Jump! aus dem Hamsterrad

  • Hallo ihr da draußen irgendwo,

    ich will mein altes Leben nicht mehr! Ich will nie mehr leere Flaschen finden, angelogen werden, Alkoholfahne riechen, Diskussionen im Kreis führen, mich so sehr einsam fühlen... Ich will einen kompletten Neustart. Aber geht ein neues Leben im alten?

    Mein Schockerlebnis war vor 3 Wochen, als mein Mann während seines gefühlt tausendsten kalten Entzugs einen epileptischen Anfall hatte. Das will ich nie, nie mehr erleben müssen.

    Ich habe Angst, dass alles schleichend wieder anfängt, er es nicht schafft abstinent zu bleiben und ich es dann trotzdem nicht schaffe den Absprung zu machen.

    Deshalb hab ich mich hier angemeldet. Ich bin Mitte 50 und ich will keine Zeit mehr verplempern.

    Alles Liebe 🏵️

    Jump!

  • Hallo Jump,

    gerade dachte ich, es sagt ja keiner, daß du gleich einen Riesensprung machen mußt, damit es dir besser geht. Neustart geht auch mit kleinen, gut überlegten oder auch spontanen Schritten. Mach dein Ding draus!

    Viele liebe Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Ja, bei "Neustart" habe ich an mein Notebook gedacht ;) - wäre toll, wenn eine "Systemaktualisierung" reichen würde und ich noch beim "alten Betriebssystem" bleiben könnte, aber ich fürchte das wird nix mehr, zu viele "Abstürze" und der Akku ist auch kaputt...

    Ich lese ja schon seit einigen Monaten hier im Forum. Seitdem habe ich schon einiges verändert, ihn nicht mehr kontrolliert, nicht mehr versucht ihn am Wochenende trocken zu kriegen...er ist dann auch richtig tief im Rausch versunken, noch schlimmer als sonst, kompletter Kontrollverlust. Aber das war gut. Denn durch den Krampfanfall ist er zutiefst erschrocken und so entschlossen wie nie abstinent zu sein. Jetzt hab ich auch selbst erst richtig kapiert was gemeint ist mit "Hilfe durch nicht-Hilfe".

    Die letzten drei Wochen waren schön, vielleicht zu schön, trügerisch schön? Wenn ich montags arbeiten gehe, dann zerreißt es mir das Herz, denn ich fürchte: jetzt geht's wieder los, dann ist alles wieder vorbei, dann ist er wieder unerreichbar. So oft erlebt.

    "Mach dein Ding draus" hört sich so frei und selbstbestimmt an, so wie ich eigentlich auch bin. Ich fürchte ohne Riesensprung wird das nix.

    Jump!

  • Systemaktualisierung. :DDie Taste in mir drin suche ich seit Jahren. ^^


    Was du erlebt hast ist erschütternd. Es kann ein Wendepunkt sein, aber man muss schon selber anpacken, das ist kein Selbstläufer.

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Aus, futsch, Ende, Hoffnung zerstört.. natürlich! war ja auch allen klar, allen außer mir!, die Mal wieder den Grammy in Verleugnen und Realitätsverlust bekommt.

    Er trinkt morgens und mittags und timed das so, dass er wieder bei 0 ist, bis ich von der Arbeit komme. Er hat einen Alkoholtester.

    Und jetzt? Ich hab mir extra den Namen Jump! gegeben, weil ich den Mut aufbringen will raus zu springen aus dem Hamsterrad. Und was mache ich: nix. Ich bin eher wie eine klebrige zähe Haftcreme oder eine schleimige Schnecke, von Sprung keine Spur.

    Ich weiß, ich sollte meine Wut nicht gegen mich, sondern in Veränderung stecken. Ich fürchte ich bin ein schwerer Fall :cursing:

    Jump! die Schnecke

  • Du schaust hin und zwar nicht nur bei ihm, sondern bei dir. DA geht der Weg lang. Bleib dran. :thumbup:

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Lieber Nayouk,

    vielen Dank für deine Frage!! Da grübel ich jetzt schon seit gestern drüber. Die Frage hört sich so einfach an, aber wenn ich mir das so richtig vorstelle, dann wird es kompliziert.

    Also mein Märchen-Ich will natürlich, dass nur mein Mann sich verändert, also trocken bleibt und dann wäre alles gut.

    Mein Superwoman-Ich stellt sich vor wie ich ausziehe in in eine Wohnung in der Stadt in der ich auch arbeite, wo auch meine sozialen Kontakte sind.

