Maila - Schamgefühle

  • Hallo zusammen,

    seit meiner frühen Kindheit leidet meine Mutter an einer depressiven Schizophrenie und mein alkoholabhängiger Vater verstarb als ich 15 Jahre alt war. Für mich war mit dem Tod damals die Krankheit "beendet" und wurde durch Trauer ersetzt. Dachte ich zumindest. Allerdings zeigen sich mittlerweile in meinem Erwachsenenalter mit 37 Jahren immer wieder Symptome wie Energielosigkeit, Perfektionismus, Aufopfern für Andere. Erst nach über 20 Jahren hat nun bei mir ein Körpertherapeut herausgefunden, dass mich immer noch Schamgefühle für die damalige Krankheit meines Vaters im Leben beeinflussen. Wie geht ihr mit solchen Symptomen als Kinder von alkoholkranken Eltern um? Was hilft euch dabei mit Schamgefühlen umzugehen?

    Ich bin zwar meinen Weg gegangen und kämpfe mich als Einzelkämpferin durchs Leben, allerdings spiegelt sich meine Lebensgeschichte auch in meinem niedrigen Selbwert und in Ablehnung durch Andere wider. Das würde ich gerne ändern und bin für jeden guten Rat dankbar.

    Liebe Grüße

  • Guten Abend Maila,

    willkommen bei uns in der Selbsthilfegruppe!

    Der frühe Verlust von Deinem Vater hat Spuren hinterlassen. Auf einmal warst Du mit Deiner Mutter allein, die ebenfalls nicht gesund war/ist. Wie ist das Verhältnis heute zu Deiner Mutter?

    Du schreibst von einem Körpertherapeuten, bist Du bei einem Arzt oder einem Psychotherapeuten in Behandlung?

    LG Elly

    ---------------------------------------------------------------------------------------

    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Mein Verhältnis zu meiner Mutter ist wieder gut und mittlerweile ist sie seit einigen Jahren medikamentös eingestellt. Schlechte Phasen bei ihr sind selten geworden. Trotzdem bin ich, wenn ich sie in meinem Elternhaus besuche, auf "Hab Acht" Stellung.

    Erst seit einem halben Jahr bin ich bei einem Psychologen, den ich wegen meiner Energielosigkeit aufgesucht hatte, in Behandlung gewesen. Nachdem allerdings sich keine signifikante Besserung eingestellt hat, habe ich mir vor wenigen Wochen einen Termin bei einem Physiotherapeuten geben lassen, der die noch vorhandenen Schamgefühle aus meiner Kindheit für den Alkoholismus meines Vaters an meinem Körper in einer einzigen Sitzung ablesen konnte. Das fand ich ziemlich crazy, bin aber dafür umso dankbarer, dass er das herausgefunden hat und ich nun das Thema für mich aufarbeiten und hoffentlich irgendwann loslassen kann. In den Jahren zuvor war ich nie in Behandlung, hatte mich irgendwie immer alleine "durchgebissen". Und auch jetzt studiere ich momentan berufsbegleitend bei einer 40 Stunden Woche und stehe kurz vor meiner abschließenden Masterarbeit.

  • Und auch jetzt studiere ich momentan berufsbegleitend bei einer 40 Stunden Woche und stehe kurz vor meiner abschließenden Masterarbeit.

    Und Du schreibst über Energielosigkeit, Maila? Du bist voll eingespannt!

    Hast Du vor der Sitzung des Physiotherapeuten schon das Gefühl gehabt, dass das alles an Deinen verdrängten Gefühlen bezüglich Deines Vaters liegt?

    Wenn Du Dich gänzlich erschöpft fühlst, würde ich an Deiner Stelle zum Hausarzt gehen und mich dort gründlich untersuchen lassen. Vielleicht hat das alles einen ganz anderen Grund. Oder warst Du schon bei D/einem Arzt?

    LG Elly

    ---------------------------------------------------------------------------------------

    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Die Energielosigkeit habe ich schon länger, die Blutwerte sind gut. Das berufsbegleitende Studium gibt mir Kraft durch den Austausch mit Anderen und zu tun was mir Spaß macht, das zusätzliche Lernen ist bei mir kein Energiefresser sondern -geber.

    Nein, vor der Sitzung wäre ich nie darauf gekommen, dass meine Energielosigkeit mit den Schamgefühlen zu tun hat. Für mich war vom Kopf her mit dem Tod meines Vaters die Krankheit abgeschlossen. Aber durch die Beschäftigung mit dem Thema habe ich nun für mich herausgefunden, dass ich immer wieder unbewusst in Schamgefühle für Andere ging, z. B. in meiner letzten Beziehung, von der ich nicht losgekommen bin, obwohl keine Gefühle mehr da waren und ich mich für meinen Partner geschämt hatte. Die Scham war ein vertrautes Gefühl, das ich aber so nicht benennen konnte, geschweige denn dass ich das mit dem Alkoholismus in meiner Kindheit in Verbindung gebracht hätte.

