Beiträge von marie-ann

    hallo zusammen,

    die umstände ändern sich immer so schnell bei meinem vater. ich schreib einfach mal drauflos...

    seit knapp zwei wochen ist er wohl wieder trocken und es geht ihm ganz gut. er hat mich letzte woche angerufen, um sich mal zu melden. meinte "damit du dir keine sorgen machen musst", aber ich habe gesagt, dass ich das nicht wirklich tue. damit meine ich, dass ich selbst weiss, wie schnell er vom trockenen in den nassen zustand wechselt und dass er schon genau weiss, was er da tut. ich war nett zu ihm und das gespräch ging auch nur ein paar minuten. er hat sogar gefragt, wie es mir geht und was die schwangerschaft macht! :D da hab ich mich schon gefreut.

    trotzdem rufe ich ihn selbst lieber noch nicht wieder an. ich weiss nicht, wie es mir gehen würde, wenn er jetzt wieder vollkommen besoffen den hörer abnimmt. damit fahre ich momentan besser.

    wie haltet ihr das genau? ruft ihr an? legt ihr schnell wieder auf, wenn ihr einen doofen moment erwischt habt?

    liebe grüße erstmal
    marie-ann

    hallo skye,

    vielen dank für deine nachricht und das spiegel-vorhalten! :idea:
    grade heute in der mittagspause habe ich im gespräch mit meinem freund auch wieder gemerkt, dass ich vieles nur tue, in der hoffnung, er hört auf zu trinken.

    einiges ist schon angekommen, was mir hier bisher geraten und geschrieben wurde, so hatte ich vorher auch trotz des trinkens viel kontakt zu meinem vater, habe "kontrollanrufe und -besuche" gemacht, um zu gucken, wie es gerade um ihn steht, für ihn aufgeräumt und manchmal gekocht. da bin ich schon stolz, das ich das nicht mehr mache und es geht mir dadurch ja auch besser als vorher.

    dass ich allerdings in meinem verhalten hauptsächlich für ihn handle, in der hoffnung, er hört auf zu trinken, war mit bisher nicht klar.

    Zitat

    Dein Ziel sollte sein, Dein Kind vor Deinem trinkenden Vater zu schützen und nicht für den Versuch zu benutzen, Deinen Vater trocken zu zwingen.

    du hast vollkommen recht. ich finde es nur wahnsinnig hart, gerade in dieser zeit - ich hoffe, ihr könnt das nachvollziehen. ich bin einfach absolut hormongesteuert melancholisch schwanger gerade. natürlich hast du absolut recht. ich weiss das auch. aber wenn ich meine ruhigen momente mit mir habe, landen meine gedanken bei meinem vater.

    Zitat

    Du bist nicht von Deinem Tun, dem Nutzen für Dich überzeugt und willst immer noch die gute Tochter sein, die ihrem Vater helfen will.

    dieser satz stach mir direkt ins herz. ich arbeite dran.

    lg
    marie-ann

    hallo backmaus,

    das ist interessant, dass es bei dir keinen wirklichen grund gab. ich habe wie gesagt schon von vielen gehört, dass es wirklich einen bestimmten auslöser gab. dass zum beispiel der enkel gesagt hat: "iih, opa du stinkst nach schnaps!" oder solche sachen. abr jeder ist da verschieden, das ist mir auch klar.
    bei meinem vater ist es wie gesagt so, dass er sich immer mal wieder zwischendurch selbst entgiftet oder - wenn es ganz heftig ist - ins krankenhaus geht. aber auch dann plant er akribisch seinen entzug, indem er zuerst die dosis selbst etwas runterschraubt, damit er nicht mit zuviel promille dort ankommt. und auch wenn er mal trocken ist, behält er sein umfeld aber bei, trifft sich sonntags zum frühschoppen mit seinen kumpels, die gegen mittag dann schon vollkommen abgefüllt sind.
    ich wünschte einfach, er würde es wirklich selbst wollen, aber auch nach 15 jahren ist dies leider nicht der fall.

    lg

    hallo summerdream,

    Zitat

    dann musste wohl alkoholikerin "werden" Geschockt

    das ist wohl die einzige möglichkeit...

