Beiträge von Orlando

    Zitat von Hartmut


    Er darf doch soviel saufen wie er will . Ist ja nicht verboten .

    Hallo Hartmut,

    das ist eine Aussage, die mich berührt. Ich habe sie oftmals gehört und dann auch zunächst betroffen meine Klappe gehalten. Denn niemals habe ich die Eigenständigkeit und Selbstbestimmtheit meines (Ex-)Lebensgefährten in Frage gestellt, wohl aber seinen gesunden Umgang mit dem Alkohol.

    Und ich frage mich gerade stimmt diese "Schutzbehauptung" tatsächlich? Darf sich jemand ethisch, moralisch, rechtlich tatsächlich krank und zu Tode saufen? Verhalte ich mich als Angehöriger ethisch, moralisch und rechtlich korrekt, wenn ich, das akzeptierend, den Betroffenen sich selbst überlasse?
    Und schlussendlich, ist ein Alkoholiker überhaupt in der Lage tatsächlich (nur) soviel zu saufen, wie er will?

    orlando

    Zitat von Rhein


    Ich dachte es könnte so sein, daß man als Co Ab immer wieder alles schön haben will und sich notfalls alles schön denkt, damit man in der Illusion lebt, eine normale Beziehung zu haben und dadurch die eigenen Ansprüche herunterschraubt (wie man was warum wann mit wem machen möchte). Das ist ja doch ein gutes Zeichen bei euch.

    Guten Morgen Rhein,

    sicherlich mag dies ein "Symptom" für Co-Ab sein, dass in unterschiedlicher Ausprägung und in den verschiedenen Beziehungsbereichen erscheinen kann. Sich etwas schön denken und Illusionen hingeben kommt auch in "gesunden" Beziehungen vor.

    Die spannende Frage, die ich mir selber stellte, ist vielleicht auch für Dich weiterführend: Was hattest und hast Du davon, neben diesem antriebsschwachen Lebensgefährten, Dich Deinen Illusionen hingebend und Dich verletzen lassend, auszuharren. Wie leidensfähig und leidensbereit bist Du für diese Beziehung und der Illusion von diesem Partner geliebt zu werden. Und schlussendlich was in dieser Beziehung ist es eigentlich, dass bisher diesen Leidensdruck so erfolgreich kompensieren konnte? Auf mich wirkst Du, mit Blick auf die Beziehungsveränderung, ähnlich träge und antriebsschwach, wie Dein Partner.

    Zitat von Rhein

    Er sagte mir mal, ich könnte auch "woanders" wenn ich wollte, was ich verletztend fand;


    Und hast Du mit ihm darüber gesprochen oder lieber an Deinem Verständnis dieser Aussage und der damit verbundenen Verletzung festgehalten? In einer intakten Beziehung spricht man darüber, um sich gegenseitig verstehen zu lernen und ggf. tragbare Kompromisse zu finden.
    In der Beziehung mit meinem Ex-Partner, der alkoholkrank war, hatte sich unsere S**ät durch die Gespräche während der Trinkpausen für uns beide sehr positiv verbessert. Wir konnten uns bei den Themen Nähe und Distanz - Bedürfnis bzw. Zweisamkeit nur schlecht aufeinander abstimmen und hatten einen völlig verschiedenen Humor, mit dem wir uns gegenseitig dann prima verletzen lassen konnten. Ohne Alkohol und Co-Tendenzen hatten wir schon viel Beziehungsarbeit zu leisten. Rückblickend denke ich, war der Alkohol einerseits ein von uns beiden dankbar angenommener Vorwand uns unseren tatsächlichen Beziehungsproblemen nicht stellen zu müssen. Andererseit machte der Alkohol tatsächlich jede von uns ernsthaft gestartete Problemlösung schnell wieder zu nichte.

    Zitat von Rhein

    Hallo,
    Zunächst gebe ich zu und ich finde es immer noch absurd, daß mir während der Beziehung mit meinem Alk Partner ganz wenige Male die Idee kam ihn zum Trinken zu animieren, damit wir später S** haben würden, was - wenn er alkoholisiert war - leichter zu "arrangieren" war. D.h. zu dem Zeitpunkt war mir irgendwie schon klar, daß ich ihn über Alkohol steuern kann um mein Ziel zu erreichen - und das in diesem sehr vertrauensvollen Bereich.


