Siri - Ein EKA sein – neu und ungewohnt

  • Liebe Elly,

    hab vielen Dank für Deine schnelle und einfühlsame Antwort und Deine hilfreichen Fragen. Ich kann sie noch gar nicht so richtig beantworten.

    Es ist vieles gleichzeitig, glaube ich. Sicher hat es auch mit der Situation meiner Mutter zu tun, dass es ihr immer schlechter geht. Das merke ich am Telefon. Es macht mich sehr traurig, zumal ich ihr ja nicht helfen und beistehen kann.

    Ist es zwischenzeitlich besser gewesen?

    Ja, es war gerade in den letzten Monaten viel besser. Ich habe ja so viel für mich Neues angefangen und meine Fühler nach draußen ins Leben gestreckt. Das wurde durch Corona jäh unterbrochen.

    Solange ich richtig krank war und es nur galt, gesund zu werden, hatte ich keine Panikattacken. Sie kamen erst jetzt, als ich meine normalen Aktivitäten und Pläne wieder aufnehmen wollte.

    Ich weiß nicht, ob der Auslöser die Erfahrung der Hilflosigkeit ist. Ich habe eine Freundin um Hilfe beim Einkaufen gebeten, da es auch meinen Mann erwischt hatte. Ich habe mir also gut zu helfen gewusst. Sie hat für uns eingekauft und während der Krankheit hatte ich psychisch keine Probleme. Das kommt jetzt erst mit Verzögerung.

    Mich überfordert es zur Zeit, mich mehreren Menschen auszusetzen, paradoxerweise vor allem Menschen, die ich kenne. Überhaupt die Wohnung zu verlassen, fällt mir aber nun auch wieder sehr schwer. Das war so viel besser zwischenzeitlich und nun ist es wieder da. Ich fühle mich wie ohne Haut.

    Die Mitpatienten in der Therapie sind eine Ausnahme, sie beruhigen mich eher und dort finde ich Halt, vielleicht weil wir ja alle mit unseren Schwierigkeiten dort sind und sie dort zur Sprache kommen können? Ich selbst kann über meine traumatischen Erlebnisse aber nicht sprechen und höre dort zur Zeit eher den anderen zu. Das ist auch sehr hilfreich für mich. In Bezug auf mich selbst ist da aber eine große Blockade, eine Sprachlosigkeit. Ich will das auch (noch?) nicht.

    Reizüberflutung ist definitiv auch ein Thema: Wenn die Panik da ist, höre jedes einzelne Geräusch und tauche zum Beispiel bei offenem Fenster in die Geräuschkurlisse um mich herum vollkommen ein. Ich kann dann keinen klaren Gedanken fassen. Die Geräusche selbst plagen mich nicht, im Gegenteil, ich freue mich über die Kinder auf dem Spielplatz gegenüber, den Wind im Laub der Bäume, jeden einzelnen Vogel, der bei uns zu Hause ist, und und und. Ich höre einfach alles. Die Geräusche, die das Leben um mich macht, trösten mich einerseits, andererseits wäre ich lieber ohne Angst ein bisschen mehr selbst mit dabei als nur Zaungast (Zaunhörer).

    Vielleicht brauche ich einfach nur noch etwas Zeit und muss Geduld haben, dass nicht alles sofort wie vor der Infektion ist.

    Jetzt ist es wieder sehr lang geworden, aber es hilft sehr, das alles aufzuschreiben.

    Danke Dir sehr Elly!

    LG Siri

  • Liebe Siri,

    Ich kenne das. Nach der Gewalterfahrung habe ich immer noch nicht richtig in meine alte Struktur zurück gefunden. Mein Sohn, Freunde "zwingen" mich immer wieder raus zu gehen. Es wird aber immer besser. Ich habe angefangen mir feste Strukturen wieder aufzubauen. Gerade bin ich dabei meine Schlafhygiene zu planen, da ich Schlafstörungen habe und diese sich auf mein gesamtes Gemüt auswirken. Ich hatte vor Jahren schon mal Panikattacken, so dass ich sogar mal von unterwegs einen Notarzt gerufen hatte und in die Klinik kam. Das war bei mir durch Stress und Überlastung. Kannst Du eine Kur beantragen?