    mein vater hat auch nie wirklich die absicht gehabt, trocken zu werden. er war in den vielen jahren seiner sucht schon etliche male im krankenhaus sowie in der reha (ich glaube 4 bis 5 mal), seine längste trockenheitsphase ging glaub ich 9 monate. er lässt sich entgiften, sobald der körper zuviel bekommen hat und er eine "schlimme grippe" oder die berühmten "magen/darm probleme" bekommt. das kann mal nach tagen, mal nach monaten des exzesses sein.

    das mit dem baby und keinen kontakt werde ich auch machen, ich habe hoffnung, dass es ihm die augen öffnet, wenn das kleine da ist und er es nicht sehen darf.

    ich habe wie gesagt noch einen "kleinen" bruder, der nach wie vor immer wieder versucht, den kontakt zu halten und regelmässig bei ihm anruft, vorbei fährt und dabei auch in kauf nimmt, dass mein vater stockbesoffen ist.
    ich merke, dass er mit ach und krach eine art "beziehung" erhalten möchte. da er auch labile momente hat und sich das ganze auch physisch bermerkbar macht, mache ich mir sorgen, das er eines tages wieder zusammenbricht. ich habe ihn schon darauf angesprochen und er meinte, er könne selbst entscheiden, wann das mass voll sei.
    ursprünglich war seit kurz vor weihnachten aber geplant, dass wir definitiv an einem strang ziehen und uns BEIDE nicht mehr bei meinem vater melden. gar nicht mehr. damit er eben auch von beiden seiten merkt: ups, die melden sich beide gar nicht mehr - vielleicht sollte ich mich ändern, beziehungsweise kurzfristig mal wieder trocken werden.
    jetzt habe ich ein bisschen von erzählungen her den eindruck, ich bin die blöde und er ist der gute, weil er sich meldet und ich nicht. als mich mein vater im vergangenen jahr nach unserem letzten gespeäch noch einmal halbtrunken anrief und fragte, ob es mir schon besser ginge, habe ich erfahren, dass mein bruder ihm gesagt hat, er solle mich mal anrufen. er hat es also auch wieder nur auf anrat getan, was mich noch mehr verletzt hat.

    lg

    ja, das mache ich. ich habe auch keinen kontakt mehr zu ihm, seit ich ihm im november sagte, dass ich schwanger bin. einmal hat er noch nachgefragt, wie es mir geht und seitdem ruft er hier nicht mehr an.

    darf ich dich was fragen? was war der auslöser, dass du aufgehört hast zu trinken? war es ein bestimmtes plötzliches ereignis oder kam es eher langsam? ich habe nämlich schon einige dinge "probiert", die ich in selbsthilfegruppen von anderen gehört habe. das war zum einen, dass ich meinem vater gesagt habe, er sei asozial geworden (ist er auch, er hat kaum kontakte zur außenwelt) und jetzt aktuell habe ich gedacht, ich könnte wegen des babys was sagen. so von wegen: wenn du nicht aufhörst, wirst du es nicht kennenlernen. oder ist das blödsinnig?

    ja genau, so meinte ich das. in der vergangenheit hat er mir öfters mal die schuld daran gegeben, dass er wieder mit dem trinken angefangen hätte, weil ich a. irgendwas gesagt oder b. irgendwas gemacht habe. dann hat er gesagt: das habe den saufdruck vergrößert...

    Hallo caro und Backmaus,

    vielen dank für eure spontanen antworten!

    es stimmt, ich bin total sensibel gerade. das erste trimester war - wie bei vielen - nicht sehr angenehm und es ging mir nicht gut. ich habe tatsächlich insgeheim gehofft, dass der kontakt zu meinem vater mit meiner schwangerschaft besser wird. ich fand ja die antwort "na, mal schauen, ob ich das noch mit erlebe!" schon so heftig. ich hatte den eindruck, es dreht sich wieder mal alles um ihn. nicht, dass bei MIR was schiefgehen könnte in der schwangerschaft, nein, nur dass ER dann hoffentlich noch am leben wäre!
    ich möchte das baby auf keinem fall einem betrunkenen opa präsentieren. wie ich die situation einschätze, geht das ganze ereignis der geburt sowieso völlig an ihm vorbei. und das finde ich dann ja noch schlimmer, wenn ich darüber nachdenke! ich komm damit nicht klar.

