Beiträge von gatita

    Genau!

    Das klingt nach einer sehr gesunden Einstellung! Ist es dir eigentlich auch so ergangen, dass dieser Neid auf die Menschen mit glücklicher Beziehung dir während der Beziehung gekommen ist? Also ich war extrem neidisch auf alle rundherum, die liebevoll miteinander umgegangen sind. Da hatte ich ein extremes Defizit. Ich hätte bei jedem händchenhaltenden Paar dazuheulen können.

    Jetzt, wo ich wieder Single bin, kann ich mir das locker anschaun, mich für die Leute freuen und hab überhaupt kein Problem mehr damit.
    Hmmm und dann kommt eben noch der Umstand, dass sich EKs das Glücklichsein ja verbieten und gleichzeitig sich nach dem Glück so sehnen. Diesen Mechanismus hab ich noch nicht so richtig durchschaut, er klingt so absurd, ist aber in der Praxis einfach da.

    Du - schau auf dich, pfleg dich, heile dich. Ich glaube, nein sagen ist so ein wichtiger Anfang und für uns so schwer zu lernen. Keiner hat behauptet, dass es ein Spaziergang wird. Aber aktive Wut und Trauer können uns helfen - das ist wie Dreck rausschwitzen in der Sauna!

    Alles Liebe,
    gatita

    Hallo Linde,

    danke, mir gehts gut! Schlafen kann ich bestens - ja, es ist die Zeitverschiebung, nicht schrecken. Komme gerade vom afrikanischen Tanz und bin gut durchgebogen und -geschüttelt. Als ich nach den Sommerferien wieder hierherkam war ich steif wie ein Besen, das Tanzseminar tut gut und ich finde von mal zu mal zu mehr Beweglichkeit.

    Es gab ja genug Dinge, die mich erstarren ließen, wieder konfrontiert mit den alten Geschichten, einer trostlosen Beziehung, die ich so recht und schlecht über das Auslandsjahr schleppte.

    Wow, das ist hat mich anständig berührt, wie du als Kind mit der Sache umgegangen bist. Auch ein Phantasieflüchtling ... ja - in punkto Überlebensstragien sind Kinder echte Meister und sie lassen sich nichts stehlen. Aber das ging verloren, als ich von daheim auszog und ich habe es total vermißt. Es kamen Jahre der totalen Unkreativität, nicht wissen, was mit sich anzufangen, man spürt die Kreativität, aber kann sie nicht ausleben, ist total gehemmt.

    Ich glaube, die Nähe meiner Eltern hat mich flüchten lassen und jetzt, wo ich es schreibe, realisiere ich erst, dass es damit zusammenhängen könnte. Immer wenn ich daheim war - auf Besuch - hatte ich das Verlangen zu schreiben, zu zeichnen, wenn ich dann wieder weg war, in meinem anderen Zuhause (immer temporär, immer nur maximal für zwei Jahre) war ich dann wieder leer und habe mich mit den Sorgen anderer Leute zugemüllt (wie meine Mutter, schreckliche Vorstellung) und war für alle da.

    Ein Leben in Seßhaftigkeit ... grübel ... das kann ich mir nicht vorstellen und doch habe ich eine Sehnsucht danach. Ich möchte tatsächlich - ankommen. Du hast das ganz gut beschrieben, du hast 42 Jahre gebraucht um bei dir drin anzukommen. Das Gefühl habe ich langsam auch und das hat viel mit der Bewußtmachung der eigenen Geschichte zu tun. Einmal innehalten. Anschaun. Nicht wegschaun und nicht wegrennen. Anschaun. Auch wenn es grausam ist, auch wenn es Tränen bringt. Jetzt hab ich auch keine Angst mehr hinzuschauen, weil von Tag zu Tag mehr Licht in die Abstellkammer kommt. Vorher hab ich nur gewußt, ich muß aufräumen, jetzt sehe ich langsam erst, was ich aufräumen muß, welche Dinge ich zuerst vom Stapel nehmen muß.

