Muss die Alkoholkrankheit ständig bewusst sein, um trocken zu bleiben?

  • Guten Morgen zusammen, habe mich kürzlich von meinem alkoholkranken Partner getrennt. Eigentlich dachte ich, mein Ex hätte die Trennung soweit akzeptiert, aber nun schreibt er mir, dass ich im Urlaub doch noch mal über einen Neuanfang nachdenken soll…

    Er sei ja jetzt gesund, ganz klar im Kopf usw. Das hört sich für mich wieder nach, „naja ein Bier kann ich ja schon mal trinken“ an. So wie er das die letzten Jahre nach einem „Entzug“ gehandhabt hat.

    Abgesehen davon, dass es für mich da nichts zu überlegen gibt.

    Deswegen mal eine Frage an die trockenen Alkoholiker: empfindet ihr euch als ganz gesund, oder ist euch eure Krankheit ständig bewusst? Ich persönlich denke, dass es schon bewusst sein muss, um weiter trocken zu bleiben- und das es ein „ich bin jetzt vollkommen gesund“ nicht gibt. Das hört mich sehr nach Verdrängung an, und das Verdrängen von Problemen war auch immer das Problem…. Hoffe, man kann verstehen, was ich meine. Freue mich über eure Meinungen dazu. Dankeschön!

  • Hallo Coco,

    da sich deine Frage speziell an trockene Alkoholiker richtet, habe ich dein Thema aus dem Angehörigenbereich hierher verschoben.

    Lieber Gruß, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Alkoholsucht ist nach bisherigen Erkenntnissen nicht heilbar, aber gut zu stoppen,.

    Ich fühle mich nach über 17 Jahren Abstinenz gesund.

    Für die Alltagsgefahren, die vom Alkohol ausgehen, habe ich mir ein gutes Frühwarnsystem antrainiert.

    Die meisten Impulse, die von Alkohol ausgehen, bemerke ich nicht 1x mehr.

    Das ist wie mit einem Zigarettenautomaten. Ich könnte dir nicht sagen, wo in meiner Wohngegend der nächste steht. Zigaretten interessieren mich nicht.

    Bei Tankstellen war das ähnlich. Noch heute muss ich überlegen, wo die nächste ist, wenn ich eine brauche.


    Aber das sind 17 Jahre Trockenheit, mit denen ich hier auftrete. Dein Ex hat diese nicht.

    Die Mühen der Gebirge liegen hinter uns.
    Vor uns liegen die Mühen der Ebenen. (Bert Brecht) 8)

  • Ich fühle mich gesund und bin es momentan auch. Krank werde ich erst, wenn ich mir was einfange, verunfalle oder wenn ich das Saufen beginne.


    Ich bin mir bewusst, dass ich nicht mit Alkohol klar komme und prima ohne ihn klar komme. Damit sich das Bewusstsein nicht verflüchtigt, bin ich regelmäßig hier.

  • Ich fühle mich sehr gesund.


    Solange mit "gesund" nicht "nicht mehr süchtig" gemeint ist.


    Würde ich in irgendeiner Form Alkohol zu mir nehmen, wäre ich sehr schnell nicht mehr gesund. Und das fängt beim ersten Schluck an.

    Aus dem Grund kein "naja, ein Bier".


    Natürlich denke ich nicht pausenlos daran, dass ich Alkoholiker bin. Aber vergessen darf ich es nicht.

  • Ich fühle mich eindeutig gesünder, als zu vergangenen Saufzeiten.


    Die Sucht habe ich vor über 10 Jahren stoppen können. Ich denke da nicht mehr pausenlos dran,

    aber noch immer bin ich glücklich, dass ich den Ausstieg aus der Sucht geschafft habe.


    Oft denke ich, wie gut, dass ich nicht mehr trinken muss und es auch gar nicht mehr will.


    Diese Dankbarkeit, nicht mehr abhängig zu sein, ist Teil meines Lebens.

    LG Elly


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    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Ganz lieben Dank für eure Antworten. Glückwunsch an euch, dass ihr es geschafft habt! Und für euch Strategien entwickelt habt.

    Bei meinem Ex ist es halt so, dass er sich gerade noch in einer Rehaklinik befindet. Da finde ich eben solche Aussagen „ich bin gesund- damit meint er, nicht mehr süchtig“ schon etwas verfrüht. Das wird sich doch erst nach einer Weile nach Bewältigung des normalen Alltags zeigen, oder?

  • Also, der "nicht mehr süchtig sein"-Zug ist für mich, für dieses Leben, abgefahren.


    Wie Elly schreibt. Es ist gestoppt. Ich bin gesund und sehr viel glücklicher. Die Sucht bleibt für immer.


    Wieder "normal" trinken funktioniert nicht. Das macht aber nichts. Ich möchte es nicht mehr. Selbst wenn ich könnte.

    Ich möchte nie wieder meinem Körper und Hirn schaden. Aus dem Grund ist es auch kein Verzicht.

  • Grundsätzlich empfinde ich mich als körperlich gesund - nach knapp 10 Jahren Trockenheit. Das wird mir auch durch die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen bestätigt.


    Ich gehe ins Fitnessstudio, habe einen erfüllenden Job, ernähre. mich weitgehend gesund und...

    ...bin Alkoholiker!


    Ja, das Wissen darum, daß ich Alkoholiker bin und an der Alkoholkrankheit leide, ist mir bewusst. Ich laufe zwar nicht ständig mit diesem Gedanken durch die Gegend, aber es bleibt trotzdem im Bewusstsein.


    So gesehen fühle ich mich gesund, abgesehen von einer schweren Erkrankung: der Alkoholkrankheit.


    In der Therapie hatten wir einige Kandidaten, die sich sagten: "Nach der Therapie bin ich geheilt". Schön gedacht, aber leider unrealistisch.


    Geheilt werden wir niemals sein, aber es gibt Strategien, wie man gut durchs Leben kommt. Die erarbeitet sich jeder selbst, am besten mit Hilfe von aussen



    Zitat

    aber nun schreibt er mir, dass ich im Urlaub doch noch mal über einen Neuanfang nachdenken soll…

    Er sei ja jetzt gesund, ganz klar im Kopf usw

    Diese Strategie habe ich früher, im nassen Zustand, auch immer gefahren. Ist jetzt alles wieder gut, lass uns wieder weitermachen....

    Hat bloss nie funktioniert, denn solche Sätze (mein subjektiver Eindruck) sind blosser Selbstbetrug. Sich die Dinge schön reden (was bei mir jahrelang funktioniert hat).


    Mit meiner Trockenheit kam Veränderung, in allen Bereichen. Wohnung, Arbeit, Freizeitgewohnheiten. Ohne diese Veränderungen würde ich hier nicht trocken schreiben....

    Mein Leitsatz seit meiner Klinikaufnahme 3.7.14:
    "Ich bitte um Hilfe bei meiner Krankheit - alleine schaffe ich es nicht!"

  • Zitat
    Hat bloss nie funktioniert, denn solche Sätze (mein subjektiver Eindruck) sind blosser Selbstbetrug. Sich die Dinge schön reden (was bei mir jahrelang funktioniert hat).

    joschi018 genau so ist es. Dieses „Schönreden“ kann ich nicht mehr ertragen und macht mir auch den Eindruck, dass es nach der Therapie einfach weitergeht wie vorher. Es sind einige schlimme Dinge passiert, die mich sehr belastet haben. Deswegen trenne ich mich ja auch.

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