Alkoholiker-Strategien Schicksalsschläge

  • Hallo,

    da das Thema immer wieder aufkommt, habe ich diesen Thread ins Leben gerufen, um zu diskutieren, ob es sinnvoll ist, Strategien oder ein Verhalten für Schicksalsschläge zu entwickeln. Ist es dadurch möglich, das Suchtverhalten präventiv zu beeinflussen? Kann man es ruhig stellen, um sich sicherer zu fühlen?

    Die Erfahrungen von Menschen, die Schicksalsschläge überwunden haben, sind natürlich von hohem Wert.

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • dann fang ich mal an.

    schicksalsschläge kommen ja in der regel aus heiterem himmel, kann man sich auf sowas überhaupt vorbereiten. ich hatte vor paar jahren eine serie die ich mir in meinen schlimmsten träumen nicht hätte ausdenken können. das werde ich hier allerdings nicht öffentlich ausführen da etliches auch mir nahe stehende personen betraf und ich ihre privatspähre verletzen würde. es war alles dabei, tot, straftaten, siechtum. als ich noch gesoffen habe wäre ich in der situation wahrscheinlich ins koma gefallen vor lauter frustsaufen.

    aber genau das ist es was wir eben lernen müssen. nüchtern bleiben wenn alles gut läuft ist "relativ" einfach. es aber zu bleiben wenn einem der himmel auf den kopf fällt ist dagegen schon eine herausforderung. ich weiß gar nicht ob ich mir da irgendwelche strategien zurecht gelegt habe damals. ich steckte ja bis über beide ohren in problemen die ich mit anhaltender abstinenz stück für stück abgebaut habe. ich bin im trocken werden an den problemen gewachsen und es ist irgendwie nebenbei passiert neue strategien im umgang mit katastrophen zu lernen.

    ich bin in den fast 23 jahren durch viele große und kleine katastrophen gegangen und ich erinner mich wirklich nicht das mir auch nur einmal der gedanke an alk gekommen wäre. ich bin so dankbar nicht mehr trinken zu müssen, ich weiß das nüchtern wege zu finden sind. besoffen stolpert man doch von einem loch ins nächste.

    was für mich eine sehr wichtige sache ist, ist das reden mit anderen wenn es brennt. geteiltes leid ist halbes leid. der spruch kommt nicht von ungefähr. ob ich hier im forum im geschützen bereich schreibe oder im realen leben mit jemandem rede, es nimmt den inneren druck raus. das ist schon die halbe miete. hier wissen ja auch alle wie man sich in solchen situationen fühlt, da muß man nichts großartig erklären, man wird aufgefangen und bekommt durchaus hilfreiche tipps. das schlimmste was man tun kann ist es in sich reinfressen.

    ich hab im geschützten da auch kein blatt vor den mund genommen. es mußte alles raus, die ganze katastrophe. schon das aufschreiben ist für mich ein ventil. damit fahre ich seit vielen jahre sehr gut. deswegen bin ich auch immer noch hier, das leben ist nun mal kein ponnyhof.

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

  • Das Thema kam ja quasi zufällig in meinem Faden hoch. Da konnte ich noch nicht wissen, dass quasi übermorgen eine Light-Version von psychischem Stress auf mich zukommt. So spielt das Leben.
    Gerade stecke ich in einer nicht alltäglichen Situation. Stress, Sorgen und ein Gefühl der Ohnmacht,
    da die lieben Schwiegereltern mit ihren Gebrechen andere Vorstellungen über ihre Zukunft haben.
    Von Katastrophe oder Schicksalsschlag kann keine Rede sein.

    Früher haben mich solche Vorfälle enorm gestresst mit einem Gefühl der Überforderung.
    Es war mir alles schnell zuviel. Das Lösungsmittel ist bekannt.