    Nachdem ich jetzt weiß, dass diese Schamgefühle eben doch noch meinen Alltag und mein Selbstbewusstsein dominieren und ich versuche damit umzugehen, kommt auch langsam die Energie wieder zurück. Z. B. habe ich ein höheres Selbstbewusstsein in Städten, in denen mich keiner von früher kennt. Ich wusste nie warum. Jetzt weiß ich, dass wenn ich das Dorf besuche, in dem ich aufgewachsen bin, das komische Bauchgefühl und Minderwertigkeitsgefühle mit den Schamgefühlen zu tun hat.

  • Möchtest Du Dich im offenen Bereich mit den anderen Angehörigen austauschen?

    Anklicken und kurz etwas dazu schreiben.

    https://alkoholiker-forum.de/bewerben/

    Wir werden Dich dann freischalten und Dein Thema zu "Erste Schritte für EKA" verschieben. -EKA - Erwachsene Kinder von Alkoholikern

    LG Elly

    ---------------------------------------------------------------------------------------

    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Bitte noch dem Link folgen und etwas schreiben, damit wir Dich freischalten können, Maila!

    LG Elly

    ---------------------------------------------------------------------------------------

    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Hallo & willkommen im Forum!

    Du hast das mit deinem Vater nie verarbeitet und die Wunden von früher sind noch in dir present, unterbewusst immer da. Das bleiben sie auch immer, weil sie ein Teil deiner Geschichte sind.

    Du hast dich damals für deinen Vater sicher aus guten Gründen geschämt. Schämst du dich noch heute für ihn oder wie betrachtest du ihn aus heutiger Sicht, haben sich die Gefühle geändert oder sind es noch die Selben?

    Es hilft sehr sich über das Thema Alkoholismus zu informieren und was das mit einem Süchtigen und den Angehörigen auf Dauer macht. Unverarbeitetes aus der Kindheit nehmen wir im späteren Leben mit, es sind ja erlernte Verhaltensmuster und entstandene Gefühle, die uns prägen und auf die wirunterbewusst zurück greifen oder die uns immer wieder begegnen und an denen wir uns festhalten, sozusagen als Leitlinie.

    Ganz wichtig wäre, das du dir bewusst machst, das dein Vater an einer Krankheit litt, die nichts mit dir zu tun hatte - du hattest keine Schuld daran, sondern warst zwangsläufig als Kind involviert und hast Dinge erlebt, die nicht gut und sehr ungesund waren. Du bist heute ein eigenständiger, erwachsener Mensch und kannst anders als früher, mit mehr Abstand zurück blicken. Wie hat denn deine Familie, deine Mutter, evtl Geschwister und andere damals deinen Vater gesehen oder sich ihm gegenüber verhalten? Oft armt man auch als Kind / Jugendlicher das Verhalten anderer Angehöriger nach, um mit der Situation zurecht zu kommen, die man so noch nicht versteht. Wichtig ist, das du dir aus heutiger Sicht ein neues Bild von früher machst und dich darauf einlässt, deine Gefühle wahr und ernst zu nehmen, sie zu hinter fragen. Ein Alkoholiker hat oft Probleme mit sich selbst und irgendwann führt alles zu einem Kontrollverlust, der nach Außen hin sichtbar wird oder die Angst besteht das andere davon mit bekommen, wie schlimm es wirklich ist. Du hast viel erlebt und mit gemacht mit deinem Vater, aber du darfst nie vergessen das er zwar dein Vater ist, jedoch eine eigenständige Person war und du selbst auch ein Individuum und eigenständiger Mensch bist. Auch deine Mutter oder andere Angehörige deiner Familie sind jeder für sich andere Menschen, auch wenn man eine familiäre Zugehörigkeit hat. Blicke auf deine Gefühle und Empfindungen und wie du heute mit der Situation umgehen würdest, was würdest du vielleicht anders als damals machen, wie würdest du mit dem Problem aus heutiger Sicht umgehen? Wo sind deine Grenzen? Musst du immer stark sein, perfekt sein und warum? Wieso kannst du nicht eine glückliche Beziehung führen ohne das du dich schämst und viel zu lange an einem Punkt stehen bleibst, der dir nicht gut tut? Und hast du wirklich die Verantwortung für Menschen, die dir sogar unangenehm sind oder bist du nur für dich und dein Leben verantwortlich, das es dir gut geht und es sich gut anfühlt? Tust du dir selbst genug Gutes?

    Es ist verständlich das du dich schämst oder andere negative Gefühle hochkommen, wenn du in dein Heimatort zurück kehrst, es war schlimm für dich und keiner konnte damals die Situation ändern. Gehe offen damit um was du fühlst und sehe es nicht als Problem, sondern als Lernweg für dich an, der dir in der Zukunft viel Belastendes abnehmen kann.

    Ich finde es super, das du professionelle Unterstützung an deiner Seite hast und dich mit deinem Vater und der Vergangenheit beschäftigst. Wichtig ist, das du in Frieden eines Tages abschließen kannst und nicht mit all den negativen Gefühlen im Gepäck, das kann ich dir aus eigener Erfahrung mit geben.