    An dieser Stelle habe ich das erste Mal geschaut, welches Geschlecht Du hast, lieber Rhein, obwohl es ja eigentlich klar ist, dass Gevatter Rhein ein Mann sein muss. Mir ist vertraut, dass Männer gelegentlich mal einer Frau ein wenig Alkohol reichen, um sie etwas "aufzlockern". Fatal ist das natürlich, wenn dies in einer Beziehung geschieht, bei der die einschänkende Person weiß oder vermutet, dass die andere Person ein Alkoholproblem hat.

    Zitat von Rhein


    Dann: ich weiß nicht wie es euch geht/ging: meine Erfahrung ist, daß mein Alk Partner S** weniger bedürfnis hatte als ich.


    Das kann ich ganz und gar nicht bestätigen. Allerdings machte mein Partner unter Alkoholeinfluss vorzeitig "schlapp", was ihn weitaus mehr frustrieren konnte, als mich. Gelegentlich machte es ihn agressiv und er wollte mich für seine Potenzschwäche verantwortlich machen. In diesen Momenten verhielt ich mich ruhig und zog dann schnell die Konsequenz, dass S** unter Alkoholkonsum tabu zwischen uns wurde. Als nächstes tolerierte ich seinen Alkoholkonsum nicht mehr in meiner Gegenwart. So sahen wir uns seltener und selterner und seltener, obwohl wir doch eigentlich zusammen lebten. In den wenigen uns noch verbleibenden Momenten hatten wir eine durchaus erfüllte S**ät. Fakt ist in jedem Fall: Der Alkohol war erfolgreicher als unsere Beziehung und unsere S**ät. Er ist noch da, uns gibt es nicht mehr.

    Orlando

    Hallo Mr Rhein,

    ja, mit "mehr" meinte ich konkretere Punkte. Ich wünsche mir z.B. mehr Selbstsicherheit und Zutrauen im Vorfeld oder in der Situation. Dann wäre es ja angenehmer oder leichter für mich anzugehen. - Kommt das evtl. Deinem Gedanken nahe, einer Illusion nachzuhängen?

    Und konkret in diesem Faden bezog ich das mehr" auf meinen Wunsch nach Civilcourage und "weniger" diffuse Angst vor Aggressivität und Gewalt. Diese diffuse Angst scheint mir die Ilusion zu sein, weil sie mir manchmal so übermächtig erscheint und mich lähmen kann. Ideal wäre doch, bei realer Gefahr die Beine in die Hand zu nehmen und zu laufen, was das Zeug hält; bei irrealer Angst geschmeidig auszuweichen und fokusiert zu kontern.

    Welche kleinen Schritte meinst du, einüben zu müssen, um erfolgreich Meilensteine wie situationsangemessenes Handeln zu erreichen, bzw. nicht Deinen Illusionen zu erliegen?

    Orlando

    Zitat von Rhein

    Hallo Orlando,
    Ich hoffe, daß ich dies Gerlernte in meinen ERfahrungsschatz gut verarbeiten werden um künftig eher situationsangemessen in diesem Kontext handeln zu können. Mehr würde ich erstmal nicht wollen - und ich weiß, das ist schon eine Menge.

    ich bin manchmal ehrgizig und ungeduldig: möchte mehr!

    Gleichzeitig freue ich mich wie ein Kind unter dem Weihnachtsbaum, wenn ich meine kleinen Erfolge erkenne, besonders in Situationen, in denen ich mich noch wackelig und unsicher auf den Beinen fühle.

    Orlando

    stimmt :)

    schlussendlich hat alles seinen Sinn. Ich wäre heute nicht die, die ich bin und nicht mit dem zusammen, mit dem ich es bin, hätte nicht die wundervollen Kinder, wäre es an irgend einer Stelle anders gelaufen.

    Es ist gut in der Reflektion noch einmal erkannt zu haben, dass ich situationsentsprechend handeln kann. Mehr möchte ich doch gar nicht.

    Orlando

    Zitat von mineralo

    Was ist die Hürde zum nächsten Click?
    Beziehungslos?
    Krank?
    Arbeitslos?
    Geldlos?
    Obdachlos?

