Liebe Elly,
hab vielen Dank für Deine schnelle und einfühlsame Antwort und Deine hilfreichen Fragen. Ich kann sie noch gar nicht so richtig beantworten.
Es ist vieles gleichzeitig, glaube ich. Sicher hat es auch mit der Situation meiner Mutter zu tun, dass es ihr immer schlechter geht. Das merke ich am Telefon. Es macht mich sehr traurig, zumal ich ihr ja nicht helfen und beistehen kann.
Ist es zwischenzeitlich besser gewesen?
Ja, es war gerade in den letzten Monaten viel besser. Ich habe ja so viel für mich Neues angefangen und meine Fühler nach draußen ins Leben gestreckt. Das wurde durch Corona jäh unterbrochen.
Solange ich richtig krank war und es nur galt, gesund zu werden, hatte ich keine Panikattacken. Sie kamen erst jetzt, als ich meine normalen Aktivitäten und Pläne wieder aufnehmen wollte.
Ich weiß nicht, ob der Auslöser die Erfahrung der Hilflosigkeit ist. Ich habe eine Freundin um Hilfe beim Einkaufen gebeten, da es auch meinen Mann erwischt hatte. Ich habe mir also gut zu helfen gewusst. Sie hat für uns eingekauft und während der Krankheit hatte ich psychisch keine Probleme. Das kommt jetzt erst mit Verzögerung.
Mich überfordert es zur Zeit, mich mehreren Menschen auszusetzen, paradoxerweise vor allem Menschen, die ich kenne. Überhaupt die Wohnung zu verlassen, fällt mir aber nun auch wieder sehr schwer. Das war so viel besser zwischenzeitlich und nun ist es wieder da. Ich fühle mich wie ohne Haut.
Die Mitpatienten in der Therapie sind eine Ausnahme, sie beruhigen mich eher und dort finde ich Halt, vielleicht weil wir ja alle mit unseren Schwierigkeiten dort sind und sie dort zur Sprache kommen können? Ich selbst kann über meine traumatischen Erlebnisse aber nicht sprechen und höre dort zur Zeit eher den anderen zu. Das ist auch sehr hilfreich für mich. In Bezug auf mich selbst ist da aber eine große Blockade, eine Sprachlosigkeit. Ich will das auch (noch?) nicht.
Reizüberflutung ist definitiv auch ein Thema: Wenn die Panik da ist, höre jedes einzelne Geräusch und tauche zum Beispiel bei offenem Fenster in die Geräuschkurlisse um mich herum vollkommen ein. Ich kann dann keinen klaren Gedanken fassen. Die Geräusche selbst plagen mich nicht, im Gegenteil, ich freue mich über die Kinder auf dem Spielplatz gegenüber, den Wind im Laub der Bäume, jeden einzelnen Vogel, der bei uns zu Hause ist, und und und. Ich höre einfach alles. Die Geräusche, die das Leben um mich macht, trösten mich einerseits, andererseits wäre ich lieber ohne Angst ein bisschen mehr selbst mit dabei als nur Zaungast (Zaunhörer).
Vielleicht brauche ich einfach nur noch etwas Zeit und muss Geduld haben, dass nicht alles sofort wie vor der Infektion ist.
Jetzt ist es wieder sehr lang geworden, aber es hilft sehr, das alles aufzuschreiben.
Danke Dir sehr Elly!
LG Siri