    LG Momo

  • Liebe Momo,

    danke Dir sehr für Deine Rückmeldung. Es ist keine Überlastung. Vielleicht ist tatsächlich die Unterbrechung meiner Routinen der Hauptgrund dafür, dass die Panikattacken sich wieder gemeldet haben. Denn Struktur hat mir in der Kindheit ja völlig gefehlt. Und das hat zu vielen Problemen geführt, obwohl ich nach außen immer funktioniert habe.

    In den letzten Monaten habe ich mir Schritt für Schritt meine Strukturen wieder aufgebaut, nachdem es mich wegen einer entzündlichen Erkrankung mit Bewegungseinschränkungen und extremer Schmerzen und dem erneuten Kontakt zu meiner Mutter völlig aus der Bahn geworfen hatte. Darauf war ich so stolz. Und dann sind sie durch die Corona Infektion wieder weggebrochen.

    Mein Mann findet im Gegensatz zu mir ganz selbstverständlich wieder in seinen Alltag hinein. Mich kostet das bei jedem einzelnen Punkt sehr viel Kraft und Überwindung. Aber ich mache es und drücke mich nicht davor. Der nächste Schritt ist, den Sport wiederaufzunehmen. Dann wird vielleicht auch die Konzentration besser, so dass ich meine Arbeit wieder aufnehmen kann.

    Was einfach so schlimm ist, ist dass alles von diesen schrecklichen Gefühlen begleitet wird.

    Vor einer Kur hätte ich gerade noch mehr Panik. Körperlich geht es mir zudem viel besser. Hier bessert sich die entzündliche Krankheit, die ich seit einem Jahr auf der rechten Seite habe und die mich zuvor bereits über ein Jahr auf der linken Seite geplagt hatte, wirklich sehr. Nach über zwei Jahren habe ich nun endlich fast keine Schmerzen mehr und kann mich auch wieder fast normal bewegen. Ich mache jeden Tag meine Übungen.

    Vielleicht kann ich zusätzlich zur Gruppentherapie ein paar Mal eine Einzelsitzung bekommen. Diese Möglichkeit hatte mein Psychotherapeut einmal erwähnt bei den probatorischen Sitzungen. Das werde ich nach der nächsten Gruppensitzung mit ihm besprechen.

    LG Siri

  • Liebe Siri,

    Ich wünsche Dir, daß Du Du bald wieder stark in Deinem Leben stehen kannst. Und Einzelsitzung hört sich gut an, zumal es ja echt schwierig ist überhaupt irgendwo therpeutische Begleitung zu finden.

    LG Momo

  • Hallo Nevermind,

    die Gruppe wird von einem analytischen Psychotherapeuten geleitet. Es handelt sich um eine tiefenpsychologisch fundierte Therapie, die einmal die Woche stattfindet. Gerade die Gruppe tut mir sehr gut. Die Gruppenmitglieder arbeiten jeweils an ganz unterschiedlichen Schwierigkeiten. Ich bin die einzige mit einem alkoholkranken Familienmitglied, dennoch gibt es viele Schnittmengen.

    Vor vielen Jahren habe ich eine sehr intensive Einzeltherapie (3-4 x die Woche, über mehrere Jahre) bei einer Psycholoanalytikerin gemacht. Auch diese Erfahrung war sehr gut und hilfreich. Die Intensität und die Dauer haben eine langsame Bearbeitung der Traumata in meinem Tempo möglich gemacht, wobei einiges dennoch unbearbeitet blieb. Es war jedoch sehr gut, dass nichts forciert wurde. Als der Prozess für mich sehr schmerzhaft wurde und ich Angst davor bekam, wie schlimm es wohl noch wird, hat die Therapeutin mir gesagt, dass nur so viel hochkommen wird, wie ich auch bewältigen kann. Ich habe mich dort immer sicher gefühlt, eine sehr wichtige Erfahrung für mich.

    Aber die psychodynamischen Prozesse in der Gruppe sind gerade jetzt sehr aufschlussreich für mich. Es hilft mir zudem, meine erneut aufgekommene Angst vor Menschen zu bearbeiten und ihre Gefühle auszuhalten, auch wenn diese Mal negativ sind. Genau zu spüren, dass ich nicht für die Gefühle von anderen verantwortlich bin, sondern nur für den Umgang mit meinen eigenen Gefühlen, die ich alle haben darf, ist für mich zur Zeit sehr hilfreich.

    Liebe Grüße Siri

  • Liebe Lea,

    danke Dir sehr, dass Du an mich denkst. Dass ich weiss, dass Deine Gedanken mich begleiten, berührt mich und hilft mir. Es tut so gut, nicht allein zu sein.