    Kennst du den schönen Film "Chocolat"? Die Frau, die immer weiterziehen muß, wenn der Nordwind weht, die ihre kleine Tochter überall hinzerrt, auch wenn die Kleine nicht mehr will, die endlich bleiben möchte, wo sich sich wohlfühlt, bis sie eines Tages so heftig streiten und die Urne mit der Asche der Mutter der Frau zerbricht und die Asche verschüttet ist? Und sie dann beschließt endlich zu bleiben?

    Manchmal fühle ich mich genauso, in der imaginären Urne ist das verkorkste Leben meiner Eltern, das ich mit mir herumschleppe. Ich habe Lust, sie zu zerschmettern und mich endlich meinem eigenen Leben zu widmen, das jetzt erst zu beginnen scheint. Und nein - dann brauch ich keinen Aktionismus mehr zu leben.

    Vielen Dank für deine Worte, die haben mich total aufgebaut heute Morgen (ich bin sieben Stunden im Rückstand) und ich habe die Fährte aufgenommen!

    Alles Liebe übern Teich,
    gatita

    Hallo Manfred,

    määääh erstmal. Dank Linde wissen wir, dass schwarze Schafe was besonderes und scheinbar 50 weisse Schafe wert sind. :P

    Wenn dir schon beim Gedanken daran dass Kotzen kommt, geh doch nicht hin. Sagt sich so leicht, man will ja nicht enttäuschen (schon wieder!) Entweder kapieren sie, dass was mit ihnen nicht stimmt - sonst würdest du ja gern kommen - oder halt nicht. Dass ihr Verhalten Konsequenzen hat, merken sie ja nicht, wenn du gegen deinen eigenen Willen hingehst. Und dann bist du dort und fühlst dich schlecht und dann gehst heim und ärgerst dich, weil du dich schlecht fühlst und sich die Katz in den Schweif beißt.

    Nur, weil sie dich brauchen, weil sie mit sich selber nicht können? Weil sie spüren, dass du vielleicht der einzige unter ihnen bist, der lebendig ist? Na, dann nix wie ran an die Beute und Blut absaugen! Energievampire ...

    Wie wärs, wenn du dann hingehst, weil du es selber willst? Und wenn es Jahre dauert oder nie passiert? Aber nur, um zu entsprechen, weil es alle von dir erwarten, du trotz Black Sheep "ja doch einer von uns bist" (wie gnädig!! man kann sich ja die Familie, in die man reingeboren wird, aussuchen, wie auf der 18-stelligen Tagesmenükarte beim Chinesen - den heißen Schnaps, den man zur Rechnung dann kriegt, hat aber niemand bestellt ...)

    Kannst ruhig schwarz sein und dich gut dabei fühlen. Das bist du. Und wer das nicht kapiert, ist deiner nicht wert. So.

    Alles Liebe,
    gatita

    Hallo Biggi,

    bin selber erst kurz da, super, dass du hergefunden hast. Und - dass du den Mut gefunden hast, das Problem anzuschauen und nicht weiter zu verdrängen. Es ist besser, dem Monster in die Augen zu schauen, als es im Nacken sitzen zu haben und nicht zu wissen, wie es aussieht. Will sagen - jetzt weisst du, womit du es zu tun hast. Auch wenn verdrängen einfacher scheint, aber stell dir vor, du schleppst das immer mit und es wird mit der Zeit nicht weniger.

    Vieles was du hier schreibst kenne ich (und viele andere hier auch, nehme ich an). Pass auf dich auf und beobachte genau, was dir guttut und was nicht.

    Alles Liebe,
    gatita

    Ach ja - liebe Weitsicht (ich finde eure Namen total klasse),

    danke für den Buchtipp! Ich werds bestellen und mitbringen lassen. Leider bin ich darauf angewiesen, dass Leute hin- und herfliegen, aber Ende November kommt wieder Besuch aus der Alten Welt.

    Und du hast ja sooo recht: "Ich kann nur mich verändern"

    So ein simpler Satz und doch braucht man JAHRE um das zu kapieren!!!!!! Na gut, ich zumindest. Aber besser jetzt als nie.

    Es fühlt sich schon verdammt gut an, zu realisieren, was man alles darf, ohne dass einem was Schlimmes passiert. Im Gegenteil - es wird nur besser.

