Tiefer anhaltender Schmerz

  • Ich habe auch so die Gewissheit- aber fange mir trotzdem weiter Streifschüsse ein und hab Sorge, dass noch Treffer von Kanonenkugeln dazu kommen, wenn sie irgendwann nicht mehr alleine klar kommt.

    Und obwohl mein Vater, der Trinker, vor mehr als 30 Jahren gestorben ist, sehe ich oft vor mir, wie er sagt, ich wünschte, du wärst nie geboren oder was will die hier, sieh zu, dass die wegkommt. Und es tut immer noch weh.

  • Liebe Sare,

    dass der Schmerz nachlässt, wenn die Angriffe einmal ganz ausbleiben, hoffe ich auch sehr. Wie schön, dass es bei Dir so ist! Ich sende Dir mein Beileid zum Tod Deiner Mutter.

    Liebe Grüße

    Siri

  • Liebe Lanananana,

    vielleicht ist diese Gewissheit, so traurig sie ist, auch gut? Auch diese Gewissheit kann ja zu einer Klärung führen, auch wenn sie leider ohne die Mutter und ohne den Vater stattfindet.

    Vor dauernden Streifschüssen würde ich mich an Deiner Stelle konsequent in Sicherheit bringen. Ich hatte viele Jahre fast gar keinen Kontakt zu meiner Mutter, auch nicht zu den Feiertagen oder Geburtstagen. Sie hat nur sehr selten in Notfällen bei mir angerufen (die dann auch wirkliche Notfälle waren, sonst hätte ich auch das unterbunden) und nur in dem jetzigen Fall hat sie um Hilfe gebeten, davor wurde ich nicht aktiv. Obwohl ich in den letzten Jahren in eine Depression geraten bin, hat mir die Kontaktsperre sehr geholfen. Ich frage mich jetzt, warum ich mir dennoch keine Hilfe für mich geholt habe, als ich bemerkt habe, dass ich mich immer weiter zurückziehe. Darauf habe ich keine Antwort.

    Ähnliche Bemerkungen, wie Du sie von Deinem Vater hören musstest, kenne ich von meiner Mutter. Es ist für ein Kind furchtbar, wenn die eigene Existenz negiert wird. Wenn von beiden Eltern solche Signale kommen, stelle ich es mir noch schwerwiegender vor.

    Bei meiner Mutter dienten diese teils unausgesprochenen Vorwürfe dazu, um mich zu instrumentalisieren. Ich habe sehr früh sehr sehr viel im Haushalt gemacht (nach meinem Auszug wurde eine Putzfrau engagiert) und als Kind immer darauf geachtet, in der Wohnung bloß keine Spuren zu hinterlassen (ich war meist allein in meinem Kinderzimmer, auch weil sie so stark rauchte). Die Sache mit der Putzfrau, die plötzlich möglich wurde, hat mich damals sehr wütend gemacht. Diese Erfahrung hat mir in der jetzigen Situation geholfen, nicht wieder sofort bei ihr zu putzen anzufangen.

    Liebe Lanananana, ich hoffe sehr, dass Du für Dich sicheren Grund findest bzw. ihn Dir schaffst. Das ist schwer, aber auch wenn es nur langsam vorangeht, ist es möglich, so ist zumindest meine Erfahrung. Meine Therapeutin hat mich einmal gefragt, wo mein sicherer Ort sei und ich konnte mein Bett nennen. Das fand sie gut. Es war ein Anfang und mittlerweile ist es bereits unsere ganze Wohnung (das war lange nicht so).

    Vielleicht hilft es Dir auch, Dir fest vorzunehmen, dass wenn einmal Kanonenkugeln kommen, sie ins Leere gehen werden. Vielleicht mit einer Visualisierung. Dass Du dann nicht auf dem Schlachtfeld Deiner Mutter sein wirst, bzw. das Schlachtfeld Deiner Mutter sogar von der Seite betrachten wirst. Denn es ist ja ihr Feld, nicht Deines. Du hast Dir dieses Feld nicht gewählt und alles Recht der Welt, von dort wegzugehen, auch bei Steifschüssen.