    Kann so verlaufen, kann aber auch ganz anders verlaufen.
    Mich wundert viel mehr, dass Du das so viele Jahre mitgespielt hast. Wie könnte denn Dein nächster Click aussehen? Burn out? Krank? Arbeitslos? Geldlos? Ich lese, dass die Beziehung weder für ihre, noch für Deine unerwünschte Entwicklung eine Hürde darstellt.

    Zitat von Polarsternchen

    Wahrscheinlich bin ich diese Schildkröte Orlando mit dem dicken Panzer, die rechtzeitig den Kopf einsteckt, um anschließend zu schauen, ob die Luft rein ist und dann trotzdem weitergeht.

    Polarsternchen

    Ich finde die Schildkröte wundervoll, sie läßt sich nicht beirren. Mir zeigt die Geschichte, dass Leben geht, im Prozess ist... Du bist auch im Prozess und es kann doch nur so oder auch so gut für Dich weiter gehen.

    Zitat von Polarsternchen


    Allerdings vermisse ich so manches Mal eine etwas positive Sichtweise. Können wir alle über einen Kamm scheren? Gibt es überhaupt keine Menschen, die es geschafft haben, dauerhaft dem Alkohol zu entsagen?


    Das ging und geht mir heute immer noch ähnlich und ich verstehe es sehr gut.
    Ich bin auch heute noch sicher, dass Trennung, den anderen fallen lassen, ihn abwerten und wütend auf ihn sein nicht die einzige Lösung ist, allerdings eine verständliche.

    Zitat von Polarsternchen


    Weder nüchtern, noch alkoholisiert sind Grenzüberschreitungen wohl annehmbar. Dies steht außer Frage. Aber in einer normalen Partnerschaft, wird über so etwas dann geredet und man lernt hoffensichtlich aus diesen Fehlern und macht es zukünftig besser. Oder verlasst Ihr immer direkt Eure Partner, wenn etwas heftiger schief läuft? Das denke ich nicht ...
    Nun haben wir es aber zusätzlich hier noch mit einem kranken Menschen zu tun, der eine Grenze überschreitet. Resultiert daraus zwangsläufig, dass wir uns nun noch schneller trennen? Nein, wir versuchen ihn darauf Aufmerksam zu machen, dass er professionelle Hilfe braucht, eine Therapie machen muss, sich in Behandlung begeben muss ...


    Auch hier kann ich Dich gut nachvollziehen, denke ähnlich. Das Dilemma der Krankheit besteht aber leider doch auch darin, dass sie eine Krankheitseinsicht vermeidet, zumindest erschwert. Da stellt sich halt für den Partner die Frage, wie lange er liebevoll die krankheitsbedingten Grenzüberschreitungen toleriert, ohne selber zu sehr darunter zu leiden.

    Es ist so verdammt schwer einen Alkoholiker zu erreichen. Das macht Gespräche und Problemlösungen so schwer. Ich glaube Orientierung über seine Absichten sind mehr über sein Handeln und Nichthandeln, als über seine Worte zu erkennen.

    Und jeder muss für sich entscheiden: Wie viel Zeit kann und muss ich dem Alkoholkranken Partner geben.
    Mittlerweile denke ich, Liebe heißt in Bezug auf einen alkoholkranken Menschen los- und fallen lassen, um dann doch da zu sein, wenn er eine erfolgreiche Therapie hinter sich hat und zurückkommen möchte.

    Deshalb finde ich Deinen Weg gut. Du lebst Dein Leben, es ist im Fluß.
    Mir fällt hierzu die Geschichte von der Schildkröte Tranquilla Trampeltreu ein:

    Anlässlich der Hochzeit der großmähnigen Majestät, des Löwen Leo des Achtundzwanzigsten, wird das gesamte Tierreich zum Fest eingeladen. Tranquilla Trampeltreu will auch dabei sein und macht sich auf den Weg. Argwöhnisch wird sie durch ihre Langsamkeit von vielen reisenden Tieren betrachtet. Doch um noch rechtzeitig zur Feier zu erscheinen, bleibt sie beharrlich und lässt sich von niemanden von ihrem Weg abbringen. Nur so kann sie an ihr Ziel kommen, das sie mit großer Verspätung letztlich doch erreicht. Sie feiert glücklich die Hochzeit des Löwen Leo des Neunundzwanzigsten.

