Hallo Rosita,
hab den ganzen Vormittag damit verbracht Deinen Thread von A bis Z zu lesen. Oh Mann, starker Tobak!
Ich kann Deine Ratlosigkeit und Verzweiflung, wie DU dich ändern sollst und kannst total nachvollziehen. Man ist in seine Rolle hineingeboren, hineingewachsen. Ist nach Familienregeln: "liebes, nettes Mädchen sein", "Man widerspricht nicht" (weder dem Chef, dem Partner, noch irgend einem anderen "höheren" Wesen), "man hat zu dienen und immer allen es recht zu machen" etc. etc. erzogen und geprägt worden.
Wenn man sich das überlegt: Sind wir noch im Mittelalter?
Heute sieht es doch so aus, dass wir Frauen eigentlich keinen "Ernährer" und "Beschützer" mehr brauchen und selbst unsere "Frau" stehen, ob im Beruf, Familie, Haushalt, selbst bei technischen Dingen (Männerdomäne).
Diese Entwicklung hat nur noch nicht in unseren Köpfen stattgefunden und sich dort manifestiert. Auch die Männer haben es noch nicht kapiert. Oder doch? Mir kommt es manchmal so vor, dass sie Angst haben, eine selbständige Frau zu haben, die sich von ihnen nicht mehr - wie sonst gewohnt - manipulieren lässt und klein machen lässt. Ich glaube, dass das mit Minderwertigkeitsgefühlen zu tun hat. Eine Rolle abzugeben, die doch von Urzeiten her den Männern vorbehalten war. Unbewusst haben Sie Angst davor. Und wenn dann der Freund Alkohol oder die Freundin Alkoholika dazu kommt, dann lassen Sie ihre Angst auf die Art und Weise raus, dass sie einen bewusst demütigen und verletzen. Verständnis dafür? Ja und nein.
Du schreibst, dass Du schon eine Therapie hinter Dir hast. Was war das für eine?
Ich war Jahrzehnte auch "abhängig". Zwar nicht vom Alkohol oder Tabletten, sondern von der Arbeit (Workaholic) und von der Anerkennung anderer.
Dass hatte mir nach jahrelangem Mobbing eine Depression und Burn-Out verschafft. Ich konnte nicht mehr, wollte Schluss machen, wusste irgendwie, dass alles an mir liegt, wusste aber keinen Ausweg, geschweige denn, wie ich es formulieren sollte.
Hatte Glück. Bin zu meiner Hausärztin gegangen. Für mich die letzte Möglichkeit Hilfe zu bekommen, bevor alles zu spät war. Sie hat zwischen meinen ausgesprochenen Sätzen "gelesen" und verstanden. Ich durfte noch nicht einmal mehr die Praxis verlassen, kam sofort in die Klinik. Sie hat mein Leben gerettet! Das weiß sie auch, ich hab´s ihr gesagt.
In der Klinik habe ich nach Wochen erst einmal gelernt, was bei mir nicht "richtig" läuft. Es läuft alles richtig, ist nur falsch "programmiert". Ich hatte gar kein Selbstbewusstsein, hab mich nie als Frau gefühlt, immer als Neutrum, hab mich immer nur über andere definiert, nie über mich selbst. Hab alles gemacht und noch mehr - für die Anderen, um Anerkennung zu bekommen. MEIN Lebenselixier!
Ich weiß noch wie der damalige Stationsarzt gesagt hat, dass er mich erst einmal für ca. 6 Wochen krank schreibt. Ich nein, so lange nicht, die Arbeit. Wie dumm - sag ich heute. Es dämmerte mir aber schon innerhalb der ersten 4-5 Wochen intensiver Therapie, dass mir die 6 Wochen wohl nicht reichen werden um "gesund" zu werden. Bei mir schlich sich immer mehr das Bewusstsein ein: Jetzt bin ICH erst einmal dran, ich muss jetzt an MICH denken und die Arbeit ist mir egal! Sie wurde mir auch immer mehr egal. Anfragen meines Chefs, ob ich die Klinik nicht stundenweise zum Arbeiten mal verlassen könnte, riefen Entsetzen in mir wach und wurden natürlich abgelehnt. Aber glaube mir, damals noch mit schlechtem Gewissen.