    was denkt man denn in solchen momenten als alkoholiker, wenn die tochter schwanger ist und einem freudestrahlend das ultraschallbild hinlegt? wenn man opa wird? freut man sich ein bisschen? geht es einem am a**** vorbei? ich mache mir auch vorwürfe, dass er deswegen wieder angefangen hat zu trinken! vorher war er 8 wochen trocken. ich will das so gern nachvollziehen können! ist es gemein von mir wenn ich denke, das mein vater egoistisch ist?!

    lg

    hallo zusammen,

    tja und so kann sich das blatt auch wieder wenden...
    mein temporäres hoch, dass ich sachen für mich machen muss, schwindet zwischendurch immens.

    ich werde mal kurz 2008 reflektieren: nachdem mein vater also 12 wochen in reha war, war er ganze 2 wochen trocken, dann ging alles wieder von vorn los. ich hatte wenig bis keinen kontakt, hab ihn auch nicht mehr angerufen. im november dann - mein bruder hatte weiterhin kontakt zu ihm - sagte er mir, er sei gerade trocken. ich habe die gunst der stunde genutzt und bin hingefahren, da ich ihm sagen wollte, dass er opa wird. er war seit 8 wochen trocken, ich seit 8 wochen schwanger: was für ein zufall. als ich ihm sagte: "ich habe eine überraschung für dich, du wirst opa!" antwortete er: "na, mal schauen, ob ich das noch mit erlebe!"
    gut, ich muss zugeben, ich hätte mir eine andere antwort gewünscht, aber ich hatte zumindest das gefühl, jetzt freut er sich, jetzt arbeitet er an seinem zustand. wenige tage später hat er wieder angefangen zu trinken.
    weihnachten fiel ins wasser (wie fast jedes jahr) und jetzt habe ich auch seit ewigkeiten nichts mehr von ihm gehört, in diesem jahr noch gar nichts.
    das ist ein doofes gefühl. ich traue mich nicht anzurufen, er meldet sich nur noch bei meinem bruder, denn der macht noch ab und an was für ihn, besorgt etwas oder fährt mit ihm und der katze zum tierarzt. ich kann das nicht mehr. und fühl mich nicht gut dabei. ich würde das schwangerschaftsereignis so gern mit ihm teilen - wisst ihr was ich meine?

    lg
    marie-ann

    hallo summerdream,

    ach, es tut so gut zu hören, dass es bei anderen fast genauso abläuft!

    du hast recht: ich werde was für mich tun und ich werde auch nichts mehr darauf geben, was er im suff sagt. ändert sowieso nichts an der situation.
    ich frage mich wirklich, warum ich so viele jahre gebraucht habe, die situation so zu sehen.

    ich habe das gefühl, ich stand jahrelang hinter dem spiegel und konnte nichts sehen. und allein durch das lesen im forum und den austausch hier, konnte ich einfach ein paar schritte herumgehen und stehe jetzt direkt vor dem spiegel. weisst du, was ich meine? :roll:


    lg
    marie-ann

    Zitat

    Wo ist denn Deine Mutter noch für Dich da ausser in finanzieller Hinsicht? Kannst Du zu ihr gehen wenn Du Sorgen und Kummer hast, kann sie Dich auffangen?

    genau das meinte ich auch. ich hatte jahrelang irgendwie die illusion, dass mein vater uneingeschränkt für mich da ist. aber als ich dann mal reflektiert hatte, wann er NICHT für mich da sein konnte, wegen des alkohols - überwiegt diese seite doch. umzüge bei denen er helfen wollte, mein geburtstag, an dem er nicht mehr hochkam, weil er die nacht durchgemacht hatte - die liste ist schier endlos. mein bruder hat vor sechs monaten eine neue wohnung bezogen: denkst du, er war mal da? fehlanzeige!