    Hallo matthias,

    danke für Deinen Beitrag. Mir wird gerade bewusst, dass ich manchmal Angst vor den Reaktionen meines Gegenübers habe. Eine zum Teil von mir nicht begründbare Angst vor der möglichen Aggression und Gewalt des anderen. Ich kann es nicht besser beschreiben. Es gibt Menschen, bei denen ich nicht nur Alkoholmissbrauch vermute, sondern auch ein Gewaltpotential, dem ich mich nicht gewachsen fühle. Da fehlt es mir dann schlichtweg an Civilcourage.
    Ich erinnere mich gerade auch, dass ich schon den ein oder anderen Veehrer vergraulte, weil ich mich über sein Trinkverhalten wunderte... ;)

    Orlando

    Hallo Line,

    in welche Richtung sollen wir uns denn Gedanken machen? Welche Tipps hättest Du gerne?

    Es ist eine schreckliche Situation die Du beschreibst. Zu Deinem gut gewählten Titel fällt mir als Gegenentwurf "Wie im Himmel" ein, ein wundervoller schwedischer Film.

    Mein Vater war auch Alkoholiker. Wir hatten uns immer gut verstanden und ich hatte sein Trinken ignoriert, bis es in unserer Vater-Tochter-Beziehung zu meinem Tiefpunkt kam: Er war bereits sehr krank, hatte Krebs, Herzprobleme und Diabetes. Ich selber hatte damals auch eine ernstahfte Erkrankung. Er war zu Besuch bei mir und verlangte nach Alkohol. Ich hatte Angst, dass er mir in seinem Zustand zusammenbrechen würde und ich ihn in meinem Zustand nicht hätte auffangen können. Es kam zum Streit und zum ersten mal gab ich nicht nach, sondern stellte ihn sehr energisch vor die Entscheidung auf den Alkohol zu verzichten oder sofort von mir in sein ca 500 Kilometer entferntes Haus zurückgefahren zu werden. Und ich hätte es auch gemacht. Ich vergesse nie, wie betroffen und erschrocken er war und wie gut ich mich fühlte, das endlich einmal gewagt zu haben; wie erstaunt ich war, dass das so einfach ging. Er hatte tastächlich für den restlichen Aufenthalt bei mir nicht mehr getrunken (Seine Trinkpausen konnten über Monate, ja Jahre anhalten).
    Seine Krebserkrankung hat dann zu einer langen Trinkpause geführt bis kurz vor seinem Ableben. In seinen letzten Lebenswochen habe ich ihm seine Würde gelassen, wenn er sich bemühte, die Flachmänner vor mir zu verbergen. Ich akzeptiere es, fühlte mich nicht mehr verantwortlich und konnte um meinen Papa trauern.

    Orlando

    Melanie,

    weil ich den Eindruck habe, dass Du es nicht bemerkst, schreibe ich es deutlich und zumindest an dieser Stelle einmal für alle Leser transparent: Mit Deinen Meinungen und Gedanken beschäftige ich mich nicht mehr. Wir haben verschiedene Erfahrungen und Sichtweisen und mit Deiner Art komme ich nicht zurecht. Ich anerkenne, dass Dir das Forum hier sehr wichtig ist und dass Du mich und andere vor den Gefahren der Alkoholsucht und Co-Abhängigkeit bewahren möchtest.

    Dir bleibt die Freiheit Deine Gedanken, Interpretationen, Gefühle, Ideen, etc. auf meine Beiträge zu schreiben und ich nehme mir die Freiheit sie nicht zu lesen.

    orlando

    Zitat von Rhein


    Und Orlando: das sehe ich ganauso wie Du: haben die zugelassenen Grenzüberschreitungen/das fehlende Abgrenzen meinerseits wirklich etwas mit dem Alkoholproblem des Partners zu tun oder könnte das in einer Alkoholfreien Partnerschaft genauso passieren? Für mich eine wichtige Frage. Weißt Du mehr zu diesem Thema?