    Es geht mir besser. Ich sitze wieder an meinem Schreibtisch und beginne wieder meine Arbeitsroutine aufzubauen. Das hilft mir auch gegen die Panikanfälle: wieder meine eigenen Ziele verfolgen. Allerdings habe ich große Angst, sie nicht zu erreichen.

    Was auch hilft, ist, dass es in den Sommerferien nun Aufgaben in unserem Gemeinschaftsgarten gibt und dabei nette Begegnungen. Für mich, die ich in den letzten Monaten zum Extrem-Einsiedler geworden bin, ist das eine Herausforderung, aber schön.

    Dennoch kreisen meine Gedanken zur Zeit viel um meine Mutter. Gerade wenn ich am Telefon bemerke, dass sie getrunken hat, ist es schwierig, obwohl ich ja weiß, dass ich auf den Verlauf ihrer Krankheit keinen Einfluss habe. Ich habe einfach fürchterliche Angst vor einem schlimmen Ende. Vielleicht ist das so, weil meine Mutter mir immer gedroht hat, dass ich enden würde wie mein Vater. Das war eine Art Damoklesschwert, das in meiner Kindheit immer über mir schwebte und vielleicht rührt die Panik jetzt von daher. Das ist natürlich völlig verquer und verdreht, würde aber ja zu dem Problem der Grenzverwischung zwischen mir und meiner Mutter und den vielen Übergriffen passen, die in meiner Kindheit stattgefunden haben. Ich habe Angst, dass ihr passiert, was sie mir angedroht hat.

    Es kommen zur Zeit sehr viele Erinnerungen aus meiner Kindheit hoch, die in meiner ersten Therapie völlig verschüttet waren.

    Zum Beispiel habe ich plötzlich für mich damals völlig verstörende Alkohol- und amouröse Exzesse vor Augen, die in meiner späten Kindergarten- und/oder frühen Grundschulzeit stattgefunden haben müssen. Oft war das im Urlaub oder an den Wochenenden, wenn ich keine eigene Struktur hatte, oft mit Freunden meiner Mutter, die auch Kinder hatten. Wir waren uns vollkommen selbst überlassen.

    Die Ängste, die ich damals hatte, wenn meine Mutter erst völlig überdreht und hektisch, zugleich unerreichbar war, dann später jammernd und sich windend, kotzend. Das schrille Lachen, der komatöse Schlaf. Die Gefühle des Ausgeschlossenseins, der Orientierungslosigkeit und des Nicht-Verstehen-Könnens, was da jetzt passiert, all das war plötzlich wieder da, bis hin zum Essen am Baggersee im Elsass beim Zelten mit den Grillgerüchen und dem wieder herausgekotzten Aal.

    Sich wieder zu erinnern, war gut, weil ich gleichzeitig auch Distanz zu all dem gewonnen habe: das war damals so, aber es ist vergangen. Ich habe mich über all das nun richtig richtig empören können und diese Wut und Empörung über die damalige Verantwortungslosigkeit meiner Mutter gegenüber diesem kleinen Mädchen, das ich war, die tut mir richtig gut.

    Vielen Dank Dir, Lea
    Siri

  • Liebe Siri, das ist einer dieser Momente, wo ich auf der Herzchen drücke, weil ich Teile aus dem Text richtig gut und erfreulich finde und trotzdem ist viel vom Inhalt eigentlich nichts wozu man „gefällt mir“ sagen möchte.

    Es ist schön zu lesen, dass es dir besser geht 😊

    Ich liebe Gärten und freue mich deshalb darüber, dass du von einem Garten aus der Isolation gelockt wirst.

    Die Sache mit den Erinnerungen die auf ploppen kenne ich sehr gut. Dinge an die ich früher nicht ran wollte oder konnte, sind mir hier im Forum manchmal einfach vor die Füße gerollt thematisch und dann kamen meine eigenen Erinnerungen in der Nacht oder auch einfach so ganz ungefragt zurück.

    Und obwohl die Intensität und Detailgenauigkeit erschreckend war und ich früher immer dachte da kann ich so nur vom Profi begleitet ran, war es erstaunlich okay.

    Es gibt weiterhin Bereiche die bleiben lieber verschlossen! Aber an was ich in den letzten Jahren überall ran gekommen bin und was jetzt wirklich abgeschlossen ist, da bin ich manchmal richtig baff.