    Ich hab immer Leute, die sich abgrenzen konnten, als extrem egoistisch gesehen. Da umzudenken fällt noch schwer, aber ich verstehe sie immer besser.

    Nochmal alles Liebe (aus ganzem Herzen),
    gatita

    Sorry,

    es quillt ja so heraus, was man jahrelang versteckt, unbeachtet, verdrängt, vergessen und runtergeschluckt hat. ich werde mich bemühen, Absätze zu machen. Hast recht, sind eine gute Erfindung.

    Als ich in der Pubertät war, ging es mir ganz arg. Ich war süchtig nach der Depression. Ich sagte mir, wenn ich Schmerz empfinde (psychischen), dann fühle ich mich richtig am Leben. Am schlimmsten empfand ich es, gar nichts zu fühlen. Und Glück erschien mir oberflächlich und unproduktiv.

    Wenn es mir schlecht ging, quoll die Kreativität aus mir heraus, ich habe in der Zeit (zwischen 14 und 16) ein Buch geschrieben. Es gab für mich nichts schöneres, als heimzukommen, in diese von mir erfundene Welt zu flüchten. Ich trank Unmengen an Schwarztee und blieb meist auf bis drei, vier Uhr in der Früh, weil das war die Zeit, die mir niemand vermiesen konnte, wo ich allein und zufrieden war.

    Draußen saß der Schrecken, ein alkoholsüchtiger Vater, der mich in seinem Rausch regelrecht suchte, um mich zu bewegen mit ihm zu sprechen. Eine Mutter, die für mich keinerlei Verständnis zeigte und mich mit dem Vater oft alleine ließ. Im meinen Zimmer fühlte ich mich sicher, draußen verlor ich leicht den Boden unter den Füßen, spürte eine Ohnmacht, sah keinen Ausweg.

    Das ist mir bis heute geblieben. Nicht in meinem Beruf, im Umgang mit Freunden aber mit Partnern und vor allem, wenn ich meine Eltern sehe. Dann überkommt mich die Ohnmacht, dann fühle ich mich wie gelähmt, gefangen, erdrückt. Oft reicht es, wenn ich mit meiner Mutter telefoniere, dass ich einen Stein auf der Brust spüre und da hilft kein Atlantik dazwischen, da ist alles plötzlich so unmittelbar.

    Meine Problematik kenne ich erst seit drei, vier Monaten. Jetzt, wo ich es weiß und mich ein wenig mehr auskenne, sind die Gefühle noch schlimmer. Ich weiß nicht, vielleicht ist es euch auch so ergangen, aber ich ertrage gewisse Dinge viel schwerer. Möglicherweise ein Anfang und ein Zeichen, dass es höchste Zeit ist, was zu verändern.

    Danke an alle hier im Forum, danke, dass es euch gibt, ich schaue so oft in den Spiegel, wenn ich euch lese und mir fallen 100.000 Sachen ein. Bin total froh, euch gefunden zu haben.

    Alles Liebe,
    gatita

    Hallo Garfield,

    es geht. Leider. Mein Dad hat Trinkphasen, wo er sich tagelang gehen lässt. Dann ist wieder wochenlang eine Ruh und es geht im gut, er trinkt keinen Tropfen und ist "normal". Dann haut er wieder um. Hat vielleicht mit dem Mond zu tun oder so.

    Das mit der Distanz hab ich auch nicht so gut drauf. Körperlich schon, da bin ich sehr weit weg, aber psychisch ... da bin ich noch voll am lernen. Da ich meinen Vater abgöttisch liebe und mein Leben lang verteidigt habe, ist es schwer für mich, auf Distanz zu gehen. Mit meiner Mutter hatte ich immer Schwierigkeiten, sie klammert furchtbar und mischt sich überall ein.

    Kannst du wirklich das Problem verdrängen? Steigt dir nicht der Graus und die Wut auf, wenn du ihn so siehst? Redet ihr offen über das Problem in der Familie, auch mit dem Vater? Wenn er nüchtern ist, vorausgesetzt ...

