Exzessives Trinken scheinbare Normalität

  • Hallo,

    Habe schon seit langem Sorgen um meine Schwester, da sie ihr Leben immer weniger in den Griff zu bekommen scheint und ihr die Probleme über den Kopf gewachsen sind. Da sie ca. zwei Jahre mit einem Alkoholiker zusammengelebt hat, gab es viele Probleme die scheinbar auf seine Alkoholsucht zurück zu führen waren, so wurde sie beispielsweise mehrmals von ihm geschlagen, ist dann aber, nachdem sie kurze Zeit bei mir untergekommen ist, immer wieder zu ihm zurück gegangen, mit der Begrüngung, es bei mir nicht mehr auszuhalten. Doch auch im Beruf und in der Uni fing es an zu schleifen, so hat sie seit ca. einem Jahr weder etwas für ihr studium noch für einen Nebenjob getan, und erst kürlich habe ich mir eingestehen können, dass es nicht an der Alkoholsucht ihrers Partners lag, sondern an ihrer eigenen.

    Alkohol trinken war in unserer Familie stets normal, und gehörte zu geselligen Abenden, aber auch bei scheinbaren Problemen immer dazu. Als meine Schwester und ich (wir sind Zwillinge), dann mit ca. 13, 14 Jahren auch zu trinken begannen, konnte keiner etwas schlimmes daran feststellen, und so haben wir beide eigentlich seit dieser Zeit regelmäßig getrunken. Im Nachhinein traten schon bald Probleme durch unseren Alkoholmißbrauch auf, die wir aber beide nicht realisieren konnten, da diese Probleme, z.B. finanzielle Sorgen, für uns so normal schienen.

    Zwar trinke ich schon seit einigen Jahren weniger, und habe dadurch weniger alkoholbedingte Probleme, aber dennoch habe ich meinen Alkoholkonsum nicht unter Kontrolle, was ich mir erst vor kurzem eingestehen konnte, nämlich als ich auch endlich einsah woher die Probleme meiner Schwester herrührten.

    Nun habe ich mich bei einer Suchtberatung gemeldet und mir einen Termin für eine Therapie geben lassen, bei meiner Schwester stößt das jedoch nur auf Missverständnis, obwohl sie schon direkt vor dem Abgrund steht. Obwohl wir uns seit langem immer nur noch streiten, kommt sie bei Problemen trotzdem zu mir und mimt so lange die Verständnisvolle bis ich nachgebe und ihr helfe. Als sie heute bei mir anrief um zu fragen, ob ich ihr 100 Euro (!) leihen könne, da ihr Fahrrad angeblich geklaut wurde und sie dass Geld ja bald von der Versicherung bekäme, und mir dann zurückbezahlen könne, sagte ich ihr entschieden nein. Neben dem altbekannten Vorwürfen und Ausflüchten, dass sie mich nur noch einmal um Hilfe bitten müsse, und dann wäre alles geklärt, erlebte ich auch zahlreiche Wutausbrüche und Beschimpfungen, die ich mir jedoch nicht, wie sonst zu Herzen nahm, sondern ignorierte. Fragen, was sie denn mit dem Geld machen würde, wich sie aus, vielmehr hörte ich nur Vorwürfe, dass ich ihr nicht helfe, und! (diesen Vorwurf höre ich in letzter Zeit sehr oft), dass ich doch krank sei und in eine geschlossene Anstalt gehöre.

    Es tut mir sehr weh, mit ansehen zu müssen, wie sich meine Schwester kaputt macht und ich würde ihr so gerne helfen. Was bringt einen Alkoholiker zur Einsicht (außer vielleicht der völlige soziale Absturz)? Was sagt man einem Menschen, der mit 24 Jahren meint, er würde lieber ein kurzes aufregendes Leben führen wollen, als ein langes langweiliges, und eigentlich schon lange nur noch für sein Suchtmittlel lebt. Der unglücklich ist, aber aus Angst, sich die Sucht einzugestehen, weitertrinkt?
    Der andere und vor allem sich selbst so sehr belügt, dass er die Realität nicht mehr wahrnimmt. Der sich von Leuten, die sein Trinkverhalten kritisieren trennt, und stattdessen neue Freunde in Alkoholikerkreisen sucht, um sich selbst vormachen zu können, das eigenen Trinkverhalten wäre noch normal?

    Ich weiss, dass die Einsicht von meiner Schwester ausgehen muss, aber wie kann ich mich verhalten? Was soll ich tun, wenn sie mich bspw. wieder nach Geld fragt und wir uns vielleicht wieder streiten?

  • Meine Schwester stand heute abend heulend vor meiner Tür und hat mich um Geld angebettelt, nachdem sie mich vorher mehrmals auf meinem Handy und Festnetz angerufen hat und ich nicht rangegangen bin, weil ich nicht weiss, was ich machen soll. Wie soll ich mich verhalten?