    Zufällig habe ich genau gestern Nacht darüber nach gedacht, wann eigentlich der Punkt da war, an dem die Erinnerungen fast gar nicht mehr ungefragt anklopfen kamen. Aktuell träume ich einige wenige Male im Jahr (gerade neulich wieder) von meiner Kindheit und viel mehr ist da auch gar nicht. Dafür musste ich auch durch die Empörung und durch die Wut und alles mögliche noch. Und es muss auch kein Dauer Zustand sein, trotzdem finde ich es aktuell sehr befreit von alter Last.

    Das wünsche ich dir auch, von ganzem Herzen. Einen Teil der Last hinter dir zu lassen und damit vielleicht auch die olle Panik zurück in ihre Schranken zu weisen.

    Stück für Stück für Stück!

    Ich habe Angst, dass ihr passiert, was sie mir angedroht hat.

    Das klingt für mich merkwürdig vertraut und super verdreht, da würde ich wohl einen Profi zu befragen wollen.

    Noch einmal meinen Glückwunsch zum Aufwärtstrend und fröhliches Gärtnern, Lea

  • Danke Dir, liebe Lea.

    Das klingt für mich merkwürdig vertraut und super verdreht, da würde ich wohl einen Profi zu befragen wollen.

    Das werde ich machen. Merkwürdigerweise fällt es mir in der Therapie bisher schwer, genau über solche Verdrehungen zu sprechen, weil sie ja so irrational sind.

    Aber an was ich in den letzten Jahren überall ran gekommen bin und was jetzt wirklich abgeschlossen ist, da bin ich manchmal richtig baff.

    ....trotzdem finde ich es aktuell sehr befreit von alter Last.

    Das freut mich sehr für Dich. Ich lese aus den Beiträgen oft eine große Lebensfreude, und das ist so schön!

    Aktuell träume ich einige wenige Male im Jahr (gerade neulich wieder) von meiner Kindheit und viel mehr ist da auch gar nicht. Dafür musste ich auch durch die Empörung und durch die Wut und alles mögliche noch.

    Ich bin auch davon überzeugt, dass ich durch all diese Gefühle hindurch muss, um mit den Themen abschließen zu können, gerade weil ich sie damals ja nicht fühlen durfte, sondern funktionieren musste.

    LG Siri

  • Hi Siri, das klingt ja toll mit deinen Therapien!

    War diese analytische Einzeltherapie so eine, wo du hauptsächlich selber erzählst und die Therapeutin gar nicht viel sagt?

    Ich warte gerade auf einen Therapieplatz bei einer Therapeutin (systemische Therapie) bei der ich vor ein paar Jahren schon mal war.
    Ich erinnere mich nur ganz wenig an meine Kindheit. Ich frage mich manchmal, ob ich die Erinnerungen aber in mir habe, und die irgendwie hervorgeholt werden könnten.

    Daran musste ich gerade denken, weil du von “hochkommen” geschrieben hast.

  • Hallo Nevermind,

    ja, die Psychoanalyse geht von dem aus, was die Patientin einbringt. Es wird durch die Therapeutin weniger explizit gelenkt und es gibt keine praktischen Vorschläge zu irgendwelchen Verhaltensweisen, welche die dysfunktionalen Muster ersetzen könnten. Dennoch wird man nicht nur begleitet, sondern durch oft eher subtile Reaktionen der Therapeutin an wichtigen Punkten durchaus auch geleitet. Ich habe damit einen Freiraum für mich gewonnen und oft eigene Lösungen gefunden, mit denen ich experimentieren konnte. Es ist ein langsamer Prozess, der auch heute noch weitergeht. Die Stimme meiner damaligen Therapeutin begleitet mich nach all den Jahren immer noch.

    Die Gruppe jetzt funktioniert ganz anders. Es ist ja kein Zwiegespräch. Auch hier entwickeln die Sitzungen jede Woche eine eigene Dynamik. Das ist auf ganz andere Weise intensiv als die Einzeltherapie. Ich bin sehr froh, einen Platz ergattert zu haben.

    Wichtig finde ich, dass Du selbst das Tempo bestimmst und der Therapeut nichts hervorholen möchte, sondern sehr feinfühlig und behutsam ist.