    Alles Liebe,
    gatita

    Hallo Andrea,

    bist eh schon total weit ... Schlußstrich ziehen, wenn es dir nicht guttut. Ich brauch dafür immer ewig (fünf Jahre zuletzt), damit ich mich von dem löse, was mich runterzieht. Mein Ex-Freund hat auch jeden Tag seine Biere gebraucht und nix dabei gefunden. Ich hab ihm mal gesagt, dass ich glaube, er hätte ein Alkoholproblem, aber das hat er nicht ernst genommen. Und ich hab mich vor der Fahne geekelt. Aber das ist ja jetzt vorbei und ich fühl mich gut.

    Auch wenn es der berühmte Griff ins Klo war, macht nix, weitersuchen, irgendwo da draussen ist der richtige Partner für dich. Und den wichtigsten Schritt hast du eh gemacht - erst mal DU. Sei zuerst mal dir am nächsten und mach die Sachen, die dir guttun. Man glaubt immer, ohne Partner oder Affäre ist man nur halb. Aber oft sind diese Geschichten nur so praktisch, weil sie von einem selber ablenken und dann kann man die Probleme vom anderen anschaun und die eigenen ins Abstellkammerl geben. Wie groß war die Angst vor der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte! Aber es ist schön, sich in den Mittelpunkt zu stellen. Es ist dein Leben und deshalb das allerwichtigste auf der Welt. Es gehört dir und du kannst es so gestalten wie du willst. Ist das nicht super?

    Alles Liebe,
    gatita

    Hallo Manfred, hallo Mädels!

    Noch ein schwarzes Schaf ... mittlerweile auch wieder Single, geschieden, keine eigene Familie (aber großen Freundeskreis), keine Kinder, immer unterwegs und einen Faible für das Anormale (den ich langsam satt habe, ich mag mich nicht mehr bedingungslos in alles Schräge stürzen, das meinen Weg kreuzt).

    Ich hab seit ich konnte immer den Abstand zur Familie gesucht. Dann war ich verheiratet, mein Mann war nicht unbedingt kompatibel mit meiner Familie und hüpfte mit Vorliebe in die Fettnäpfchen, um seinen Abscheu für die Werte vor allem meiner Schwester zu demonstrieren, die da wären: Familie mit Kindern, Einfamilienhaus und -auto. Dann wanderte ich zum erstenmal aus, um ja noch viel weiter weg zu sein (und ich empfand es als sooo schön, erstmals nicht einmal telefonisch erreichbar zu sein). Meine Mutter, die Co, schafft es immer wieder, mir ein furchtbar schlechtes Gewissen zu machen, wenn ich mich nicht melde und spielt unendlich beleidigt.

    Das mit dem Geld kenn ich auch, ich habe sehr lange studiert und das Geld von ihnen genommen, ich wollte, dass sie dafür bezahlen, was sie mir angetan haben und noch immer antun. Bis ich dann realisiert habe, dass ich noch abhängiger von ihnen dadurch bin. Jetzt bin ich schon länger finanziell unabhängig und es tut einfach so gut, weil es kein Druckmittel mehr gibt und ich kaum mehr was annehme. Seitdem ist alles ein wenig entspannter.

    Die Weihnachtens kenne ich auch nur zu gut. Meine Schwester, die Kinder meiner Schwester, ihr Mann, meine Eltern und ich um den Baum. Entsetzlicher einsam fühlen kann man sich da kaum mehr ... hab mich oft genug als Versagerin gefühlt... andererseits kann ich mich auch an Weihnachten erinnern, wo wir alle bang bis in die Nacht auf meinen Vater gewartet haben, der dann kurz vor Mitternacht betrunken von der Schicht heimgekommen ist. Wer hat da wohl versagt und das "schönste" Fest versaut?

    Eigentlich nicht schön, aber doch schön, dass man mit diesen Gefühlen nicht allein ist ...