    Ich würde so gerne noch eine Variante finden in der ich bleiben kann und trotzdem zufrieden wäre, aber da fällt mir nichts ein. Verleugnung funktioniert nicht mehr seit dem Krampfanfall. Genauso wenig ignorieren und mich um mich kümmern - das hatte ich lange Zeit ganz gut hingekriegt, aber die Panik vor einem neuen Anfall wäre zu groß.

    Und dann kommen die ganzen "aber"s. Das Hamsterrad ist nämlich auch in meinem Kopf und nicht nur in meinem Handeln/Leben.

    ABER ich will nicht unser Haus aufgeben, das wir mit so viel Arbeit und Liebe selbst saniert haben.

    ABER ich kann nicht unsere wilden Freigänger-Katzen mit in die Stadt nehmen.

    ABER das wird alles zu teuer.

    Aber...

    Und wenn ich jetzt ganz furchtbar ehrlich zu mir bin, dann gibt es auch noch so eine klebrige Bequemlichkeit. Mein Mann ist ja ein funktionierender Spiegeltrinker. Er arbeitet, er macht sehr viel im Haushalt, im Garten und durch sein schlechtes Gewissen mir gegenüber versucht er quasi alles "auszugleichen". Es gibt sozusagen auch einen "sekundären Krankheitsgewinn" bei mir, auch wenn sich das jetzt vieleicht komisch anhört...

    Soweit erstmal von

    Jump! im Hamsterrad

  • Es gibt sozusagen auch einen "sekundären Krankheitsgewinn" bei mir, auch wenn sich das jetzt vieleicht komisch anhört...

    Das hört sich überhaupt nicht komisch an. Oft denke ich beim Mitlesen, daß das der Fall ist, aber wenn es schonmal angesprochen wurde, haben sich die Frauen furchtbar über diese "Unterstellung" aufgeregt. Ich finde es gut, auch diesen Aspekt ehrlich anzuschauen.

    Ich bin alleine und muß alles selber regeln.

    Ich bin alleine und kann alles selber so regeln, wie ich es möchte.

    Blickwinkel.

    Klar gibts doofe Tage und doofe Themen, aber unterm Strich gehts mir gut.

    Liebe Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo Jump!

    dass es einen sekundären Krankheitsgewinn gibt bzw etwas, was dem entspricht, glaube ich hundert pro.

    Ich kann es jedenfalls auch von mir selbst behaupten. Das ging so lange, bis das Schlimme immer schlimmer wurde und der Gewinn immer weniger bis null. Da konnte ich Nägel mit Köpfen machen.

    Liebe Grüße Aurora

    Glücklichsein ist eine Entscheidung

  • Hallo Jump!
    ich bin (war) auch Spiegelrinker. Ich war eigentlich ständig unter Alkohol ausser irgendwann Nachts im Bett. Funktioniert habe ich trotzdem. Über die Zeit erhöht sich der Spiegel Stück für Stück und mir war klar, dass es nicht mehr lange gut geht, da ich physisch nicht mehr konnte.
    Ich fand es am Schluss so furchtbar anstrengend trinken zu müssen mit allem was dazu gehört.
    Offensichtlich ist es bei Deinem Mann trotz dem Krampfanfall noch nicht soweit.
    Du kannst nichts machen. Es muss von ihm kommen.

    Er trinkt morgens und mittags und timed das so, dass er wieder bei 0 ist, bis ich von der Arbeit komme. Er hat einen Alkoholtester.

    Du kannst ihm aber mitteilen was Du weisst, dass Du es nicht gut findest, es Dich belastet und Du nicht mehr weisst wie Du selbst für Dich damit klar kommen kannst,
    Du Dir jetzt aber einen Weg suchen wirst genauso wie er momentan seinen Weg geht.
    Und dass Du nicht verstehst wie er nach dem Anfall weitertrinken kann und alle Wahrzeichen ignoriert, dass es ihm egal ist.

    Ich habe sehr bald verstanden, dass der Weg mit Alkohol vorbestimmt ist und ich meine Frau dadurch auch verlieren werde, denn alle Versuche reduziert oder kontrolliert
    zu trinken sind gescheitert.
    All die Dinge die ein Leben als Alkoholiker bedeuten oder eben nicht mehr bedeuten haben am Ende dazu geführt, dass ich mich in eine Klinik begeben habe,
    da ich es alleine nicht geschafft habe und auch nicht schaffen konnte.
    Es war mein Tiefpunk. Jeder hat einen anderen.

    Liebe Grüße Nayouk

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    - abstinent seit 6.01.2024 -

  • Du kannst nichts machen. Es muss von ihm kommen.

    Genau!

