Verharmlosung des Alkoholismus durch Angehörige

  • Hallo zusammen,

    ich möchte ein Thema ansprechen, welches mich betrifft - vielleicht betrifft es ja auch jemanden von Euch? Und zwar geht es um meine Alkoholsucht und die Verharmlosung dieser durch meinen Vater. Er fragte mich gestern, wie meine Laborwerte (insbesondere Leberwerte) gewesen wären. Die waren ja alle in Ordnung. Dann habe ich auch einmal erzählt, was, wieviel und wie oft ich getrunken habe.

    Da kam dann ganz trocken die Aussage: "Du hast ja keine harten Sachen getrunken, Deine Blutwerte sind in Ordnung. Dann bist Du auch keine Alkoholikerin."

    Das ist -laut Aussage meiner Mutter- typisch für meinen Vater. Er hat auch all die Jahre meine psychischen Erkrankungen (und die damit verbundenen Klinikaufenthalte) nie als Krankheit akzeptiert. Wie soll ich damit umgehen? Soll ich überhaupt versuchen, ihm das klar zu machen?

    Falls es das Thema schon gibt, entschuldige ich mich im voraus dafür, ein neues angelegt zu haben...

    Liebe Grüße

    Izzy

  • Hallo Izzy,

    ich bin keine Alkoholikerin, sondern EKA, kenne aber die Bagatellisierung von Krankheit. Deshalb erlaube ich mir, Dir zu antworten.

    Ich glaube, da hilft nur Distanzierung, wirklich resolute Abgrenzung am besten in freundlichem Ton, ruhig und entschieden.

    Lass Dich da auf keinerlei Diskussionen ein!

    Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es nichts bringt, sich zu erklären. Im Gegenteil, es schwächt die eigene Position. Mir jedenfalls geht es besser, seit ich das lasse, und das gilft nicht nur in diesem gesundheitlichen Bereich, sondern in vielen anderen Bereichen: Man muss sich nicht dauernd erklären und rechtfertigen!

    Ich habe seit der frühen Kindheit schwere Mirgäne und eine weitere chronische Krankheit, die viele Schmerzen macht. Dieses Kleinreden und Ignorieren durch meine Mutter war sehr schädlich für mich. Es hat lange gedauert, bis ich mir als Erwachsene medizinische Hilfe für mich organisieren konnte. Ich hatte ja gelernt, dass das alles nicht so schlimm und nicht der Rede wert sei. Unter anderem wegen dieser fortdauernden Verharmlosung hatte ich vor vielen Jahren und für lange Zeit den Kontakt zu meiner Mutter ganz abgebrochen.

    Meine Mutter ist Alkoholikerin, doch denke ich, dass dieses Verharmlosen nicht an ihrer Alkoholkrankheit liegt, sondern in ihrer Persönlichkeit bergündet ist.

    Auch die Selbstüberschätzung, von der Du bei Deinem Vater berichtest, das Abfragen von irgendwelchen Symptomen, Behandlungen oder Werten, kenne ich. Meine Mutter macht das heute noch. Doch ich lasse mich nicht mehr darauf ein. Ich sage dann so etwas wie: danke, dass Du Dir Gedanken machst, aber ich habe sehr guten ärztlichen Beistand und ich vertraue dem Urteil meiner Ärzte.

    Es macht mich wirklich sauer, wenn ich Deinen Bericht lese. Ich kann das Bedürfnis, die Krankheit zu erklären, und so Verständnis für Dich und Deine Situation zu erhalten, sehr gut nachvollziehen. Ich denke aber, dass es bei Deinem Vater aussichtslos ist.

    Ich habe in den letzten Jahren gelernt, mich an Menschen zu halten, die mich in meinen Belangen, Sorgen und Nöten ernst nehmen und mir wohlgesonnen sind. Auf die Meinungen von anderen lasse ich mich nicht mehr ein.

    Alles Gute für Dich!
    LG Siri

  • Hallo izzy

    Die nicht selbst betroffenen haben eben keine Ahnung von der Alkoholkrankheit.ich selbst stecke sie in die Kategorie der Nichtwissen den.woher sollen sie es auch wissen.sie haben ihre Schubladen in die sie einordnen.

