Lieber XXX,
Ich liebe dich.
Du wirst am Donnerstag oder Freitag ein Päckchen erhalten mit einem Geschenk* mit dem ich nicht bis zu unserem Jahrestag warten wollte. Auf der letzten Seite habe ich dir aufgezählt, was mich persönlich in unserer Beziehung belastet. Mittlerweile hab ich schon viel ausgehalten und mir selbst immer wieder Hoffnung eingeredet. Versucht für dich da zu sein, damit es nicht zu Eskalationen kommt die mich unnötig verletzen. Ich kann mich nicht verbiegen. Ich kann nicht für dich in einer Form da sein, die dir hilft weiter wie bisher dem Alkohol zu verfallen und es auf Eskalation ankommen zu lassen. Ich halte die Ängste und Sorgen um einen geliebten Menschen, der besoffen eben nicht in der Lage ist anderen zu helfen wenn es ihnen schlecht geht nicht aus. Das fühlt sich für mich falsch an. Das man jemanden zum trinken animiert der im Suff keine Grenzen kennt und Gefahr läuft sich einzupissen und in seinem Siff liegen bleibt verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Wo sind deine Freunde, die dich unterstützen deinen Führerschein wieder zu bekommen?
Wenn es Suff und Siff ist, was dir im Leben wirklich was gibt, dann mach das. Ich bin leider an einem Punkt angekommen, wo ich dabei nicht mitmachen kann. Ich hasse, was Alkohol mit dir anrichtet. Und ich hab weder die Kraft, Ausdauer noch die Kompetenz daran etwas zu ändern. Das einzige, was ich ändern kann ist, nicht mehr teil davon zu sein. Als ich auf der Rückfahrt vom Festival zu dir sagte, dass ich mir jemanden an meiner Seite wünsche, der auch für mich da sein kann, wenn es drauf ankommt hab ich das ehrlich und ernst gemeint. Es fühlt sich einfach bitter an, wenn man mit Hitzesymptomen wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel versucht im Schatten wieder fit zu werden während der Freund in der glühenden Hitze saufen ist und sich dann auch noch bei irgendwelchen Leuten über die "nervende Alt" beschwert, die sich mit all den Symptomen auch noch Sorgen um dich gemacht hat.
Du bist nicht der einzige in unserer Beziehung, der anderen erzählt hat wie es auf dem Festival so war. Und auch meine Kumpels raten mir, es besser ohne dich zu machen. Da scheinen unsere Freunde ja ähnlich zu ticken, wenn auch in ganz unterschiedlichen Richtungen.
"Take it or leave it" wurde mir geraten. Wenn allerdings die Sorge um dich meine eigene Lebensqualität einschränkt ist es vielleicht klüger, keine weitere Energie in jemanden zu investieren, der gar kein Interesse daran hat sein Alkoholproblem in Angriff zu nehmen. Vielleicht ist für dich da ja auch gar kein Problem. Du tust ja nix 😉
Mutti räumt zur Not hinter dir auf. Deine Kumpels feiern dich für deine Exzesse. Feiern die auch, wenn du losziehst und die abgestellten Getränke anderer Gäste leer säufst? Wissen die wie oft du in deiner eigenen Pisse aufwachst wenn dich niemand schafft zu bremsen? Beleidigst du die auch im Suff? Oder deren Kids?
Du bist 43 Jahre alt und musst wissen was du tust und willst.
Ich bin 42 und ich weiß, dass ich furchtbar gerne andere betüddel und helfe. Ich übernehme auch ganz gerne mal Verantwortung die ich nicht nehmen müsste. Aber das kann ich nicht, wenn es deinen Alkoholismus fördert. So schmerzhaft das für mich ist. Und das ist es. Du hast mit deiner Ahnung über Musik und deiner Leidenschaft für Musik mein Herz im Sturm erobert. Du bist unglaublich sexy und ich hatte in meinem Leben noch nie soviel und so oft Spaß beim Sex und diesen so leidenschaftlich und intensiv erlebt. Ich war niemals zuvor mit jemandem zusammen der soviel Herz-Wärme geben und so geborgen kuscheln konnte. Ich war niemals zuvor mit jemandem zusammen und auf einem Festival, mit dem ich völligst entspannt ein Zelt zusammen aufbauen konnte. Das klingt vielleicht doof und banal, aber wir verstehen uns doch eigentlich ganz prima. Ich konnte mich bei dir fallen lassen. Ich glaube auch das Misstrauen nach dem 29.12 ist wesentlich geschrumpft.
Was ich aber nicht mehr kann ist losgelöst und ungezwungen mit dir feiern wenn du trinkst. Aus Angst vor Eskalation hab ich mich dafür entschieden mit dir nach Hause zu fahren anstatt mit meinem Bruder und den anderen anderen Heathen zu sehen. Das ist KEIN Vorwurf!!! Es war meine Entscheidung.
Es zeigt mir nur, wie sehr ich die Eskalation scheue. Wie groß meine Angst ist mit dir in Streit zu geraten. Wie groß meine Sorgen, dass es "in die Hose gehen" könnte. Wenn für dich das alles nicht so schlimm ist, weil du ja nix gemacht hast, wirst du mich leider nicht verstehen. Besser als mit diesen Worten kann ich es allerdings nicht erklären. So sehr ich dich liebe, so schmerzhaft ist das jetzt auch für mich. Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du dein Leben so leben kannst wie du es für richtig und wichtig hälst und glücklich bist oder wirst. Es tut mir unendlich leid, dass meine Liebe nicht länger bedingungslos sein kann. Ich kann sie nicht länger mit Suff und damit verbundenen Siff und Streit teilen. Darüber brauchen wir auch nie wieder diskutieren.
Hab Dir ja schon oft genug gesagt, wie sehr mich so ne Eskalation bis zum Absturz belastet. Geändert hat sich da nichts. Wieso auch. Du hast mir Besserung versprochen und es schöngeredet und immer darauf verwiesen, dass "Ihr" halt so seid. Wacht Ihr alle regelmäßig im eigenen Siff auf, beleidigt eure Frauen und findet das voll normal?
Ich weiß halt wie toll du nüchtern bist. Hilft nur nix, wenn du das anders siehst.
In Liebe
Mary
*zum Jahrestag gibt es ein Fotoalbum mit gemeinsamen schönen Erlebnissen und auf der letzten Seite sind anstehende Konzerte, die ich eigentlich gerne noch mit ihm gemeinsam erlebt hätte. Nur halt nicht mit der Gefahr der Eskalation.
Wenn ihn das erreicht, wirds das vermutlich gewesen sein und das tut mir gerade scheiß weh.
Natürlich ist da irgendwo immer noch Hoffnung, dass er Therapie macht und den Führerschein wieder etc. Aber nach den letzten beiden Wochenenden sieht es eher düster aus.