    Alles Liebe,
    gatita

    Liebe Weitsicht,

    habe mich ein bisschen durch deinen thread gelesen - und bin schon auf etliche gemeinsame Verhaltensmuster gestoßen. Ich hatte etliche Beziehungen mit erwachsenen Kindern und meine besten Freunde sind auch welche, es ist erschütternd, wieviele Biographien davon betroffen sind. Ich war acht Jahre verheiratet mit einem EK, der auch auf der Alkoholikerseite steht, und mir erging es ähnlich. Auch er glaubte immer, schonungslos ehrlich sein zu müssen und war dabei so hart und verletzend, dass er damit - wenn er so drauf war - jede Partystimmung versaut hat. Ich war immer voll beschäftigt, die Stimmung zu retten, was zum Teil so anstrengend war, dass ich keinen Spaß mehr dabei hatte, Leute einzuladen. Viele meiner Freunde sagten mir später, sie hätten oft Angst vor ihm gehabt und kein gutes Gefühl, wenn sie mich besuchten. Aber sie sind wegen mir gekommen, nicht wegen uns, das habe ich auch erst später erfahren. Er war einfach so stark und überzeugt von sich und seiner Meinung, ich konnte mich oft nur schwer dagegen stellen, auch ist er rhetorisch so gut drauf, daß es Knochenarbeit ist, gegenzuargumentieren. Wir haben nie gestritten. Ich bin Streit immer aus dem Weg gegangen, aus Angst, den Streit und IHN zu verlieren. Dabei hab ich ihn genau deshalb verloren, weil ich ihm alles durchgehen ließ und für alles Verständnis hatte 8auch für seine Liebschaften - nicht alle - aber einige gingen bei uns ein und aus und ich war im vollen Bewußtsein, in welcher Beziehung diese Frauen zu meinem Mann standen. Ich hätte mich auflehnen sollen, aber ich war ohnmächtig vor Angst. Als ich dann begann, mich zu entwickeln und nicht mehr einverstanden zu sein mit all den Verletzungen, da ging unsere Beziehung in die Brüche, weil er damals die Veränderung meines Selbstbewußtseins nicht akzeptieren wollte, ich wäre nicht mehr die Frau, die er liebte. Nur weil ich meine Aufmerksamkeit von ihm einmal auf mich gerichtet habe. Mittlerweile hat er kapiert, was für ein Strohkopf er damals war. Das hilft zumindest ein wenig.

    Ich habe mit Blut und Tränen gelernt, meine Bedürfnisse zu artikulieren. Aber heute bin ich davon überzeugt, wie wichtig es ist, zu sich zu stehen und das eigene zu verteidigen. Auch wenn es für unsereine so schwer ist und so viel Kraft kostet - weil es gibt ja keine Probleme, darauf sind wir ja konditioniert - es rentiert sich. Klingt jetzt so gescheit, in Wahrheit bin ich in der Praxis noch immer derartig unsicher. Aber es gelingt mir immer öfter und ich bin jedesmal stolz drauf.

    Mein letzter Partner sagte auf meine schriftliche Absage - Mut kann man sich nicht kaufen. Aber für mich war es schon sehr mutig, denn ich habe in diesem Brief nichts ausgelassen.

    Also, Grenzen aufzeigen und kratzen und beißen, wenn die Grenzen überschritten werden. Schmollen verstehen Männer nicht. Dann sagen sie nur - jetzt spinnt sie wieder.

    Alles Liebe
    gatita

    Hallo zusammen, ich wurde kürzlich freigeschalten und habe meinen Beitrag aus dem Vorstellungsbereich hierher mitgenommen, da ist er:

