Beiträge von mia2509

    Liebe Smilla,

    Das hast du toll hingekriegt, wow! Das war ein ganz wichtiger und sicher hilfreicher Schritt mit dem Pflegedienst - für euch alle! Ich hoffe wirklich, dass dir das ein wenig Erleichterung bringt und dir dabei hilft, dich etwas abzugrenzen von dem ganzen Leid, das zwar da ist, aber nicht dein Leid ist oder werden soll. Du und dein Vater, ihr seid verschiedene Menschen und jede:r von euch trägt selbst die Verantwortung für das eigene Leben. Du kannst und sollst nicht ausbaden, was dein Vater nicht mehr geschafft hat.

    Meine Mutter leidet übrigens auch unter einer alkohobedingten Polyneuropathie. Auch ein Grund weshalb sie so oft stürzt (neben der schweren Alkoholisierung). Gestern war ich mit ihr bei einer Entzugseinrichtung, um sie wieder einmal auf eine Warteliste setzen zu lassen, aber auf die kommt sie erst, wenn sie an mind. 2 Gruppensitzungen im Vorfeld teilgenommen hat. Ich hätte den Sozialarbeiter fast ausgelacht, als er uns das mitteilte. Ich hab versucht, ihm klar zu machen, dass sie das niemals schafft und sofort einen Entzug braucht, weil sie sonst nicht mehr lange leben wird. Aber seine Antwort war, man könne nur hoffen, dass sie bald einmal endlich in einem regulären Krankenhaus stationär aufgenommen wird und auf einer Psychiatrie einen Entzug machen kann. Sehr ernüchternde Wort, aber er hat wohl leider Recht...

    Ich hoffe, es läuft mit dem Pflegedienst alles gut an und drücke dir die Daumen!

    Liebe Smilla,

    Das klingt nach einem furchtbaren Tag für dich und ich hoffe sehr, dass du solche nicht mehr mitmachen musst. Es lässt sich wirklich so schwer voraussagen, wie lange ein Mensch so leben kann. Oft denke ich auch bei meiner Mutter, jetzt ist es bald so weit, und dann höre ich von der Pflegerin wieder, dass sie eigentlich keinen so schlechten Eindruck macht. Sie war halt immer sehr sportlich, hat gesund gelebt, kein Gramm Fett am Körper... das kommt ihr wohl jetzt zugute.

    Ich finde es gut, dass der Arzt Klartext geredet und gesagt hat, er gehört unbedingt in ein Pflegeheim. Oft ist es gut, wenn jemand von "außen" - und noch dazu ein Arzt - so etwas sagt. Auf mich hört meine Mutter schon lange nicht mehr.

    Bei uns ist es aktuell genauso, meine Mutter soll wieder in einer Entzugsklinik eingewiesen werden und währenddessen bemühen wir uns um einen Platz auf einer Warteliste in einem Pflegeheim. Aber alles geht sehr langsam vonstatten. Und dann habe ich natürlich auch das Problem, dass sie sowohl das eine als auch das andere ablehnt, weil sie das ja "nicht nötig hat". Aber dafür habe ich eben die Erwachsenenvertretung beantragt. Ich wurde hierzu sehr gut beraten und das wird bei dir hoffentlich auch so sein.

    Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft für alle schwierigen Aufgaben, die du gerade meistern musst! Vergiss trotzdem nicht, auch auf dich zu schauen. Wenn du das Gefüh hast, heute kann ich nicht mehr, dann lass es. Morgen und übermorgen gibt es auch noch und jeder Mensch braucht Verschnaufpausen - physisch und psychisch. Man kann das Unaufhaltbare nicht aufhalten.

    Liebe Smilla,

    Deine Geschichte hat mich sehr berührt, denn mir ergeht es ähnlich mit meiner Mutter. Sie war früher auch Marathonläuferin und wenn ich sie heute so sehe, kann ich mir das gar nicht mehr vorstellen. Sie war am vergangenen Wochenende zweimal wegen einer Alkoholintoxikation im KH, an das eine Mal kann sie sich nicht mal erinnern. Sie dürfte auf der Straße beim Alkohol einkaufen zusammengeklappt sein und ein Passant hat die Rettung gerufen. So etwas passiert mittlerweile ständig. Ihre Blutwerte sind eine Katastrophe, aber sie weigert sich weiterhin zum niedergelassenen Arzt zu gehen. In ihrer Wohnung sieht es genauso aus, wie du es von deinem Vater schreibst.

    Sie hat 5 Entzugsaufenthalte und unzählige Entzüge in "Eigenregie" hinter sich und trotzdem blickt sie noch auf andere Alkoholiker:innen hinab und sagt "So wie die bin ich sicher nicht!".