    Zitat

    und ihr gott sei Dank jetziger Erxfreund hat ihr den Alkohol förmlich in den Rachen gekippt... dauernd Feste, dauernd Alkohol, die ganze Küche stand voller Flaschen mit Hochprozentigem. Meine Mutter war damals sehr schwach um Nein zu sagen. Dieser Ex hat noch viel mehr Mist angestellt in unserem Leben, heute sind wir ihn los.


    du gibst dem exfreund vielleicht die schuld daran, deine mutter an den alkohol gebracht zu haben. aber es ist ganz wichtig, dass du weisst: deine mutter hatte immer eine wahl. man kann immer ablehnen. sie hat sich aber entschieden, mitzutrinken und sie entscheidet sich jetzt auch weiterhin allein weiterzutrinken. wenn sie wirklich aus der misere raus möchte, könnte sie sich hilfe holen, eine therapie machen, zur selbsthilfegruppe gehen. überleg mal, wie oft man allgemein im alltag an alkohol "vorbei" muss: an der supermarktkasse, an riesigen plakaten und nicht zuletzt die werbung, in denen vitale, schöne menschen fleissig mit sprechenden hirschen trinken oder frauen im abendkleid dekadent am glas champagner nippen. da muss sie dann auch durch! du kannst ihr ja schlecht jedes mal die augen verbinden

    meine vater weiss beziehungsweise wusste auch immer, wo die selbsthilfegruppe sich trifft und wann. er hätte sich nur in den bus setzen müssen. beim sprit-besorgen hatte er dann aber die tollsten ideen: taxifahrer bestellen und den im nächsten dorf einkaufen lassen. selbst zu fuss ist er nachts los und hat sich was an der tanke besorgt - und das war ein seeehr langer fussmarsch.

    Zitat

    Schäbig hab ich mich gefühlt, richtig schäbig. Lügen zu müssen, nicht zu dem stehen zu können, was die Mutter hat. Aber ich hätte es ja schlecht erzählen können. Meine Mum will unbedingt, dass es niemand weiß! Traurig

    :wink:
    natürlich will sie es nicht. es ist ihr unangenehm. aber ich würde nicht mehr für sie lügen an deiner stelle. damit deckst du sie ja noch. du machst ihr unbewusst damit den weg frei, räumst eventuell unangenehme fragen anderer aus dem weg und gibst den weg frei für alkohol.
    bei mir ist es was anderes, die umgebung (nachbarn, freunde...) wissen von der sucht meines vaters. aber ich habe immernoch manchmal die situation, dass ich angesprochen werde von nachbarn, ich soll doch endlich mal was machen, ich bin die tochter und müsste ihn doch mal wegbringen oder irgendwas. ich erkläre ihnen dann, dass er es selbst nicht anders möchte und dass ihm niemand helfen kann außer er selbst. natürlich fühle ich mich danach auch mies, ich kann da auch nicht vollkommen cool bleiben, das haut mich auch noch manchmal um. aber es IST tatsache.

    vor ein paar jahren habe ich in mühevoller kleinarbeit die ganzen pullen zusammengesucht und ausgekippt, alles abgesucht (die verstecke waren der absolute oberkracher) usw. aber es hat rein gar nichts gebracht. denn er ist nachdem ich weg war sofort los und hat sich neuen stoff besorgt.

    ich kann dich wirklich sehr gut verstehen. es ist verdammt schwer und ich habe auch ganz lange gebraucht, viele, viele jahre, um das so zu sehen.

    lg
    marie-ann

    hallo bess,

    skye hat es absolut auf den punkt gebracht.

    ich kann nachvollziehen, dass es dir komisch vorkommt (und mies), dass abstand zu deiner mutter wirklich das beste ist.

    du musst dir aber klarmachen, dass du deiner mutter überhaupt nicht helfen kannst mit ihrem alkoholproblem. das kann wirklich nur sie selbst. und damit DU nicht auch noch daran zerbrichst, ist es wichtig, dass du dinge für dich tust. du schreibst, dass sie dich braucht. welche situationen meinst du da genau? wenn du sagst, sie ist deine beste freundin - wann zeigt sie dir das denn?

    marie-ann

    hallo skye,

    vielen dank für deine antwort!

