmeinenden zu vergraulen.


    ich würde aus meinem Miterleben sagen, ab Leberzirrhose Stadium B Richtung C mit mindestens einmal begleitend hepatische Enzephalopathie und trotzdem weiter trinken ist es im Prinzip gelaufen.

  • ob man sich als Angehöriger erpressen lassen sollte, z.Bsp. mit der Androhung des Freitodes, um wieder "auf Spur" gebracht zu werden.

    achelias ,

    niemand sollte sich erpressen lassen. Aber so wie der Alkoholkranke mehr oder weniger selbstbestimmt über sein Verhalten entscheidet und was er an andere "raushaut", so entscheiden diese nach ihrem Willen, wie sie darauf reagieren


    Emotionale Erpressungsversuche haben ja auch nicht nur alkoholkranke Menschen drauf.


    Bei jedem Erwachsenen würde ich grundsätzlich sagen, ich bin nicht Dein Lebenswächter. Es kommt aber auch darauf an, wie es an mich adressiert wird. "Hilf mir, ich weiß nicht mehr weiter, ich sehe keinen Sinn mehr im Leben." ist für mich etwas anderes als "Wenn ich Dir als Dein Fleisch und Blut nichts bedeute, kann ich mich ja nur noch umbringen."

  • Ich frage mich immer, wie blöd ist eigentlich der Mensch oder wie verzeifelt, dass er dieses Risiko eingeht? Denn er weiss es ja.

    Nicht jeder ist so tief in der Sucht drinnen, um den Absprung zu schaffen. Was das mit Blödheit zu tun hat, erschließt sich mir nicht.

    Gruß Hartmut

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    Wer will findet Wege , wer nicht will, findet Gründe !

  • Was das mit Blödheit zu tun hat, erschließt sich mir nicht.

    Lieber Hartmut,


    muss ich denn tief in der Sucht "drinnen" sein, um mir bewusst zu machen/ sein was ich da tue?


    Wenn dir das saloppe Wort "blöd" nicht gefällt, ersetzte es bitte durch nicht so intelligent.

    Oder (Zitat) "muss ich denn auf der Brennsuppe dahergeschwommen sein", um das zu bemerken oder nicht?

    Oder (ebenfalls Zitat) "erst den Bäcker fragen, wie die Wurst schmeckt, wenn er sie machen würde" ?

  • muss ich denn tief in der Sucht "drinnen" sein, um mir bewusst zu machen/ sein was ich da tue?

    Nur wer die Sucht unterschätzt, oder nie süchtig war, sie eventuell gar nicht als Krankheit ansieht, kommt zu so einem Ergebnis. Sucht ist schleichend, deswegen stellt sich doch eher die Frage, ab wann, die Blödheit eintritt. Bei erstem Glas oder beim letzten? Aber bei dir ist ja wieder einmal alles anders. ;)

    Gruß Hartmut

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    Wer will findet Wege , wer nicht will, findet Gründe !

  • Na ja, ich nehme für mich in Anspruch, nicht blöd zu sein, dennoch bin ich sicherlich in der Lage, mich ausgesprochen blöd zu verhalten. Und genau das habe ich während meiner jahrelangen Sauferei auch getan, leider.


    Warum habe ich mich "blöd" verhalten? Da hatten äußere und innere Faktoren ebenso ihren Anteil, wie das Wesen der Sucht.

  • ...Sucht ist schleichend, ...

    Danke für deine Erfahrung!


    Ich verdrängte den Gedanken an Sucht immer, auch als ich aufhörte.

    Warum auch? Ich hörte auf und gut war.

    Erst viel später beschäftigte ich mich mit dem Wesen der Sucht.

    Was da alles eine Rolle spielen kann, besonders im Kopf, im Bewusstsein.

    Nun scheine ich da etwas abzuweichen, suchtdruckfrei, triggerresistent, egal in welcher Gemütsverfassung.


    Mich interessiert, wie erlerne ich die Sprache, das es einem bewusst wird, es zu vermitteln.


    Immer das Gleiche zu sagen, um zu hoffen, dass es irgendwann fruchtet, ist es wohl nicht.

  • Mich interessiert, wie erlerne ich die Sprache, dass es einem bewusst wird, es zu vermitteln.