  • Das ist das Krankheitsbild! Gib ihr auf keinen Fall Geld, und sag ihr, du wärst für sie da, wenn sie sich helfen lässt (Therapie, Gespräche etc.). Du darfst nicht dich für ihr Leben verantwortlich machen. Sie ist alt genug, um ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen! Ich weiß, sie ist deine Schwester, aber sie wird nichts ändern, solange du sie immer wieder auffängst... Gute Nacht und mach dir nicht zu viele Gedanken...

  • Hallo josu und herzlich willkommen

    Ayki hat bereits soweit alles dazu geschrieben. Solange du ihr Geld gibst, unterstützt du sogar ihr trinken. Es ist zwar schwer für dich mit anzusehen, wie sie sich systematisch ruiniert, aber da sie keine Einsicht zeigt, kannst du momentan nichts tun und keine Hilfe ist die beste Hilfe.

    Lieben Gruß
    Henri

  • hallo josu,

    auch von mir ein herzliches willkommen. es ist gut zu hören, dass du für dich erkannt hast, dass du ein problem hast, und dich ernsthaft damit beschäftigst und willens bist, daran etwas zu ändern. deine schwester ist (noch) weit davon entfernt und macht sich vielleicht über dich lustig und ist aggressiv, weil sie sieht, das du etwas unternimmst und sie nicht. lass dich nicht von ihr runterziehen. beschäftige dich mit dir und deiner zukunft - deine schwester ist alt genug, um zur einsicht gelangen zu können - wenn sie will. wenn sie nicht will, bist du machtlos!

    ich weiß, dass es ein sch*** gefühl ist, jemenden um geld betteln zu lassen und "nein" zu sagen. ich hab das ab und zu mit meinem freund, auch dass er jammert, dass seine socken löcher haben und ich mir ein t-shirt kaufe. und, was passiert, wenn ich ihm was leihe? er hat nachschub und einen weiteren tag gewonnen, nichts tun zu müssen. also: sei für sie da, wenn sie hilfe braucht im sinne von gesprächen oder rat, aber ansonsten: kümmere dich um dich. damit hast du erst einmal genug zu tun :) .

    drücke dir die daumen

    lavendel

  • Moin Josu,

    du schreibst: Was sagt man einem Menschen, der mit 24 Jahren meint, er würde lieber ein kurzes aufregendes Leben führen wollen, als ein langes langweiliges, und eigentlich schon lange nur noch für sein Suchtmittlel lebt.

    Ist ein suchtfreies langes Leben langweilig ? Nein !

    Wenn du als Zwillingsbruder eine besondere Verantwortung deiner Schwester gegenüber spürst, versuche sie auf den richtigen Pfad zu kriegen.
    Mache finanzielle Unterstützung von einem Entzug und Therapie sowie evtl. auch einer räuml. Trennung von ihrem alkoholkranken Freund abhängig. Auch das Studium hat Priorität.
    Haben eure Eltern da keinen Einfluss mehr drauf ?

    Das nur als Vorschlag und Gedankenanstoß,
    Gruß, Freund.

  • Hallo,

    Danke für eure Antworten. Also ich bin die Schwester nicht der Bruder (was aber nichts zur Sache tut).

    Unsere Eltern haben da keinen Einfluss drauf, weil unsere Mutter leider schon sehr früh gestorben ist und unser Vater ja selber säuft und wir uns schon vor langem getrennt haben: nachdem wir ihm vorgewurfen haben, dass er sich nicht um uns gekümmert hat usw. Das hat er nicht eingesehen, und meinte, wir hätten ja nie eine Vater-Töchterbeziehung gehabt, weil wir ja bei seiner Mutter aufgewachsen sind (Die im übrigen die perfekte Co-alkoholikerim war und ihn mit allem unterstützt hat: z.B. seine Kinder grossziehen, damit er saufen kann!) und heute weiss ich natürlich, dass er sich nicht um uns kümmern konnte, weil er starker Alkoholiker ist. Auch die Versöhnungsversuche endeten immer nur im Besäufnis, ich glaube ihm hat es gut gepasst, dass wir auch trinken, weil er dann jemanden hatte, mit dem er trinken kann. Er glaubt nämlich, wie alle in meiner Familie, dass Alkoholiker nur alleine trinken und immer nur Schnaps. Solange er also Wein in Kneipen trinkt, wo er häufig auch mal eine Runde schmeißt, meint er, er wäre nicht abhängig, bzw. sein Trinkverhalten wäre noch im normalen Bereich.