    ich wollte meinen vater auch nicht in die ecke drängen mit dem vorschlag zu einem gemeinsamen gespräch mit der therapeutin. es gab bisher seit seinem absturz auch keine gelegenheit für mich, ihm zu sagen, was mich verletzt hat. er hat bis zum letzten augenblick gesoffen und war nie nüchtern, er ist da mit dem zug mit 2,8 promille angekommen.

    das war aber auch die ganzen jahre über so und deswegen hatte ich jetzt aktuell das bedürfnis, mit ihm unter aufsicht zu sprechen. ich dachte, dass es gut wäre für ihn, wenn wir alle einmal zusammensitzen würden, jetzt, wo er dort leute um sich hat mit denselben problemen, um gewisse situationen einmal zu erörtern. ich habe das auch eher als hand-ausstrecken gesehen und nicht als vorwürfe-machen... wenn man ihn mal auf dinge hingewiesen hat, die im suff gesagt wurden, hat er immer nur gesagt: ach das, vergiss das einfach wieder, okay? ich habe das gefühl, dass er seine situation wieder einmal runterspielt. zum einen ist er da unter alkoholikern, zum anderen hat er aber offiziell kein richtiges problem. aussagen wie "ich hätte ja neulich ein bier beim essen trinken können, das hätte ja nichts ausgemacht." sind für mich das beste beispiel dafür.

    du hast recht. ich hätte das mit der familientherapie aber einfach anders angehen und formulieren sollen. ich habe vielleicht innerlich auf eine lüge gelauert und mich deswegen dumm gestellt und gefragt, was er denn da jetzt rausbekommen konnte, ob so etwas angeboten wird. ich hätte ihm erzählen sollen, dass ich mit der therapeutin schon telefoniert hatte. ich handle oftmals noch viel zu schnell, was das betrifft.

    was mich daran aktuell so wütend macht ist jedoch, dass es seine ständige entschuldigung ist. seine sauferei. es ist ja fast schon wie eine behinderung, die dann greift, wenn er anderen weh getan und bockmist gebaut hat. "ich hab dir weh getan? das habe ich gesagt? vergiss es einfach."

    marie-ann

    hallo summerdream,

    vielen dank für deine antwort!

    ich denke auch, dass mein vater noch lange lange nicht stabil ist. es ist ja auch schon seine dritte langzeittherapie in sechs jahren und er hatte ja zahlreiche zwischenzeitliche rückfälle, die dann im krankenhaus "kuriert" wurden.

    momentan wird mir durch diverse sprüche am telefon ("ich war letztens hier in der stadt allein essen und da hätte ich ja auch ein bierchen trinken können; das wäre ja nicht schlimm gewesen") nur eben klar, dass er die ganze sache wiedereinmal nicht ernst genug nimmt und deswegen hatte ich an so ein gespräch unter therapeutenaufsicht gedacht. aber gut, klar akzeptiere ich, dass er es nicht möchte.

    ich habe heute bei einem zweistündigen spaziergang mit meinem freund, der sich auch sehr mit meinem vater beschäftigt, gemerkt, dass mein dad mittlerweile sehr berechnend bei der ganzen sache geworden ist.

    entgiftungen im krankenhaus werden haargenau geplant, das heisst, er kommt bewusst zwei/drei tage vorher langsam mit seiner dosis runter, um ein bisschen vorzusorgen. er erzählt mir am telefon, das er genau weiss, welchen therapeuten er was sagen muss, damit sie ihn in ruhe lassen etc.

    dasselbe gilt auch für hilfe von uns (meinem bruder, meinem freund und mir) im garten/ am haus. muss dringend etwas erledigt werden, dann hält er sich für die tage zurück, hilft ein bisschen mit und wenn alles erledigt ist, legt er mit dem trinken erstmal richtig los.

    wie verhalte ich mich aber bei "temporären" trockenheitsphasen? ist es für ihn vielleicht besser, wenn er viel mehr auf sich gestellt wird, damit er merkt, dass man in allen facetten des lebens für sich allein sorgen muss? dass ich ihm nicht sachen einkaufe oder katzenfutter besorge (führerschein hat er schon lange nicht mehr) oder wir drei ihm in seinem garten helfen, dieses mega-chaos irgendwie in den griff zu bekommen?