    Fühl Dich gedrückt!

    Liebe Grüße

    Siri

  • Hallo Lananana,

    Ich kann deine gefühle von einsamkeit und trauer gut nachvollziehen. Als sei man gebrandmarkt.

    Für mich ist es, als hätte ich in mir ein schwarzes loch, einen bodenlosen Abgrund und es kostete mich früher unfassbar viel energie da nicht hineinzufallen.

    Nun habe ich mich gezwungenermaßen in diese grube begeben und alles in augenschein genommen. Ich fand darin einen ekelhaften keller mit vielen monstern und Dämonen. Ich habe versucht sie alle besser kennenzulernen, da sie zu mir gehören. Ich versuche mich mit diesen schadhaften, verotteten gestalten anzufreunden. Die waren gar nicht so schlimm, wie ich immer dachte. Sie tragen Namen wie Scham, Schuld, Selbstekel, Unsichtbar, Schweigen, Geheimnis, Angst, Zorn, uvm.

    Ich habe erkannt, dass diese Gestalten dann und wann ins obergeschoss gekommen sind und ihrer natur folgend unheil gestiftet haben. Jetzt erkenne ich immer besser, wenn eines davon aus dem loch kriecht und in der gegenwart rühren möchte. Dann koche ich ihnen mental eine tasse tee, höre kurz zu und schicke sie freundlich wieder in den keller. (Diet versuche ich es etwas wohnlicher zu machen, damit nicht alles durcheinander geht)

    Ich habe begonnen diese schamhafte versehrtheit, die in mir lebt, sichtbar zu machen und rede mit menschen darüber, wenn es sich ergibt. So hatte ich schon interessanten, intensiven Smalltalk. (Neben mir steht das Schamgefühl und wird jedes mal ein bisschen leiser)

    Ich habe das erste mal in meinem leben das gefühl mich so zu zeigen, wie ich wirklich bin und es ist erstaunlich, wie gut ich angenommen werde. So sind in kurzer zeit zwei tolle freundschaften entstanden.

    Lange rede kurzer sinn (sorry):

    wenn andere menschen mich annehmen können, dann beweist mir das, dass ich gar nicht so ekelhaft und unliebenswert bin, wie es die monster aus dem keller behaupten. Stück für Stück hilft mir das, mich selbst anzunehmen und echte selbstfürsorge leisten zu können.

    Dabei ringe ich immer mit dem Schamgefühl, aber das ist ok.

    Vielleicht ist das hilfreich für dich?

    Bitte entschuldige mein abschweifen, ich brauchte mehr wörter um dies gedanken zu veranschaulichen.

  • Sooooo oft lese ich „wegen der Kinder kommt eine Trennung nicht in Frage“ und ich muss sagen, das triggert mich - auch weil meine Mutter heute noch sagt „wegen Dir konnte ich ja nicht gehen“. Und wenn ich dann sage, dass es mich so unglaublich belastet hat, in einer suchtbelasteten Familie aufzuwachsen und noch immer belastet zu hören, dass meine Mutter noch heute sagt, sie konnte ja wegen mir nicht gehen und mir damit auch noch die Schuld gibt, für unser beider Leid, antwortet sie: Ich weiß dass das alles ganz schlimm für dich war. Aber ich hätte Dir ja dein zu Hause weggenommen, wenn ich gegangen wäre.

    Dieses Gespräch hat einfach keinen Zweck und für uns ändert ja auch nichts mehr - außer dass mir eine Entschuldigung ein kleines bisschen das Gefühl geben würde gesehen und verstanden zu werden.

    Aber mein Appell an alle Mütter: Bitte übernehmt die Verantwortung und macht nicht denselben Fehler und sagt, ihr könnt nicht gehen wegen den Kindern! Selbst wenn sie es heute nicht verstehen, werden sie es euch später einmal danken.

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