    Ich drücke Dir die Daumen, dass Du schnell Unterstützung für Dich erhälst. Die Zeit bis zur Therapie könntest Du mit regelmäßigen persönlichen Gesprächen im Kriseninterventionsdienst der psychosozialen Notfallversorgung überbrücken. Schau einmal, ob es das bei Dir in der Gegend gibt. Mir hat das letztes Jahr wirklich sehr geholfen. Die Person dort war auf die Problematik von Alkoholmissbrauch in der Familie spezialisiert und kannte sich, auch aus eigener Erfahrung, sehr gut mit EKA spezifischen Nöten aus.

    LG Siri

  • Hallo liebes Forum,

    Hallo liebes Forum,

    Zeit wieder einmal ein paar Gedanken zu mir hier zu lassen.

    Die Distanz zu meiner Mutter tut mir gut. Allerdings plagt mich zwischendurch immer wieder die Ungewissheit.

    Paradox ist, dass für mich sowohl der Gedanke, dass der Alkoholismus meine Mutter immer weiter in den Abgrund führt und sie daran qualvoll sterben kann, wie auch der Gedanke, dass sie sich stabilisiert und es ihr besser geht (es gab zum Beispiel seit dem Winter keine Stürze mehr), für mich gleichermaßen schwierig sind.

    Ich suche nach Wegen, mit der Situation meiner Mutter im Frieden zu sein, ohne wissen zu können, wie es kommen wird. Auf ihren Lebensweg habe ich ja keinerlei Einfluss. Es gelingt mir jedoch leider nicht gut, die Situation einfach anzunehmen wie sie ist ohne besorgt in die Zukunft zu gucken.

    Gut getan hat mir vor ein paar Tagen die Aussage meiner Ärtzin, dass ich mir für mich wünschen darf, dass die Sache für mich hoffentlich bald ausgestanden sein wird.

    Das war zunächst ein so befremdlicher und schlimmer, ja verbotener Gedanke. Aber ich kann ihn ja auf meine Situation begrenzen: Für mich wäre das gut. Und meine Mutter bestimmt selbst, was für sie gut ist.

    Vielleicht ist das der Trick, der das Dilemma von oben löst? Denn ich bedaure nicht, dass ich die Vorsorge für meine Mutter übernommen habe.

    So schwer und schlimm die erneute Konfrontation mit meiner Mutter im vergangenen Jahr auch war, so habe ich mich dadurch meiner Kindheit im Haushalt einer Alkoholikerin und psychisch kranken Mutter gestellt und bin nun dabei ein realistischeres Bild von mir selbst zu entwickeln. Auch spüre ich meine Grenzen jetzt viel besser und bin selbstbewusster geworden. Es gibt zwar immer noch viele Baustellen in meinem Leben, die ich bearbeiten will. Viel hat da mit sozialen Kompetenzen und dem Gespür für Grenzen zu tun. Aber das zu sehen und zu bearbeiten, ist ja positiv.

    Wahrscheinlich geht da der Weg für mich lang und wenn mir dabei hilft, dass ich von der Zähigkeit und dem Durchhaltevermögen meiner Mutter genervt sein darf, dann darf ich mir das vielleicht auch einfach eingestehen und es zulassen? Ich sorge ja trotzdem für die Pflege meiner Mutter. Was sie draus macht, ist ihre Sache.

    LG Siri

  • Was ich gerne verinnerlichen möchte, weil es mir wichtig ist:

    Dank von anderen einfach annehmen. Und dann z.B "gerne"/"gern gemacht" sagen, statt abzuwiegeln und zu murmeln "nichts zu danken" o.ä.

    Ich ärgere mich jedesmal, wenn mir wieder einmal so etwas herausrutscht. Denn mich freut der Dank und die so erfahrene Wertschätzung, genauso wie ich mich ja auch gerne bedanke, wenn ich Unterstützung von anderen erhalte.

    Was für ein nerviges und hartnäckiges Muster aus meiner Kindheit diese Abwehr von Dank ist! Gestern ist es mir wieder einmal passiert.

    Vielleicht sollte ich mir die Male notieren, wo mir ein fröhliches "sehr gerne!" gelingt? Vielleicht ist das wirksamer als mich über den Automatismus des alten Musters zu ärgern, wenn es mal wieder nicht geklappt hat?

    Wie gelingt es Euch, Euch in solchen Dingen "umzuprogrammieren"?

  • Hallo Siri,

    das Problem habe ich auch, ganz zu schweigen von Komplimenten. Aber ich denke, da ist die Wiederholung der Schlüssel. Auf jeden Fall die positiven Erfahrungen aufschreiben, als sich über die negativen zu ärgern.