    lg
    marie-ann

    hallo bess,

    ich weiss, es ist immer leicht gesagt und schwer zu realisieren, aber du musst versuchen, ein bisschen abstand zu deiner mutter zu bekommen. ich kann deine enttäuschung über ihren rückfall nach einem halben "trockenen" jahr nachvollziehen. für mich ist damals auch eine welt zusammengebrochen, als mein vater nach fast neun monaten alkoholabstinenz plötzlich betrunken im garten stand und rasen gemäht hat (zumindest hat er das versucht), aus heiterem himmel!

    für uns nicht-süchtigen ist das schwer nachvollziehbar. man fragt sich, warum, was ihn/sie geärgert/getroffen haben könnte. aber das weiss nur deine mutter selbst und auch nur sie allein hat sich dazu entschieden, wieder zu trinken.

    mit abstand-nehmen meine ich, dass du dich mehr auf dich konzentrieren und besinnen solltest. jemand hier im forum hat mal geschrieben, dass man im grunde genommen selbst dafür verantwortlich ist, dass es einem wegen der trinkerei der mutter/des vaters schlecht geht. das hört sich zuerst sehr brutal an, aber es stimmt. du allein solltest bestimmen, inwieweit dich die sucht mit runter zieht und ob es dir deswegen schlecht gehen sollte. ich weiss, dass das ganz schwer ist am anfang. aber ich habe sehr lange darüber nachgedacht und bin nun zu dem entschluss gekommen (nach fast 15 jahren alkoholsucht meines vaters), dass mich das nicht mehr so sehr in meinem leben einschränkt, weil ich ohnehin nichts ändern kann. es ist seine alleinige entscheidung, so seine probleme zu lösen.

    hör auf deinen bauch und tue dir etwas gutes! versuch abzuschalten und nicht ständig deine gedanken um deine mutter kreisen zu lassen.
    ich hoffe du verstehst so ein bisschen, in welche richtung ich dich blicken lassen wollte...

    lg
    marie-ann

    hallo zusammen,

    ich lese schon seit längerer zeit hier in diesem forum und habe mich - obwohl und vielleicht weil meine geschichte vielen so gleicht - jetzt entschlossen, mich anzumelden. was ich bisher gelesen habe, hat mir unheimlich geholfen und ich habe mir manche beiträge sozusagen als "persönliches Mantra" abgespeichert, um sie mir immer wieder durchzulesen.

    ich bin 32 jahre alt. mein vater ist seit vielen jahren (ich würde jetzt mal behaupten etwa 15 jahre) alkoholiker. meine eltern leben seit dieser zeit getrennt. und obwohl meine mutter ebenfalls seit jahren regelmässig alkohol konsumiert, spielt der alkoholismus meines vaters für mich komischerweise eine größere rolle. richtig angefangen hat er, als das doppelleben mit seiner "zweiten familie", das bis er bis dato geführt, aufgeflogen war.

    er hat zahlreiche entzüge im krankenhaus hinter sich, seine längste abstinenz dauerte circa neun monate, liegt aber auch schon einige jahre zurück. aktuell ist er zum dritten mal in der reha, diesmal für 2 monate.

    ich muss dazu sagen, dass ich mich mit meinem vater recht gut verstehe, ich kann, wenn er nüchtern ist, klasse mit ihm reden. deswegen fällt es mir auch schwer, ihn komplett auf sich allein gestellt zu lassen. sprich: ich fahre zu ihm, ich räume auf, ich kaufe ein, ich gucke, ob und dass er isst.

    seit ich hier in diesem forum gelesen habe, lasse ich es. das war kurz vor weihnachten. ich habe freundlich, aber bestimmt, das gespräch beendet, wenn er mal angerufen hat und ich bin nicht mehr hingefahren. auch nicht an weihnachten.

    jetzt, in der reha, ist natürlich wieder alles in ordnung. ihm geht es gut, er hat zugenommen, freut sich auf zuhause und seinen garten (der seit jahren brach liegt).