    Wer besoffen unterm Tisch liegt oder im Park ist Alkoholiker,wer seiner Arbeit nachgeht und nicht auffällig ist eben nicht.fertig.

    Mach erstmal deine Reha, später siehst du es entspannter.

    Dann könnte ich dir ein paar Tipps geben wie man ,aber auch nur vielleicht,den unwissenden ihren Horizont etwas erweitert.

    Ein Schritt nach dem anderen

    LG Bolle

    Der Weg ist das Ziel(Konfuzius)

    Seit 1.1.2014 trocken

  • Und zwar geht es um meine Alkoholsucht und die Verharmlosung dieser durch meinen Vater. Er fragte mich gestern, wie meine Laborwerte (insbesondere Leberwerte) gewesen wären. Die waren ja alle in Ordnung

    Jeder, der selbst zum Alkohol neigt oder das Bild des "Penners" auf der Straße mit einem Alkoholiker im Kopf hat , argumentiert aus einem Halbwissen heraus. Wenn das eigene Kind offenbart, dass es alkoholabhängig ist, beginnen Eltern oft , innerlich nach eigenen Fehlern zu suchen.

    Die Krankheit ist leider stigmatisiert, und das wird sich wohl nicht ändern. Ich muss niemanden von meiner Sucht überzeugen; ich muss nur dafür sorgen, dass sie gestoppt bleibt. Blutwerte sind lediglich nur ein Indiz und keine Diagnose, wie man auch bei allen anderen Krankheiten weiß.

    Verharmlosung und Verleugnen ist übrigens nichts, was der Alkoholiker in den ganzen nassen Jahren auch gemacht hat.

    Der Umgang damit ist schwierig, wenn starke emotionale Bindungen bestehen. Aus meiner Sicht gibt es nur eine Möglichkeit: zu akzeptieren, was ist, und zu akzeptieren, was der andere denkt. Ich muss niemand überzeugen.

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Soll ich überhaupt versuchen, ihm das klar zu machen?

    Ich würde sagen, nein.

    Er will und wird es wahrscheinlich auch nicht verstehen.

    Wichtig ist nur, dass Du es verstehst. Mir hat meine Expartnerin sogar vorgeschlagen, endlich mal wieder ein Bier zu trinken.

    Einmal Augen rollen und gut ist.

    Naja, ich habe es ja selbst Jahrelang nicht geglaubt. Wie kann ich es dann von jemand anderen erwarten?

  • Ganz genau, Izzy,

    bloß nicht über die Sucht duskutieren, das fördert womöglich noch eigene Suchtgdanken ("vielleicht war es ja wirklich noch nicht so schlimm, dann kann ich ja vielleicht doch irgendwann wieder ein bisschen ...?").

    DU trinkst nicht mehr, weil DU für DICH erkannt hast, dass Du es stoppen musst. DAS zählt, das muss niemand verstehen, aber jeder akzeptieren.

    Wie ist das bei Deinem Vater, trinkt er in Deiner Gegenwart, oder noch schlimmer, bietet er Dir was an?

    Wie geht es Dir gerade, wartest Du noch auf Deine Reha?

  • Wow, danke für die zahlreichen Antworten. Ja, ich denke auch, dass es keinen Sinn hat, ihm das irgendwie begreiflich zu machen. Meine Eltern trinken übrigens gar keinen Alkohol.
    Meine Reha hat heute begonnen, ich gewöhne mich gerade ein. Mir geht es soweit gut - bin froh, dass ich jetzt ein paar Wochen von zuhause weg bin. Danach werden ein paar große Änderungen anstehen, aber darüber mache ich mir Gedanken, wenn ich hier fertig bin.

    Liebe Grüße

  • Schön, Izzy, das hört sich doch gut an! Ich war auch erst Anfang des Jahres zur Entwöhnung in Reha, kannst ja mal bei mir gucken... Und bei Fragen und Unwohlsein immer hier melden. ... Nun komm erst mal in Ruhe an. Alles Gute!

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