    Heute habe ich gespürt, wie ich immer unruhiger wurde, aber ich war klar im Kopf, ich konnte trotzdem ruhig überlegen, was zu tun möglich ist und danach handeln. Ich konnte ruhige, sachliche Gespräche mit meiner Schwiegermutter führen.
    Früher hätte ich die nächste Gelegenheit genutzt um mich mit Alkohol handlungsfähig zu trinken.
    Ich habe immer wieder in mich reingehört, trotz des ganzen Tohuwabohu. Viel Wasser getrunken ( war heute sowieso wichtig) und mal raus aus der Situation ins Nebenzimmer. Ich war aufmerksam bei mir und das Beste war,
    es hat sich sau gut angefühlt.

    Die Unruhe blieb zwar auf niedrigem Level, fühlte sich ähnlich an, wie aufkommende Entzugserscheinungen, aber …..nix aber. Es war da und ich habe es da gelassen. Es war ja auch eine Situation in der man schon mal unruhig sein kann.

    Da habe ich an die Diskussion in meinem Faden gedacht. Sätze wie „nie an Alkohol gedacht“ oder „keine Option“ schienen mir doch die logische Konsequenz von rationalem Denken zu sein. Aber funktioniert das auch bei Schicksalsschlägen?
    Kann ich da noch rational denken und die notwendigen Schlüsse ziehen, wie „keine Option“?

    Ich habe heute nicht an Alkohol zur Beruhigung gedacht. Es war einfach klar, keine Option (!) und da war kein rationales Denken vor geschaltet.

    Kann ich mich präventiv auf richtige Schicksalsschläge vorbereiten ?
    Mit Radio Eriwan geantwortet: „Im Prinzip ja, aber das machst Du schon präventiv, durch Deine Trockenheitsarbeit, durch Deine Achtsamkeit, durch Deine Reflektion“.
    Ich denke so war es heute. Das was ich erlebt und gefühlt habe war eben genau das Ergebnis von 6 Monaten intensiver Nachsorge.


    Der Faktor Zeit, die Dauer der anhaltenden Nachsorge , könnte ein Risiko bei Schicksalschlägen sein.
    Es ist sicher ein Unterschied, ob ich ein traumatisches Ereignis als Alkoholiker nach 3 Monaten Abstinenz abstinent verarbeiten kann oder nach 3 Jahren.
    Daraus folgt, über meine tägliche Trockenarbeit hinaus, wenn ich sie den gewissenhaft und richtig mache, kann ich nicht viel mehr tun. Das wiederum heißt, mach Dich nicht verrückt mit Eventualitäten.
    Sie kommen wie sie wollen und wann sie wollen. Investiere Deine Energie vielmehr in deine Trockenarbeit und deine innere Haltung zur Abstinenz und das richtig gemacht, kommt der Rest von ganz alleine.

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    - abstinent seit 6.01.2024 -

  • Es ist sicher ein Unterschied, ob ich ein traumatisches Ereignis als Alkoholiker nach 3 Monaten Abstinenz abstinent verarbeiten kann oder nach 3 Jahren.

    Und genau darum geht es mir. Mit gerade mal beinahe 5 Monaten Abstinenz ist man noch sehr unsicher über das was kommen mag. Du hast wahrscheinlich die meisten Situationen schon erlebt, die einem widerfahren können. Wie wird es auf der ersten Party sein, wie wenn jemand einem das erste mal zum trinken überreden will, wie wenn man versehen man Schicksalsschläge sind dabei ein besonders sensibles Thema.

  • Die Lebenssituationen, die mich treffen, unterscheiden sich nicht von denen in nassen Zeiten, sei es bei guten oder schlechten Momenten. Sie bleiben unverändert, unabhängig davon, ob ich trinke oder nicht.

    Das Entwickeln von Strategien für bestimmte Situationen würde bedeuten, dass ich die Sucht unter gewissen Umständen kontrollieren könnte. Wäre das nicht eine Hintertür, die ich öffne, indem ich mir unbewusst ein Szenario schaffe, wieder saufen zu müssen? Oder es Situationen, die es rechtfertigen?