    Als wir dann keinen Kontakt mehr hatten, habe ich viel weniger getrunken, auch weil ich Freunden gegenüber unangenehm aufgefallen bin (was im Grunde genommen gut war), aber meine Schwester ist dann mit besagten Freund zusammen gekommen und hat immer mehr getrunken. Zwar haben die beiden sich mehr oder weniger getrennt, aber ihr neuer Freund trinkt auch extrem und fängt schon morgens an. Als eine Freundin sie einmal darauf hingewiesen hat, hat meine Schwester nur gemeint, dass diese Freundin eifersüchitg ist, weil sie nicht verstehen kann, was die beiden verbindet. Ich befürchte nur, dass diese Sache, die sie verbindet, der Alkohol ist.

  • Ich glaube momentan wäre ihr Leben ohne Alkohol wirklich langweilig, bzw. LEER, weil sie sonst keine anderen Hobbys oder Beschäftigungen hat. Sportliche AKtivitäten etc. lehnt sie kategorisch ab, und weil ich bspw. Abends nicht mehr weggehe, meint sie ich führe ein "Rentnerdasein". Sie hält also alle Dinge, die nicht mit Trinken zu tun haben, für langweilig, weil sie sich langweilt, wenn sie mal nicht trinkt.

  • Sorry, Schwester Josu,

    väterliche Unterstützung ist also damit abgehakt, war ja auch nur eine Frage zur Klärung des familiären Umfeldes.
    Bei einem Alkoholiker (deiner Schwester) ist natürlich Mittelpunkt der Alkohol und alles andere ist langweilig, klar. Kenne ich auch von damals.
    Weil sich das ganze Leben nun einmal um die Sättigung der Sucht dreht. Ist einfach erbärmlich, so sehe ich das heute. Aber wie gesagt, bei mir war`s nicht anders. Letztendlich wird sich bei deiner Schwester nur etwas ändern, wenn sie selbst zur Einsicht und Erkenntnis kommt, dass sie ALKOHOLIKERIN ist und für SICH SELBST konsequent für`s Leben trocken werden will. Leider muss man meistens dazu erst einmal tiefste Tiefpunkte erreichen. Evtl. kann dein Einfluß behilflich sein.

    Ich drücke dir die Daumen.

    Gruß, Freund.

  • Hallo Freund,

    leider scheinen auch die anderen Familenangehörigen nicht akzeptieren zu wollen, dass meine Schwester ein Problem hat und unterstützen sie mit Geld, aber auch indem sie meiner Schwester glauben, dass sie die Sache im Griff hat; obwohl sie momentan weder Geld-noch eine Wohnung-noch einen Beruf-und bald auch kein Studienplatz mehr hat.

    Sie lassen sich von ihr hinhalten, und fallen mir in den Rücken, was meiner Meinung nach die Abhängigkeit nur verlängert. Wie kann ich denn anderen klar machen, dass die Sache ernst ist?

  • Moin Josu,

    also gibt es da doch noch Familie, die sie unterstützt !
    Wenn sie größeren Einfluß auf diese Geldgeber hat, wird es dir schier unmöglich sein, bei diesen, fröhnen sie auch noch der Alkoholsucht, Einfluß zu nehmen.
    Ohne die eigene Einsicht und den Willen deiner volljährigen Schwester wird sich da nichts ändern. Meistens muss der Betroffene selbst Tiefpunkte erreichen, die meist gesundheitlicher Natur sind, um eine Kehrtwende im Leben zu machen.
    Leider hört sich das hart an, entspricht aber der Realität.

    Gruß, Freund.

  • Hallo Freund,

    also es gibt da eigentlich nur noch meine Oma und meine Halbschwester, die aber jünger ist.

    Mit meiner Oma habe ich schon mehrmals über die Probleme meiner Schwester gesprochen, weil ich dachte, sie würde mich verstehen. Meine Schwester hat sie heute seit langem wieder besucht und sie nach Geld gefragt. Als ich meine Oma darauf angesprochen habe, hat sie nur gemeint, dass sie keine Probleme festgestellt habe, und dass sie nicht weiss, wem sie glauben solle, mir oder meiner Schwester.

    Ich weiss natürlich, dass ich sie nicht überzeugen kann, wenn sie die Lügengeschichten meiner Schwester glauben will, aber es macht mich trotzdem wütend.

    Deswegen schreibe ich wahrscheinlich auch immer hier, um Frust abzulassen...

  • Moin Josu,

    klar frustriert das, verstehe ich ja.
    Aber mach dich nicht verrückt. Klar, es ist deine Schwester und du spürst Verantwortung. Sie ist aber volljährig und kann über ihr Leben entscheiden. Und das musst du akzeptieren, auch deine dir gegenüber ungläubige Großmutter.

    Gruß, Freund.

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