    Du kannst ihm aber mitteilen was Du weisst, dass Du es nicht gut findest, es Dich belastet und Du nicht mehr weisst wie Du selbst für Dich damit klar kommen kannst,
    Du Dir jetzt aber einen Weg suchen wirst genauso wie er momentan seinen Weg geht.

    Das scheint mir aber doch bereits unendlich oft geschehen nach „gefühlt 1.000 kalten Entzügen“.

    Sorry - ich mag vielleicht nerven aber irgendwann ist aus meiner Sicht auch mal genug geredet worden - dann muss mal konsequent gehandelt werden. Das gilt auch für die Angehörigen. Sonst dreht man sich so lang im Kreis bis einer aus den Latschen kippt …

    Ich fand es am Schluss so furchtbar anstrengend trinken zu müssen mit allem was dazu gehört.

    Ich haben größten Respekt vor Dir und deinem Entschluss trocken zu leben - aber viele Süchtige kommen nicht an diesen Punkt. Auch nicht, wenn man sich aufopfert und den Mund fusselig redet!

  • Lanananana Da hast Du leider recht.

    Bei mir standen alle Signale auf Stop oder Wechsel, familiär, beruflich, körperlich und psychisch. Damit hatte ich grosses Glück,
    sonst würde ich heute hier nicht schreiben.

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    - abstinent seit 6.01.2024 -

  • Vielen Dank für die Rückmeldungen! Das bedeutet mir viel!

    Nayouk, ja, natürlich habe ich mit meinem Mann geredet, ihn konfrontiert. Im Reden bin ich richtig richtig gut - aber ich komme nicht ins Handeln. Das meinte ich mit "nix gemacht".

    Ich glaube ihm auch, dass er wirklich aufhören WILL, er ist auch durchaus einsichtig und der Anfall war sicher ein sogenanter Tiefpunkt. Nur leider reicht das trotzdem nicht. Gestern kam auch die Bewilligung der stationären Reha, das ist dann seine vierte. Aus viel zu vielen Jahren Erfahrung weiß ich, dass die Wahrscheinlichkeit verdammt hoch ist, dass es wieder gaaanz langsam und schleichend los geht. Ha, vielleicht ist ja er die Schnecke und nicht ich, denk ich grad :S.

    Ich hab mal vor kurzem eine Freundin gefragt warum um Himmels Willen eigentlich noch NIE jemand aus dem Freundeskreis zu mir gesagt hat: verlass' ihn, du musst da raus! Sie hat lange überlegt und meinte schließlich: weil er so nett ist.

    Jump! mit Klebestreifen an den Füßen

  • Er trinkt morgens und mittags und timed das so, dass er wieder bei 0 ist, bis ich von der Arbeit komme. Er hat einen Alkoholtester.

    Da bist du wieder voll im Kontrollmodus. Das musst du echt lassen. Es ist seine Entscheidung, wieder zu trinken, seine Entscheidung zu lügen. Lass das bei ihm.

    Bei uns stehen Bierdosen im Kühlschrank. Ich sage dazu nichts mehr und es ärgert mich auch nicht mehr. Er muss selbst wissen, was er tut.

    Nutze die Energie deiner Wut für Schritte auf deinem Weg. Was kannst du jetzt, morgen und nächste Woche tun, um frei zu werden?

  • Liebe wardasalles,

    Danke für deine Worte!

    ich weiß was du meinst, wenn du schreibst "es ist seine Entscheidung". Hier im Forum wird ja auch ganz oft gesagt: "Er ist erwachsen, er kann machen was er will". Das hab ich vor dem Krampfanfall auch genau so gesagt.

    Ich weiß aber nicht ob das so stimmig ist. Mir kommt mein Mann dann eher vor wie "ferngesteuert". Es ist keine Entscheidung mehr, sondern er MUSS trinken. Fast wie in einer Psychose und da würde ich doch auch nicht sagen 'es ist deine Entscheidung '.

    Das heißt im Umkehrschluss jetzt aber NICHT, dass ich es deshalb kontrollieren sollte, das meine ich überhaupt nicht. Mir ist vollkommen klar, dass das nicht möglich ist. Ich finde ich hab ihn in erster Linie konfrontiert. Weil ich sonst innerlich platzen würde.

    Jump! 🏵️

  • Liebe Jump, sehe das genauso - bei meinem Mann ist es auch so, er muss trinken und spielen. Ist nicht mehr sein “Wille” - er ist wie ein Zombie!
    Aber wir können nichts machen - das habe ich in den letzten Monaten gelernt. Auch hier im Forum. Und damit geht es doch etwas besser.
    LG

  • Hallo Jump,

    Ich hab mal vor kurzem eine Freundin gefragt warum um Himmels Willen eigentlich noch NIE jemand aus dem Freundeskreis zu mir gesagt hat: verlass' ihn, du musst da raus! Sie hat lange überlegt und meinte schließlich: weil er so nett ist.