    Meine Geschichte, von hinten aufgerollt: dass es sowas gibt wie Erwachsene Kinder erfuhr ich durch einen zufälligen Griff in das Gebrauchtbücherregal eines Literaturcafes: Familiensucht Alkohol. Zuvor hatte ich einen tabletten- und alkoholsüchtigen Freund bei mir aufgenommen, der Hilfe suchte, um von seiner Abhängigkeit loszukommen. Den habe ich bis zur Selbstaufgabe betreut und es war für mich augenöffnend, da mein Vater Alkoholiker ist und es für mich neu war, dass jemand aus seiner Sucht herauswill. Durch ihn lernte ich auch, wie wichtig Selbsthilfegruppen in diesem Fall sind. Dass ich selbst ein Fall für eine Selbsthilfegruppe bin, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Das Buch hat mir in dieser Hinsicht auf die Sprünge geholfen. Und ich musste feststellen, dass so viele meiner Muster nicht einfach nur meine eigene Verkorkstheit sind, sondern einem ganz bestimmten Regelbuch folgen - dem eines erwachsenen Kindes eines Alkoholikers. Langsam aber sicher konnte ich mich plötzlich an Dinge erinnern, die ich jahrelang verdrängt hatte, Dinge, die ich mühsam in den Untiefen meiner Seele versteckt hatte, wie mein Vater die Flaschen.
    Mein Vater ist abhängig seit ich denken kann. Als ich noch klein war, besuchten wir, mein Vater und ich, oft meine Großmutter. Die gab uns dann immer zwei Flaschen mit durchsichtiger Flüssigkeit mit, in Zeitungspapier eingewickelt. Schnaps. Als ich dann den Zusammenhang zwischen diesen Flaschen und den Veränderungen an meinem Vater herstellte, begann ich deren Inhalt heimlich ins Klo zu kippen. Je älter ich wurde, desto heftiger reagierte ich auf seine Trinkphasen. Nicht offensichtlich, sondern mit Rückzug. Meine Mutter suchte oft das Weite, wenn mein Vater betrunken war. Da er in keinster Weise agressiv wird, wenn er betrunken ist, eher autoagressiv, war es körperlich sicher, mich mit ihm allein zu lassen. Aber es richtete großen seelischen Schaden an und ich flüchtete mich immer ins Zimmer, weil ich seinen Anblick nicht ertragen konnte. Dort baute ich mir meine eigene Welt auf, das war mein Fluchtpunkt, meine Realität. Ich liebte das Alleinsein und ich tue es noch immer. So bald ich konnte, ging ich weg von daheim. Meine Mutter zeigt die für eine Coabhängige typischen Symptome. Bloß alles vertuschen nach außen hin, es gibt kein Problem, es wird darüber nicht gesprochen. Sie selbst hat kein Leben, keine Inhalte, kaum etwas, was sie für sich selber tut. Sie interessiert sich nur für die Probleme anderer und ist ständig damit beschäftigt, Seelentrösterin für die ganze Welt zu sein, nur ihr eigenes Problem nimmt sie nicht in Angriff. Niemand traut sich, mit meinem Vater über seine Sucht zu sprechen, das Schweigen ist Programm. Ich habe mit meiner Schwester, die acht Jahre älter ist und nicht - wie sie selbst sagt - so betroffen ist, wie ich, über unser Familienproblem einen guten Austausch. Wir reden miteinander. Mit unserem Vater sprechen wir nicht darüber, auch wenn ich es noch so gerne wollte, ich kann nicht. Der Hals ist zugeschnürt, auf der Brust lastet ein Gewicht, so schwer wie meine seit langem verstorbene Großmutter, und ich bin wie paralysiert. Das zieht sich durch. Ich konnte noch nie gut über meine Probleme reden oder in einer Beziehung Probleme ansprechen, das kostet mich eine extreme Überwindung. Meine letzte fünfjährige Beziehung habe ich vor kurzem brieflich beendet, weil ich nicht die Kraft hatte, sie auf der Gesprächsebene zu beenden. Es waren fünf mehr schlecht als rechte Jahre, aus denen ich viel früher ausbrechen hätte sollen. Ich konnte nicht. Ich hielt das Leiden aufrecht, ich krepierte emotional, aber ich konnte es nicht beenden. Ich möchte aus diesem Teufelskreis heraus. Ich möchte endlich ein normales Leben führen, ich möchte mich nicht mehr mit Problemmännern umgeben müssen, um mich lebendig und gebraucht zu fühlen. Acht Jahre war ich mit einem Alkoholiker verheiratet, die Liebe meines Lebens. Ich möchte nicht mehr flüchten vor dem Glück, damit es mir schlecht geht, nur weil ich es gewöhnt bin. Ich will endlich ankommen, nicht dauern flüchten, umziehen müssen (ich habe in 15 Jahren ebenso oft meine Wohnung beziehungsweise den Kontinent gewechselt). Ich will da raus. Gerade sitze ich auf einem anderen Kontinent und da es hier schwierig ist, zu einer Selbsthilfegruppe zu gehen (auch sprachlich), bin ich sehr froh, dieses Forum gefunden zu haben. So. Das bin ich. Gibts auch NomadInnen unter euch?