    Du bekommst das hin!

    sonnige Grüße Lütte

    "In dem Moment, wo Du eine Entscheidung triffst, formt sich dein Schicksal"

  • Hm, ein interessantes Thema.
    Habe gerade drüber nachgedacht, wie ich Dank annehme.
    🙄

    Auch nicht gut. Oft sage ich sogar „…..dafür nicht“. Ist ja noch schlimmer,
    als ob es die Sache nicht wert war, mir dafür zu danken. Natürlich war sie es und es ist schön,
    dass ich dafür Dank erhalte.

    Danke für den Denkanstoß. Ich werde das mal beobachten.
    Aber ich glaube hier gilt: Übung macht den Meister.

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    - abstinent seit 6.01.2024 -

  • Im Norden hört man oft: "Daa nich füür..."😉 Hab ich mir auch erst vor ca. 20 Jahren abgewöhnt, nachdem ich bei einer Weiterbildung dafür sensibilisiert wurde. Jetzt heißt es nur noch kurz und knapp: gern. Und das meine ich auch so.

  • Hallo liebes Forum,

    mal wieder etwas von mir. Mir ging es in der letzten Zeit besser. Meine Therapie hilft mir sehr. Das zentrale Thema, das mich dort beschäftigt, ist, die Emotionen anderer auszuhalten. Sie also nicht auf mich zu beziehen und/oder auch nicht auf sie einzusteigen, in dem Sinne dass ich meine, ich sei für den emotionalen Haushalt anderer verantwortlich, also dass es dem anderen bald besser gehe.

    Ein Beispiel: Wenn ein Mitglied unserer Gruppe wegen irgendetwas in seinem Leben in der Gruppentherapie aggressiv rüberkommt, dann habe ich zu Beginn wirklich Ängste entwickelt, nun kann ich es besser einordnen und empfinde es nicht mehr als Gefahr oder Angriff auf mich selbst oder als unterschwelligen Arbeitsauftrag, sondern als ein Problem, mit dem das Gruppenmitglied zu kämpfen hat -- nicht meins. Das ist ein großer Fortschritt für mich.

    Nun ist meine Mutter erneut gestürzt und mit einem Bruch im Krankenhaus. Es ist aus ärztlicher und pflegerischer Sicht klar, dass sie nicht mehr nach Hause zurück kann. Meine Mutter will dies nicht wirklich wahrhaben, doch hat sie einer Kurzzeitpflege nun endlich zugestimmt. Ihre Wohnung ist nicht Rollstuhl geeignet. Auch die ambulante Pflege meint, dass es kein zurück mehr geben wird, da meine Mutter viel zu schwach geworden sei in den letzten Wochen. Erstaunlich ist, dass sie seit sie im KH ist nicht von Alkohol gesprochen hat. Könnte sie den Alkohol vergessen haben (Korsakow-Demenz, völlige Verwirrung)?

    Das in der Therapie Gelernte hilft mir. Dennoch ist es teils sehr schwer auszuhalten. Ich muss nun einen Langzeitpflegeplatz suchen (das KH sucht einen geeigneten Kurzzeitpflegeplatz), entscheiden wo die Langzeitpflege sein soll (weit weg von mir oder doch in der Nähe von uns), die Wohnung meiner Mutter auflösen und mit ihren Gehässigkeiten zu Rande kommen. Ohne therapeutische Begleitung und ohne meinen Mann würde ich an eine rechtliche Betreuung übergeben. So komme ich einigermaßen zurecht, auch wenn es psychische Einbrüche in Form von schlimmern Angstattacken gibt. Es ist aber auch heilsam, das ganze Debakel meiner Kindheit und Jugend nun in aller Klarheit vor Augen zu haben. Ich habe mir nichts davon eingebildet, wie meine Mutter mich und andere immer glauben machen wollte. Davon kann ich hier im offenen Bereich nicht berichten. Für mich ist es wichtig, alles schwarz auf weiß vor mit zu haben und die Lügen meiner Mutter nun klar als solche benennen zu können. Für mich ist klar: ich suche einen geeigneten Pflegeheimplatz für sie, aber ich lasse mich nicht mehr von ihr schikanieren. Bereits seit einiger Zeit verlasse ich dann konsequent den Raum, lege den Hörer auf etc. Dennoch geht es mir nach solchen Attacken dann immer eine Zeit lang schlecht. Da muss ich noch an mir arbeiten. Es ist ihrs, nicht meins.

    LG Siri

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