    Hallo Rhein,

    habe Deine Frage erst jetzt wahrgenommen. Leider weiß ich nicht mehr zu diesem Thema. Ich kann nur für mich sagen, dass ich grundsätzlich der Meinung bin, eine langfristige gesunde und erfüllte Beziehung bedeutet Arbeit, was auch Konflikte durchzustehen beinhaltet. Und ich bin grundsätzlich geduldig und ausdauernd. Rückblickend habe ich mit dem "Alkohol" einerseits viel entschuldigt, andererseits nutze auch ich den "Alkohol" als Trennungsgrund. Ein Vorwand, damit ich / wir uns den eigentlichen Problemen nicht stellen mussten!? Es ist eine Krux: Wie hätten wir denn unter dem Alkoholeinfluss unsere Probleme überhaupt lösen können? Das geht gar nicht!
    Einmal war er bereit mit mir zur Beziehungsberatung zu gehen. Das wäre vielleicht eine Chance gewesen...
    Weder ich, noch er hatten diesen Gedanken in die Tat umgesetzt. Vielsagend, wie ich finde.

    Ein anderer Gedanke, der mich bei Deiner Frage bewegt ist, dass mir meine Eigenständigkeit und Unabhängigkeit ein hoher Wert war und ist. Klar ist das in meiner Biographie geprägt durch die bewegten Zeiten der 70iger und 80iger Jahre. Und doch nehme ich es auch als Indiz für den Selbstschutz vor der Tendenz mich in einer Liebesbeziehung in Abhängigkeit zu begeben und mich selbst zurück zu nehmen...

    Zitat von Rhein


    ... und zu hinterfragen, ob man - abseits der Gefühle - sich ein Leben mit diesem Menschen wirklich vorstellen kann und ob man meint, dabei wirklich langfristig glücklich zu werden oder ob der Ex Partner nicht nur eine Projektionsmöglichkeit meiner Bedürfnisse ist - mangels eines anderen Partners.

    Das kann ich heute rückblickend mit einem klaren Ja beantworten. Der Ex-Partner war von vorne herein falsch und unter den falschen Absichten gewählt. Ich brauchte Unterstützung und er bot sie mir an. Dabei hatten wir völlig unterschiedlich Vorstellungen von Nähe und Distanz, von Partnerschaftlichkeit und Zusammenleben sowie ganz verschiedenen Humor. Widrigste Voraussetzungen also für eine glückliche Beziehung.
    Spannend ist wie die Schmetterlinge im Bauch und die reflektierte Vernunft in der Gegenwart zusammen spielen. Wie ehrlich bin und bleibe ich mir selbst und dem anderen gegenüber?

    Verliebtheit sind Gefühle, Beziehung in Liebe ist eine Entscheidung. Und unser christlich geprägtes "JA in guten und in schlechten Zeiten" gilt für mich nicht grenzenlos.

    orlando

    Orlando hat Folgendes geschrieben:
    Die Fragen, die mich bewegen sind, wie erkenne ich, dass Alkoholmissbrauch vorliegt und wie kann ich dann ggfs. angemessen gegensteuern?

    Wenn ich jetzt mal konkret werde, so habe ich 2 Menschen, die zu meinem Lebensumfeld gehören, vor Augen:

    Die eine Person ist mein Gartennachbar, ein lieber alter Einsiedler, dem ich dennoch immer wieder am Gartenzaun das Wort abschneide und stehen lasse, weil er mir sonst mit seinen nicht enden wollenden Erzählungen das Ohr abbrennen würde. Er akzeptiert es auch. Er ist hilfsbereit und nicht aufdringlich. Wenn wir zusammen grillen, zieht er sich zurück, ehe die Situation kippt... Mit ihm werde ich niemlas über seine Krankheit sprechen, ich würde aber den Notarzt rufen, sollte ich mitbekommen, dass er zusammengebrochen ist.

    Die andere Person ist eine Bekannte von mir. Als ich bermerkte, dass sie mich immer nachts anrief und nicht aufhörte ihr Leid zu klagen, habe ich diese Gespräche unterbunden. Als ich bemerkte, dass sie mit dem Alkohol nicht umgehen kann, habe ich mit ihr nichts alkoholisches mehr getrunken. Ich habe sie darauf angesprochen, ihr Ärzte und Therapeuten empfohlen sowie Tipps gegeben, wo sie sich Rat zur Lösung weiterer Probleme holen kann. Umsetzen muss sie das eigenständig, klar würde ich sie bei dem einen oder anderen Weg begleiten, um ihr den Rücken zu stärken, wenn sie mich bitten würde, aber gehen muss sie. Und ja, wenn ich mal einen Absturz bei ihr mitbekomme, macht mich das traurig. Und doch kann ich wohl leider nicht viel mehr für sie tun. Weiterhin freue ich mich, wenn es möglich ist, dass wir gemeinsam etwas unternehmen, wie z.B. wandern gehen oder zusammen kochen...