    Meine Strategie ist die tägliche Trockenarbeit, anlehnend an den Grundbausteinen. In emotionalen Ausnahmesituationen wende ich schon mal die alte Methode an: "Heute trinke ich nicht." Manchmal muss man einfach durchhalten. Das waren mal die kalten, trockenen Fakten.;)

    Nun hatte ich in den letzten 17 Jahren einiges zu verkraften, aber bei keinem Schicksalsschlag kam mir in den Sinn, etwas trinken zu müssen.

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!


  • Sie kommen wie sie wollen und wann sie wollen. Investiere Deine Energie vielmehr in deine Trockenarbeit und deine innere Haltung zur Abstinenz und das richtig gemacht, kommt der Rest von ganz alleine.

    gut erkannt, genau so ist es, dafür sind wir hier. um zu lernen mit dem leben klar zu kommen ohne zu saufen.

    Kopffuessler natürlich spielt auch die zeit eine rolle. aber eben auch die einstellung zu unserer krankheit. wenn ich trocken werden will, wenn ich hier bin weil ich hier sein will und nicht weil mein partner chef oder sonst wer mich drängt, wenn ich verstehen will das ich die dinge verändern muß, wenn ich verstehen will das ich anfangs zb partys meiden muß. das sind grundlegende dinge. wenn ich das kapiere und auch für mich als strategie annehme bin ich nach paar wochen durchaus weiter als jemand der all das nicht wahr haben will und mit der faust in der tasche rumrennt.

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

  • Hallo Zusammen,

    bei mir war die Angst bei einem Schicksalsschlag den Boden unter den Füßen zu verlieren, ein Hauptgrund mit der Sauferei aufzuhören. Ich hatte noch alle Bälle in der Luft, noch stand mein Kartenhaus, aber mir wurde klar, dass das alles schnell auseinander brechen kann. Ich hatte Angst bei einem Schicksalsschlag total in den Alkoholismus abzugleiten. Nüchtern hat man viel besseres Werkzeug zur Hand und schwächt sich nicht selbst noch zusätzlich. Also ich möchte den Unbilden des Lebens mit klarem Kopf entgegen treten. Außerdem hat so die Problem Verschieberitis ein Ende.

    Liebe Grüße Rina

  • Wie wird es auf der ersten Party sein, wie wenn jemand einem das erste mal zum trinken überreden will

    Auf das Szenario "Party" kann ich mich doch gedanklich darauf vorbereiten und das durchspielen.
    Wir haben genau ein solches Szenario (jemand will mich zum trinken animieren) in der Gruppe im Rollenspiel geübt.
    War sehr interessant, wie unterschiedlich die Rollenspiele gestaltet wurden und wie sie ausgegangen sind.
    Bei manchen war ich mir nicht sicher, ob sie schon widerstanden hätten.

    Momentan gehe ich auf keine Parties oder Feste, wo der Alkohol im Mittelpunkt steht.
    Bei Events, wo Alkohol zwar angeboten wird, aber nicht Mittel zum Zweck ist, überlege ich, ob ich es möchte und ob mir der Event es wert ist.
    Dann habe ich einen Plan, falls ich aus der Situation raus muss und der ist mit meiner Frau abgesprochen.
    Auch bin ich immer in der Lage, mich unabhängig nach Hause zu bringen. Habe ich hier gelernt :)

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    - abstinent seit 6.01.2024 -

  • Dann habe ich einen Plan, falls ich aus der Situation raus muss und der ist mit meiner Frau abgesprochen.

    Ich bin ein Fan der einfachen Pläne.

    Morgen ist großes Betriebsfest. Ich gehe hin und esse und rede.

    Wenn es "unangenehm" wird gehe ich.

    "Du gehst schon?"

    "Ja"

    "Aber wieso denn?"

    "Weil ich es will."

    Und bei "Bleib doch noch" oder "nur noch ein bisschen" oder "vielleicht erst noch dies, oder das".

    Einfache Antwort "nein".

    Das bietet keine Angriffsfläche. Oder Möglichkeit zum Überreden. Was will man zu "nein" sagen, außer "doch".

    Und das machen Dreijährige. ;)

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