Auch sollte ich am Wochenende, wenn ich "Freigang" hatte zum Arbeiten kommen. Irrsinn, wenn ich mir das jetzt so überlege. Welche Dreistigkeit!
Kurz zusammengefasst:
Ich habe eine Verhaltenstherapie gemacht, viele, viele Steine aus meinem Weg geräumt, hart, sehr hart an mir gearbeitet und viel erreicht. Ich bin aus dem Tal heraus, aber noch nicht auf dem Gipfel, obwohl ich ihn schon lange sehe!
Ich lasse mich nicht mehr klein machen, behaupte mich und stehe für das ein, was ICH für richtig halte und bleibe meinen Prinzipien treu.
Am Tag meiner Entlassung aus der Klinik - nach ca. 3 Monaten - hatte ich meine Kündigung im Briefkasten (angeblich betriebsbedingt). Habe dagegen geklagt, war 3x vorm Arbeitsgericht (1. wegen Kündigung, 2. wegen einstweiliger Verfügung wegen Mobbing und Schikane, 3. wegen Arbeitszeugnis). Damit nicht genug. Heute nach 1 1/2 Jahren ist das mit meinen Ex-Chef noch immer nicht erledigt. Er ist auch mein Vermieter. Nach dem er arbeitsrechtlich nicht gegen mich (und auch sonst nicht mehr) angekommen ist, ging es im mietrechtlichen Bereich weiter. Lügen, Provokationen, bis hin zur Räumungsklage. Habe deswegen jetzt schon 2 Gerichtstermine hinter mir. Aber er kriegt mich nicht klein, nicht zu SEINEN Bedingungen!!! Manchmal bin ich zwar noch niedergeschlagen und frage mich für was denn das alles. Es gibt nur eine Antwort: FÜR MICH UND MEIN NEUES LEBEN!
Ich schlafe ruhig, bin zu 99,9 % gut drauf, hab mich selbständig gemacht (mit meiner Leidenschaft und meinen Hobbies), bin ein total "anderer Mensch", was mir auch jeder, der mich noch von "früher" kennt, auch immer wieder bestätigt und ich fühle mich endlich als Frau und strahle das auch aus.
Ich liebe meinen "Problemfall" auch immer noch und will und wollte immer alles verstehen. Ich hab aber erkennen müssen, dass die Menschen nicht einfach gestrickt sind und sich keiner tief in seine Seele blicken lässt (Männer schon gar nicht). Ich glaube, Männer haben eh´ ein Problem mit Gefühlen, vor allem wenn es sie selbst betrifft, umzugehen bzw. überhaupt erst einmals zu erkennen und zu definieren.
Ich liebe ihn, aber mich liebe ich mehr!
Ich möchte für mich nicht noch einmal am Abgrund stehen.
Irgenwo habe ich mal gelesen: Lieben heißt auch loslassen können!
Vielleicht ist das noch ein größerer Teil von Liebe.
Such Dir wirklich professionelle Hilfe, geh zum Therapeuten etc. (ich geh übrigens immer noch hin - ist irgendwie meine "Krücke"). Es gibt genug "Baustellen" in unserer Seele.
Und vor allem, wenn die "Fliehst", dann flieh zu DIR SELBST.
Ach zum Thema Schuld noch eines, was sich mir sehr eingeprägt hat: Mein Therpeut sagte: Schuld muss man nur empfinden und ist gerechtfertigt, wenn man bewusst gegen Recht und Ordnung und das Gesetz verstoßen hat. Ansonsten sind Schuldgefühle nicht angebracht.
Nachdenklich? War ich damals auch.
Schicke Dir Sonnenstrahlen in Dein Herz und viel viel Mut. Du bist nicht allein und schon auf den richtigen Weg. Der Weg geht nur durch die Angst, nicht drum herum.
Hope