    Es reicht doch, wenn du es verstehst.


    Ich verdrängte den Gedanken an Sucht immer, auch als ich aufhörte.

    Warum auch? Ich hörte auf und gut war.

    Ja, das habe ich irgendwo auch mal (bei dir?) geschrieben. Eben nicht akzeptiert, zu den suchtkranken Säufern zu gehören. Bloß nicht sich damit in Verbindung bringen. Schön alles für andere und sein Selbstbild unter den Teppich kehren. Der Glaube versagt zu haben steckt da bei den meisten tief drinnen. Der altbekannte Spruch“ Nur nicht trinken reicht nicht.“ Passt da ganz gut! ;)

    Gruß Hartmut

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    Wer will findet Wege , wer nicht will, findet Gründe !

  • Eben nicht akzeptiert, zu den suchtkranken Säufern zu gehören. Bloß nicht sich damit in Verbindung bringen. Schön alles für andere und sein Selbstbild unter den Teppich kehren. Der Glaube versagt zu haben steckt da bei den meisten tief drinnen. Der altbekannte Spruch“ Nur nicht trinken reicht nicht.“

    "Der Glaube versagt zu haben ..." ich versagte jämmerlich! Das weiß ich.


    Ich gehöre nicht mehr zu den suchtkranken Säufern. Ich trinke nicht mehr.

    Ich stehe dazu, dass ich einmal viel zu viel, unkontrolliert soff, erzähle es auch gern, wenn es jemand wissen will.

    Ich machte meinen Frieden mit meiner alkoholischen Vergangenheit.

    "Nur nicht trinken reicht nicht." das stimmt, ich muss mir ein Bewusstsein erarbeiten, die Grundlage, mein Fundament für die Abstinenz.


    Immer nur fernhalten, aushalten, jeglicher Konfrontation aus dem Wege gehen, mag am Anfang zwar sehr hilfreich sein, doch wird auf Dauer nicht funktionieren.

    Drum benötige ich Verständnis, die "Sprache", um angstfrei (auch respektvoll) und zufrieden (abstinent) zu werden und bleiben.


    Bevor ich jetzt abermals alles über Bewusstsein, Angst u.s.w. schreibe, wünsche ich allen ein entspanntes Wochenende.

  • Wenn jemand erkrankt, hat er versagt? Sachen gibts. ;)

    Wenn er eine Erkrankung billigend, also wissend in Kauf nimmt: Ja!


    Was soll die Frage??? Sie suggeriert, dass man für Alkoholismus nichts könne, dass er einfach so passiert, ohne mein Zutun.

    Ich, der Alkoholiker, habe es erst ermöglicht, dass diese Krankheit entsteht.

    Ansichten gibt's.

  • Was soll die Frage??? Sie suggeriert, dass man für Alkoholismus nichts könne, dass er einfach so passiert, ohne mein Zutun.


    Alkoholismus ist eine Krankheit. Das hast du bisher, das unterstelle ich dir mal nach deiner ganzen Post hier, nicht anerkannt. Das sind dann nun mal keine Ansichten. Hättest doch vorher aufhören können? Und ich nehme es dir eh nicht ab, dass du es nicht wusstest, dass du erkranken kannst. Das ist Bullshit.


    Es gibt auch eine Anzahl von Krankheiten, die einen Auslöser haben. Zu wenig angezogen, grippaler Infekt, ist das dann auch ein Versagen?

    Wenn du dich als Versager fühlst, ist es deine Sache . Ich kann mit diesem Opferrollenverhalten nichts anfangen.

    Gruß Hartmut

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    Wer will findet Wege , wer nicht will, findet Gründe !

  • Ergänzung. Juni 1968 - Bundessozialgericht erkennt Alkoholismus als Krankheit an. Alkoholsucht ist keine Charakterschwäche, fehlender Wille oder eine Laune. Sie ist „eine Krankheit“ stellt das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 18. Juni 1968 fest.


    Nun entschuldigt es nicht, welches Leid daraus ausgeht. Das steht auf einem anderen Papier. Aber wenn schon bekennende Alkoholiker die Krankheit infrage stellen, dann bleibt es nicht nur bei der Stigmatisation, sondern sie tragen dazu bei.

    Gruß Hartmut

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