    Ihr Guten,

    die schrecklichen Geschichten, die ihr beschreibt, kenne ich nicht persönlich. Da bin ich dankbar.
    Natürlich habe ich davon gehört und sehe schwererkrankte Alkoholiker in der Öffentlichkeit.

    Mir kommen nur 5 Alkoholikerinen in den Sinn, mit denen ich engeren bis engen Kontakt hatte. Alle waren/sind herzensgute Menschen. Einer war trockener Alkoholiker, der sich sein Leben mit einer Menge sichtbarer Spätfolgen einrichten musste und bereits mit Anfang 60 Jahren verstarb. Ein anderer starb an Krebs mit 70 Jahren. Bei meinem Ex-Partner, mit dem ich 1 1/2 Jahre zusammen lebte, erlebte ich das erste Mal agressives und "gewaltätiges" Verhalten, was mich ja zunächst auch einschüchterte und was ich zuließ, statt mich zu wehren. Wenn ich allerdings lese, was ihr so teilweise erlebt habt, kommen mir meine Erlebnisse fast schon nichtig vor. In meinem Erleben waren sie aber schlimm und ich verhielt mich auf einer niedrigeren Schwellenebene, wie die meisten, die hier schreiben.

    Aber trotz eurer glaubwürdigen Schilderungen bleibe ich dabei, dass sich zumindest bei "meinem" Expartner unter Alkoholeinfluss seine negativen Charaktereigenschaften deutlich abzeichneten, die er im nüchternen Zustand unter Kontrolle hatte. Er traute sich einfach mehr. Letztendlich ist es unwesentlich. So oder so ist es, wie dagmar07 schreibt: "Welche Langzeitschäden sich abzeichnen konnte ich doch schon in den Saufzeiten erahnen.... Ein kleiner Vorgeschmack dessen, (was noch alles kommen kann)... "

    Hallo liebes Polarsternchen,

    es braucht seine Zeit. Die räumliche Trennung ist ja nur ein erster Schritt. Die emotionale der zweite und weitaus schwierigere.

    Ich hatte auch das Gefühl mit einem Dr. Jekyll und Mr. Hyde zusammen zu sein und machte eine Zeit lang den Alkohol für die Mr Hyde - Seite meines Ex-Partners verantwortlich. Heute denke ich, es waren alles seine Charaktereigenschaften. Alkohol läßt einem ja nicht zu einem wesensfremden anderen Menschen mutieren, sondern betäubt und enthemmt.

    Die Frage, die ich mir selber aufrichtig beantworten musste, war, ob ich tatsächlich seine Grenzüberschreitungen zuließ, weil ich sie dem Alkohol und der Krankheit zuschrieb. Hätte ich bei einem gesunden Mann anders reagiert oder ähnliches zugelassen? Bzw. wieso habe ich mit Alkoholsucht derartiges Fehlverhalten bei ihm und bei mir bagatellisiert, legitimiert, schlichtweg akzeptiert?


    Orlando

    Danke für Eure Antworten, die ich alle gut nachvolziehen kann.

    Mittlerweile habe ich das Gefühl, ich habe eine falsche Frage gestellt. Die läßt sich gar nicht allgemein beantworten. Es ist wichtig situativ zu Handeln und dabei bei sich selber zu bleiben. Und das ist grundsätzlich eine Kunst. ich war von der Talk-Show geleitet gewesen.

    Interessant ist, dass mein Beitrag und meine Frage bei einigen von Euch assoziiert, ich könne vielleicht alkoholsuchtgefährdet sein. Die offene konfrontative Frage gefällt mir. Wie sie auf einen Alkoholiker wirkt kann ich nicht sagen, ich bin keiner.

    Zitat von n i c i


    Nun muss ich nicht mehr gegensteuern, es ist nicht mein Problem.
    Erkennen tu ich meist schnell einen vorliegenden Alkoholmissbrauch und grenze mich da dann ab.