    Nach ihren Enkelkindern fragt sie schon lange nicht mehr, obwohl sie ihr früher so wichtig waren und sie eine stolze Oma war. So wie auch du muss ich ihr beim "Selbstmord auf Raten" zusehen und das beeinträchtigt mein Leben teilweise sehr. Auch ich habe tolle Kinder und einen super Partner, aber alles ist irgendwie immer überschattet von dieser Krankheit.

    Was ich dir raten kann: Ich weiß, es ist schwierig und es bricht einem das Herz, aber Distanz und Abgrenzung helfen. Ich muss mich selbst jeden Tag an der Nase nehmen und daran erinnern, weil ich sonst auch an der Krankheit meiner Mutter zugrunde gehe. Schlechtes Gewissen ist absolut nicht angebracht, denn so wie ich es herauslese, hast du alles gemacht, was in deiner "Macht" stand. Dir regelmäßig den Zustand deines Vaters und seiner Wohnung anzusehen, ist eine Zumutung. Mach es also nicht mehr, denn es ändert absolut nichts an seinem Zustand. Ich fahre mittlerweile auch nicht mehr zu meiner Mutter, weil ich es nicht ertrage und danach immer komplett fertig bin.

    Was mir geholfen hat, ist ein mobiler Pflegedienst. Ich konnte es so arrangieren, dass dreimal die Woche eine Pflegerin zu meiner Mutter kommt und nach dem Rechten sieht. Sie war es auch, die am Wochenende die Rettung verständigt hat. Sie putzt auch ein wenig und bezieht das Bett, denn meine Mutter verletzt sich ständig und blutet dann ihre Bettwäsche voll und kotet auch ein. Gibt es in eurer Umgebung auch eine Möglichkeit, so etwas in Anspruch zu nehmen? Es hilft mir jedenfalls enorm dabei, Distanz zu gewinnen.

    Ich habe auch Pflegegeld für sie beantragt, damit wir hoffentlich einen Platz in einem Pflegeheim bekommen, wenn die mobile Pflege nicht mehr ausreicht (es ist jetzt schon mehr als grenzwertig) und einen Antrag auf eine Erwachsenenvertretung gestellt. Dadurch kann ich - wenn es soweit ist - hoffentlich Dinge für sie entscheiden, die dringend notwendig sind, sie selbst aber ablehnen würde (eben z.B. einen Heimplatz). Das sind allerdings Dinge, die hier in Österreich leider seeeeehr lange dauern und nicht von heute auf morgen geschehen. Man braucht also viel Geduld. Allein um einen Platz auf einer Warteliste zu bekommen, musste ich schon 3 Monate warten.

    Mein letzter Rat: Nimm für dich langsam Abschied von deinem Vater. Sag ihm (wenn auch nur in deinen Gedanken), dass er ein toller Papa war und dass du das nie vergessen wirst, aber den Alkoholiker kannst du nicht liebhaben, weil er dein Leben zerstört.

    Du bist nicht allein mit dieser Bürde, auch wenn es sich manchmal so anfühlt. Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft! Alles Liebe!

    Ich danke euch sehr für eure Antworten, die mir sehr helfen!

    Siri hat es auf den Punkt gebracht. Es ist der Alkohol, der es Deiner Mutter unmöglich macht, am Leben teilzunehmen. Für dieses Leben hat sie sich entschieden. Deine Familie kann dafür nicht in Haftung genommen werden.

    Das ist immer wieder ein Punkt, der mich stark beschäftigt: War es wirklich ihre Entscheidung, dieses Leben zu führen? Oder kann sie einfach nicht anders und ist damit ebenso "unschuldig" wie jemand, der z.B. an Krebs erkrankt ist? Sollte ich dann nicht wohlwollend, großzügig und verständnisvoll bleiben, wie ich es auch bei einer organischen Krankheit wäre? Ist sie machtlos gegenüber der Sucht oder gibt es wirklich noch so etwas wie eine freie Entscheidung bei Alkoholiker:innen im Endstadium, wie meiner Mutter?

    Diese Frage lässt mir oft keine Ruhe.

    Dann soll ich also neben einer Geburtstagsfeier für meinen Sohn auch noch einen Brunch für sie ausrichten? Also mit ihr brunchen, während ich eigentlich alles für die Sause am Nachmittag vorbereiten sollte? Da passe ich mich ja total an sie an, anstatt auf meine Bedürfnisse zu schauen. Muss man als Angehörige wirklich alles so gestalten, dass es am Ende für die Akkoholkranken passt, aber für einen selbst nicht? Wenn sie dann dasitzt, nach Alkohol riecht und immer nervöser und fahriger wird, zieht mich das so runter und ich kann den Rest des Tages nicht genießen. Alles dreht sich dann wieder um sie, und nicht um meinen Sohn, das Geburtstagskind.