    Wie krass ist DAS denn.

    Aber ich habe damals, immer wenn ich das Wort " Trennung" oder Ähnliches erwähnt hatte, gehört:

    Dann geht er ganz unter

    Das verkraftet er nie

    Du musst besser auf ihn aufpassen

    Damit wurde meine Zeit, die für MICH echt furchtbar war, noch verlängert. Das gab massig Schuldgefühle und Verantwortung bei mir. Toll :twisted:

    Liebe Grüße Aurora

    Glücklichsein ist eine Entscheidung

  • Ich weiß aber nicht ob das so stimmig ist. Mir kommt mein Mann dann eher vor wie "ferngesteuert". Es ist keine Entscheidung mehr, sondern er MUSS trinken. Fast wie in einer Psychose und da würde ich doch auch nicht sagen 'es ist deine Entscheidung '.

    Hallo Jump,

    In diesem akut lebensgefährlichen Zustan versteht es sichvvon selbst, dass man alle Hilfe gibt, die möglichvist. Das bedeutet, Notarzt, Krankenwagen etc. holen und alles so weit regeln, dass die Fachleute übernehmen können, also z.B Papiere, Versicherungskarte bereithalten und ihn bestmöglich stabilisieren.

    Dann folgt ja in aller Regel eine ärztliche Betreuung in diesem nüchternen (!) Rahmen ist er aber wieder selbst verantwortlich. Er hat es in der Hand, zu sagen "Ich brauche professionelle Hilfe".

    Ich weiß natürlich, dass die Sucht ihn antreibt und es in diesem Sinne kein "freier Wille" mehr ist. Aber - niemand anders schüttet Alkohol in seinen Mund als er selbst. Und dazwischen wird er doch wohl auch mal ein paar halbwegs nüchterne Stunden haben, in denen er seine Situation reflektieren könnte.

    Genau das machst du ja auch hier im Forum.

    Alkes Liebe <3

  • Liebe wardasalles,

    Ich glaube ich habe mich missverständlich ausgedrückt. Ich meine das durchaus grundsätzlich. Klar, die Notsituation war komplett was anderes. Aber auch jetzt, nachdem er wieder seit ein paar Tagen nüchtern ist, ist er ja immer noch drin im "nassen Denken".

    Ich störe mich einfach an dem Satz: "er ist doch erwachsen, er kann selbst entscheiden...". Für mich, und für meine Situation wäre der Satz: "Du bist krank, aber ich kann dir nicht helfen".

    Ich weiß, dass das kontrovers diskutiert wird und es gibt ja auch einen eigenen Faden dazu hier im Forum: Der Wille.

    Lananana hat mich auch Mal darauf hingewiesen, dass es letztendlich für mich selbst doch auch keinen Unterschied macht. Trotzdem rührt sich da aber was in mir. Ich rede hier nur für mich. Für mich hat dieser Satz: "Er ist erwachsen..." einerseits Erleichterung gebracht, aber er hat auch meine Scheuklappen verstärkt und dazu geführt weiter zu machen als wäre nichts. Er war dann halt im Gästezimmer.

    Und ich glaube, dass es zwar s

    die eigene Hand ist, die den Alk rein schüttet, aber dass die Steuerung nun Mal im nassen Gehirn sitzt. Damit will ich nicht die Verantwortung absprechen trotzdem was daggen zu tun.

    Mein Mann ist ja in der Woche VOR dem Anfall durchaus zu seinem Suchtberater und zum Arzt und hat auch vergeblich versucht in der Klinik einen Platz zur Entgiftung zu bekommen (Warteliste).

    Ich weiß nicht, ob es manchen auch Angst macht zu hören, dass es Leute gibt, bei denen der Wille und die Einsicht und alle Therapie nicht ausreicht und die trozdem zugrunde gehen? Könnte es "einfacher" sein zu sagen: Er ist doch erwachsen, ist seine Entscheidung " weil das sonst so unendlich weh tut diese unglaubliche Hilflosigkeit zu sehen?

    Ich muss oft an einen Psychiater aus der Notaunahme denken der vor Jahren zu mir gesagt hat: "Wenn Sie sich trennen stirbt einer, aber wenn Sie bei ihm bleiben sterben zwei".

    Jump! die geblieben ist

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