    und ich weiss nicht, ob ihr es nachvollziehen könnt: aber ich werde mit jedem anruf wütender. klar freue ich mich, dass er wieder "oben" ist. aber ich weiss auch, dass er genau weiss, wem er was sagen muss, damit sie ihn in ruhe lassen.
    während seiner saufzeit hat er wieder so schlimme sachen gesagt, die mir weh getan haben, und davon wird nichts erwähnt. nichts. ich will keine entschuldigungen, ich weiss ja, dass das der "andere" vater ist, der mich im suff beschimpft und gemeine dinge sagt, aber ich will, dass er das weiss. es wird immer unter den teppich gekehrt. jedes mal.

    ich habe ihm angeboten, das mein bruder (5 jahre jünger als ich) und ich gemeinsam so eine art familiensprechstunde machen könnten (wir haben so etwas in den ganzen jahren nie gemacht) und hatte dazu extra mal seine therapeutin angerufen (die ich natürlich um diskretion gebeten habe). sie meinte aber, das müsse von ihm selbst kommen, er muss auf sie zukommen, von ihr aus wäre das aber okay und sie würde es machen. daraufhin habe ich ihm eine sms geschrieben: mensch, frag doch mal nach, wie sieht es mal aus mit so einer stunde. und wisst ihr was er mir vorgestern am telefon gesagt hat?
    "du ich hab nachgefragt, aber die bieten hier sowas leider nicht mehr an!"

    und weil man ihn ja mit samthandschuhen anfässt, habe ich ihn ganz freundlich, nachdem ich den hörer vor wut fast in meiner hand zerquetscht hätte, nach geschlagenen zehn minuten weiterem small talk damit konfrontiert: "du, ich hab aber mit deiner therapeutin gesprochen - äh - das kann aber nicht sein - äh - sie hat es mir aber anders gesagt." naja, er hat dann behauptet, er habe gesagt, die bieten das ja nicht mehr in DER form wie vor sechs jahren an. blablabla...

    kennt ihr das? man würde am liebsten in den hörer brüllen, stattdessen hört man sich ruhig sagen "gut, papa, also dann! bis bald, ne? tschüüs!" und wenn ich aufgelegt habe, werde ich plötzlich super müde und möchte mich am liebsten schlafen legen...

    aktuell, in der reha, sieht er seine krankheit als krankheit an und auch, dass er ein problem hat. sonst tut er das aber nicht. in den ganzen jahren sieht er nicht die notwendigkeit, dass ein alkoholiker keine alkoholhaltigen pralinen mehr essen darf oder dass das kleine bier zum fußball-gucken doch vielleicht zur rum-mit-cola-mische führen könnte. er sieht es als "urlaub" an. 8 wochen wird er bekocht, lernt ein paar nette leute kennen und kommt dann gesund und "trocken" mit super leberwerten wieder heim. (wenn ich schon den satz höre: "der arzt hat auch gesagt, dass die leber noch toll arbeitet und es da gar keine schäden gibt!" könnt ich schon wieder an die decke gehen) das hört sich für mich nämlich danach an: "juchu! ich kann dann ja wieder getrost weitersaufen!"

    jetzt an diesem osterwochenende ist er für zwei tage bei sich zuhause und hat sich heute dann auch nochmal wegen der familientherapie telefonisch gemeldet. er möchte nicht mit meinem bruder und mir zusammensitzen. er meinte: "alte kamellen aufwärmen ist für mich sehr gefährlich." ich bin darüber sehr ärgerlich muss ich sagen. denn alles, was ich wollte, ist vielleicht auch mal von der therapeutin in seinem beisein hören, was wir machen sollen, wenn er denn mal wieder rückfällig wird. klar, ich kann auch hier mal in eine selbsthilfegruppe gehen (war ich auch schon), aber ich wollte eben, dass ER es auch mal mitbekommt. dass ER sich damit auch mal beschäftigt.

    was meint ihr? ist das egoistisch von mir? bösartig? was ist mit den "alten kamellen" (die übrigens gerade mal einen monat alt sind) - soll man die wegstecken und nicht mehr darüber reden? wie regelt ihr das?


    lg
    marie-ann