    Meine Mutter hat 2 jüngere Geschwister samt Partner:innen, viele Nichten und Neffen, fünf Enkelkinder und eben auch noch eine Mutter. Also eigentlich eine große Familie, nur mag man nicht gern über "ungute" Themen reden.

    Ich selbst habe auch eine Schwester und wir unterstützen uns sehr in dieser schwierigen Situation. Ohne sie wäre es unerträglich.

    Hallo,

    Eine Sache stellt mich regelmäßig vor eine große Herausforderung: Wie gehe ich mit meiner alkoholkranken Mutter um, wenn eine Familienfeier ansteht? Aktuell ist es der Geburtstag meines Sohnes: Natürlich würde er sich freuen, seine Oma bei seiner Geburtstagsfeier zu sehen. Aber seine Oma ist eben schwere Alkoholikerin und hat nicht mal gefragt, was eigentlich geplant ist und ob er sich etwas von ihr wünscht. Würde ich sie einladen, würde sie wohl mit leeren Händen kommen und nach kurzer Zeit mit einer fadenscheinigen Ausrede wieder verschwinden, um sich ins Delirium zu trinken. Das würde mich furchtbar ärgern an diesem Freudentag meines Sohnes, der für das alles nichts kann und sich nur eine gesunde Oma wünscht. Wenn ich sie aber nicht einlade, habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich sie gar nicht mehr in die Familie einbinde. Ich weiß nicht, was ich tun soll und so geht es mir mittlerweile bei jedem Fest. ?(

    Hallo Siri,

    Danke für deine Nachricht! Eigentlich sollte dreimal die Woche eine mobile Pflegerin zu ihr kommen, aber meine Mutter sagt regelmäßig telefonisch ab, schickt das Personal an der Tür wieder fort oder ist einfach nicht zu Hause, weil sie gerade Nachschub besorgt und durch die Stadt torkelt. Der Pflegedienst sagt mir dann, dass ihnen die Hände gebunden sind, wenn die Patientin nicht kooperiert. Trotzdem ruft mich meine Mutter dann an und will, dass ich die Bettwäsche frisch beziehe und die Wäsche wasche, weil sie wieder mal eingekotet hat. Vor den Pflegerinnen ist ihr das unangenehm, vor mir aber nicht. Und weil ich sie nicht in ihrem Kot schlafen lassen möchte, fahre ich doch wieder hin und mache es. Ich fühle mich sonst schlecht und wenn meine Oma, also die Mutter meiner Mutter, oder ihre Geschwister und andere Verwandte davon hören würden, dann würden sicherlich Vorwürfe auf mich niederprasseln. Das halte ich nicht aus und aus Angst davor funktioniere ich weiter. Die meisten meiner Verwandten wollen nicht sehen, wie schlimm es mit meiner Mutter ist, und beschwichtigen. "Das eine mal wirst du ja ihre Wäsche waschen können, sie ist doch schließlich deine Mama. Das kann doch mal passieren", würden sie auf jeden Fall sagen. Es ist aber schon so oft "passiert". Früher konnte sie noch selbst sauber machen, aber heute ist sie einfach zu dicht. Sie kann auch keine Rechnungen mehr überweisen, geht zu keinen Ärzt:innen mehr, geschweige denn zur Therapie oder einer Suchteinrichtung. Selbst wenn ich sie "an der Hand nehme" und wie ein kleines Kind überall hinbringe und begleite, ändert es nichts. Ich weiß, sie wird an dieser schrecklichen Krankheit sterben, aber davor fürchte ich mich gar nicht mehr. Sondern davor, dass alle sagen werden: "Warum hast du dich nicht/zu wenig gekümmert?"

    Hallo,

    Ich bin die Tochter einer schwer alkoholkranken Mutter (70) und suche Austausch mit Menschen, die ähnliches wie ich durchleben mussten bzw. müssen. Ich selbst bin schon lange erwachsen und habe eine eigene Familie gegründet. In den letzten Jahren hat sich mein Leben viel darum gedreht, ihr bei den unzähligen kalten und stationären Entzügen zu helfen, sie zu Ärzten zu begleiten oder vom Krankenhaus abzuholen (weil sie so viele Unfälle und andere Folgeschäden der Alkoholisierung hatte), sie zu besuchen, um sie vor der Vereinsamung zu bewahren, mobile Pflege zu organisieren usw. Mittlerweile kann ich einfach nicht mehr und sie will sich auch nicht mehr helfen lassen. Ich frage mich oft, ob ich mich jetzt, wo es ihr so schlecht geht wie noch nie, von ihr abwenden "darf". Wäre sie an Krebs oder so erkrankt, würde ich sie ja auch nicht im Stich lassen und sie unterstützen. Ich fürchte mich sehr davor, als "schlechte, egoistische Tochter" abgestempelt zu werden.