    Für Gott und die Welt fühle ich mich auch nicht verantwortlich, schon aber für Menschen in meinem direkten Umfeld. Und da ist es mir wichtig, präventiv handeln zu können. Abgrenzung und eine für mich gesunde Distanz zu wahren ohne auszugrenzen. Solange ich das nicht kann - und meine Frage bezieht sich darauf, wie das zu schaffen ist - ist es nur in meinem eigenen Interesse mich konsequent abzuwenden und wegzusehen.

    Eigentlich wollte ich hierzu https://beispiel.rocks/beispiel.rocks…topic26902.html ein Statement abgeben, denn mir hat die Sendung ausgesprochen gut gefallen.

    Mich hat Andreas Schockenhoff mit seinen deutlichen Worten bezüglich Selbstaufmerksamkeit und Umgang mit Gefühlen beeindruckt, ebenso die klaren Worte von Dr. Salloch-Vogel, der sehr deutlich machte, dass für einen Alkoholiker kontrolliertes Trinken unmöglich ist. Auf die Frage: "Ein Alkoholiker kann nur trocken bleiben oder er endet wie Harald Junnke?"antwortete er mit "natürlich! der Alkohol verkürzt die Lebenserwartung um 20 Jahre".
    Ebenso stimmig finde ich die Meinung, dass der Alkoholgenuss in vielen Kulturen traditionell eingebunden ist.
    In dieser Sendung hörte ich deutlich, dass 7% unserer Bevölkerung alkoholkrank sind und demnach nicht aus freiem Willen entscheiden können, was und wie viel sie trinken und wann sie damit aufhören. Das relativiert den Eindruck, den ich gelegentlich hier im Co-Abhängigenbereich bekomme: die Alkoholiker beherrschen die Welt ;)

    Mit dem was ich erlebt habe, akzeptiere ich jeden, der keinen Alkohol trinkt, unterstütze jeden, von dem ich weiß, dass er trockener Alkoholiker ist, mit Alkoholverzicht in seiner Gegenwart und genieße dennoch gelegentlich alkoholische Getränke. Um nochmals mit dem trockenen Alkoholiker Dr. Salloch-Vogel zu sprechen ist Alkohol eine wundervolle Droge, die euphorisiert und entängstigt. Es stimmt mich aber traurig zu realisieren, dass 30% aller trockenen Alkoholiker rückfällig werden und es stimmt mich traurig, wenn ich sehe, wie mein Ex-Partner immer noch trinken muss.

    Die Fragen, die mich bewegen sind, wie erkenne ich, dass Alkoholmissbrauch vorliegt und wie kann ich dann ggfs. angemessen gegensteuern?

    Zitat von Hartmut

    ... fehlt oder ich es einfach aus anderen Gründen nicht verstehe , mache ich erst mal zu. ...


    Das war ein wesentlicher Aspekt in meiner damaligen pathologischen Beziehung, der mich "triggerte". Er machte zu und ging damit aus dem Kontakt und ich wollte die damit entstandene Distanz nicht zulassen. Also versuchte ich mich mit vielen anderen Worten verständlich zu machen, wieder einen Zugang zu bekommen, wieder mit ihm zusammen zu sein....
    Ein Teufelskreis, bei dem es um unterschiedliche Bedürfnisse von Nähe und Distanz ging.

    Ein anderer Aspekt, der für mich schwierig war, stark an meinem Selbstwert rüttelte, war die unterschiedliche Realitätswahrnehmung. Die vehemente Lüge des Alkoholikers rüttelte an meinem Selbstvertrauen bezüglich meiner Wahrnehmungsfähigkeit und gesunden Intuition. Wenn ich mich da in diese unsäglichen Diskussionen hineinbegab und "Recht haben musste", so ging es da sehr existenziell um mich. Vermutlich fühlte ich nämlich den Schmerz, die Unsicherheit, Verzweiflung, die der Alkoholiker ja mit dem Stoff betäubt und weg drückt.

    Klar habe ich mittlerweile verstanden, wie müssig und mich selbst schadend das ganze war. Eigentlich wollte ich doch nur geliebt sein, anerkannt und wertgeschätzt, so, wie halt das kleine trotzige Kind in mir, das irgendwann einmal nicht verstehen konnte, weshalb es nicht in den Arm genommen und behütet wurde....

    Bin ich deshalb krank?
    Nein! ich hatte mich in der Liebe verirrt und brauchte meine Zeit, das zu bemerken.