    Liebe Grüße :)

  • Hallo Maila,

    ich habe Dich für die offenen Forumsbereiche freigeschaltet und Dein Thema in den EKA (Erwachsene Kinder von Alkoholikern) - Bereich verschoben. Du kannst überall schreiben, nur bitte in den ersten vier Wochen nicht im Vorstellungsbereich.

    Ich wünsch Dir einen hilfreichen Austausch!

    VG Sue

    You will bloom if you take the time to water yourself 🌷

  • Danke Lila und Sue.

    Meine Schamgefühle haben sich nicht geändert. Hinzu kommt noch aus Kindsicht der Vorwurf an meinen Vater, dass er mich als Kind durch den Alkohol alleine gelassen hat und mit Alkoholismus seine Probleme, wie die Krankheit von meiner Mutter, ertränken wollte. Dass ich ihm einen Vorwurf mache, kam erst durch einen Film zum Vorschein, den ich im Kino sah. Hatte dies aber dann wieder verdrängt. Ich hatte wahrscheinlich auch die unverarbeiteten Schamgefühle intuitiv verdrängt, weil ich in meiner Trauer meinen Vater nach seinem Tod in guter Erinnerung behalten wollte und ich ihn auch vermisste und brauchte, vor allem weil ja auch meine Mutter krank war. Aber du hast recht, Alkoholismus ist genauso eine Krankheit, das hatte ich wahrscheinlich zu sehr verdrängt.

    Meine Familie redet nicht über Gefühle und meine beiden, älteren Brüder machen alles mit sich selbst aus. Leider... auch Umarmungen gab/gibt es nie, auch nicht von meinen Eltern.

  • Willkommen in unserem Forum, Maila.

    Mein Beileid zum frühen Verlust Deines Vaters.

    Auch ich kenne intensive Scham. Wenn sie mich überfällt, habe ich mich bis vor nicht allzu langer Zeit häufig völlig isoliert. Erst jetzt, wo ich mich mit den Auswirkungen der Alkoholkrankheit meiner Mutter auf mich befasse, bin ich mir bewusst geworden, dass diese Gefühle viel mit meiner Kindheit zu tun haben.

    Als Kind habe ich viele negative Emotionen meiner alkoholkranken Mutter oder auch Emotionen von Aussenstehenden, die meiner Mutter galten, auf mich bezogen. Seit ich diese Gefühle besser einordnen kann, verfolgen sie mich nicht mehr so.

    Scham- und Schuldgefühle auszuhalten und/oder zu verdrängen, kostet enorm viel Kraft. Es ist sehr gut, dass Du Dich hier um Dich kümmerst und Dir Unterstützung gesucht hast.

    Dass in Dir Vorwürfe und vielleicht auch Wut hochsteigen, wenn Du an Deinen Vater zurückdenkst, kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich finde, dass das berechtigt ist und auch einen Platz haben darf. Er hat Dich ja als Kind alleine gelassen. Ich bin überzeugt, dass man die Gefühle nicht verdrängen oder zur Seite packen kann, auch wenn es schmerzhaft ist und Kraft kostet. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Gefühle sich durch die Auseinandersetzung verändern. Sie verlieren an Schärfe und bedrängen mich nun nicht mehr so, bzw. es gelingt mir immer besser, mich von ihnen zu lösen, so dass sie mich nicht mehr so lange blockieren.

    Es ist ein Prozess.

    Schön, dass Du hier bist!

    LG Siri

  • Vielen lieben Dank für die Rückmeldung. Ja das kann ich alles sehr gut verstehen. Isolation ist bei mir auch ein großes Thema. Vor allem jetzt in der Zeit in der meine Freundinnen Mütter werden und kaum noch Zeit haben oder die Möglichkeit sich nehmen, etwas zu unternehmen. Da ist es besonders als Single schlimm. Ich weiß, man kann und soll Lebenswege nicht vergleichen das macht nur unzufrieden, allerdings wünscht man sich doch irgendwo wie Andere auch anzukommen und Geborgenheit, Sicherheit, zu finden, vor allem wenn man seit seiner Kindheit fast ohne Eltern aufgewachsen ist.

    In die Vergebung zu gehen ist sicherlich sehr hilfreich. Und sich von der Krankheit abzugrenzen und zu sagen, trotz der Umstände in meiner Kindheit ist es möglich ein glückliches Leben zu führen... Denn der Umgang mit der Krankheit und dem Tod hat sicherlich nicht nur "schlechte" Charaktereigenschaften in mir verursacht. Z. B. auch innere Stärke, Empathie usw.

    Und der Kopf weiß das bestimmt alles, nur im Herzen wünscht man sich den Prozess irgendwie leichter... aber ja die Krankheit und der Tod wird immer ein Teil meiner Geschichte sein.

    Mut lässt auf jeden Fall machen, dass es mit euch da draußen EKAs gibt, die ebenfalls struggeln und das "normal" ist, seine Themen mit der Krankheit zu haben. Ich wünsche euch, dass ihr das Positive an der Krankheit eurer Eltern sehen könnt, auch wenn das auf den ersten Blick nicht immer ersichtlich ist. Erfahrungen können uns wachsen lassen.

    Liebe Grüße

Unserer Selbsthilfegruppe beitreten!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!