Beiträge von cailin

    Hallo Lavandula!

    Jaaaa, mit genau diesen archaischen Familienstrukturen bin ich auch bestens vertraut! Mein Vater war auch so ein narzisstisch gestörter Hobby-Tyrann, dem alle Mitglieder der “Familie” gefälligst untertänigst zu folgen hatten. Nur gegen seine Mutter konnte er nicht anstinken. Aber die fand ihn offenbar so, wie er war, ganz toll... Alle anderen haben sich leider von seinem Gebrülle sehr beeindrucken lassen. Wobei ich gestehen muss, daß er als Ex-Soldat auch sehr gut brüllen konnte. Der Kasernenhof lässt grüssen!

    Ich kam dann auch auf’s Gymnasium (gehört sich in einer Akademiker-Familie ja so) und habe da dann auch kritisches Denken gelernt und andere Formen menschlichen Zusammenlebens kennengelernt, den Alt-68er-Lehrern sei Dank. Zuhause habe ich dann versucht zu rebellieren... Das hat natürlich nichts gebracht. Die Erklärung für mein “komisches” Verhalten war ja klar: Das ist nur die Trotzphase eines Teenagers. Und Trotzphasen sind natürlich Ungehorsam und müssen entsprechend umgehend niedergebügelt werden, wobei dann zur “Stärkung” für den “Kampf” auch gerne mal ein Schlückchen genommen wurde.

    Dann folgte die immer gleiche Abwärtsspirale: Je mehr der Vater trank, desto lauter brüllte er, was meine Mutter dann wieder nicht aushalten konnte, weswegen sie sich mit Alkohol und Tabletten betäubte, was meinen Vater dann nur noch mehr anheizte... Und so weiter und so fort. So wurde selbst aus dem allerlächerlichsten Konflikt immer der totale Krieg.

    Wenn man ihn dann mal in einem ruhigen Moment (Seltenheitswert!) auf sein Verhalten ansprach, dann entschuldigte er immer alles damit, daß er es als Kriegskind ja so schwer hatte. Klasse... Daß er exakt diesen Krieg in seiner eigenen Familie immer und immer wieder reinszenierte, hat er bis heute nicht begriffen und macht es noch immer. Soll er. Mich interessiert das nicht mehr.

    Liebe Grüße

    cailin

    Liebe Sonnenstrahl,

    hilfreiche Tips kann ich Dir leider keine geben, ich stecke im Moment ja in der gleichen Situation wie Du. Mir kommt das alles soooooooo bekannt vor...

    Fühl Dich einfach mal ganz doll von mir gedrückt, wenn Du magst!

    Irgendwie schaffen wir das!

    Ganz liebe Grüße

    cailin

    Hi Kim!

    Ja, ich kann mir sehr gut vorstellen, was passiert, wenn Mutter und Oma zu lange unter einem Dach leben. In der Fachsprache nennt man das glaube ich “symbiotische Verschmelzung”. Dann pack da noch einen Ehemann/Partner dazu, der ebenfalls mit seiner Mutter “symbiotisch verschmolzen” ist, lass die Bande ein Kind in die Welt setzen und gib ihnen ausreichend Alk, dann hast Du das Familienidyll schlechthin... :roll:

    Wie’s mir geht? Hm, na ja, nach 36 Jahren Verstrickung in die Suchtfamilie bin ich jetzt am Ende meiner Kräfte. Ich will da einfach nur noch raus! Die “Eltern” machen eh was sie wollen, das habe ich inzwischen Gott sei Dank begriffen (hat lange genug gedauert). Wenn die sich totsaufen wollen, dann machen die das, da kann man gar nichts dran ändern. Und wenn man es trotzdem versucht, dann macht man sich nur selbst kaputt.

    Für Donnerstag wünsch ich Dir, daß Du in der SHG nette Menschen triffst, mit denen Du Dich gut austauschen kannst!

    Liebe Grüße

    cailin

    Hallo Emma!

    Für die Erkenntnis, daß ich so nicht mehr kann, daß mir das alles zu viel ist, habe ich furchtbar lange gebraucht. In so einer Suchtfamilie hat man ja im Grunde gar keine Gelegenheit, seine eigenen Grenzen zu erkennen. Es zählen immer nur die Grenzen, die von den Süchtigen gesetzt werden, und die liegen weit jenseits dessen, was ein Mensch eigentlich auf Dauer aushalten kann.

    Hilfe annehmen können war bei mir immer ein sehr schwieriges Thema und das fällt mir auch heute noch sehr schwer. Wenn meine “Eltern” mal auf die Idee kamen, mir “helfen” zu wollen, dann bedeutete das immer tausendmal mehr Stress, als wenn ich es gleich alleine gemacht hätte. Aber ich arbeite daran und ich habe mir inzwischen sogar fest vorgenommen, daß ich mir psychotherapeutische Unterstützung holen werde. Ganz alleine geht das nicht mehr...

    Den Eltern verzeihen... Hm, ja, vielleicht irgendwann mal... Heute muss ich erstmal lernen, überhaupt richtig wütend auf sie zu sein und sie nicht immer wieder damit zu entschuldigen, daß sie ja eigentlich krank sind.

    Danke für Deine lieben Wünsche... Ich hoffe ja auch, daß ich es schaffe, mich aus diesem Sumpf zu befreien. Eigentlich ist es jetzt höchste Zeit für ein neues, eigenes Leben. Es hilft mir aber schon ungemein, daß ich hier immer wieder lesen kann, daß es tatsächlich möglich ist. Ich freue mich für alle, die das schon geschafft haben, und kann für mich daraus Hoffnung schöpfen, daß mir das auch gelingt.

    Liebe Grüße

    cailin

    Hallo Lavandula!

    Das Zulassen von Wut ist für mich noch total neu. In meiner “Familie” war das ein Privileg der Eltern, bei mir wurde jeder noch so kleine Ansatz von Wut im Keim erstickt und mit Isolation geahndet. Daher kannte ich bisher nur zwei Arten, mit Wut umzugehen: Entweder habe ich sie unterdrückt und in mich hineingefressen oder ich habe sie gegen mich selbst gerichtet. Daß Wut eigentlich ein ganz normales Gefühl ist, das dazu gehört, aus dem man Energie schöpfen kann und daß es auch erlaubt ist, die Wut an die Adresse der “Eltern” zu richten, lerne ich gerade erst. Langsam, in kleinen Schritten. Aber das Gefühl, das ich dabei habe, ist gut...

    Ach, bei der Gelegenheit: Die Regeln für die Suchtfamilie, die Du im Thread “Merkmale für ein EKA” aufgeschrieben hast, treffen auch auf mich hundertprozentig so zu. Das mal so kompakt schwarz auf weiss direkt vor meiner Nase zu haben hat mir als notorische Um-die-Ecke-Denkerin sehr geholfen. Danke!!!

    Liebe Grüße

    cailin

    Hallo Kim!

    Daß Du psychisch fertig bist, hört sich absolut nicht dumm an!!! Wenn man täglich so ein Chaos erlebt, dann kann das doch gar nicht ohne Spuren an einem vorübergehen. Ich find’s sehr gut, daß Du Dir Hilfe holen willst und drücke Dir die Daumen, daß das auch ganz schnell klappt!

    Das, was Du über Deine Mutter und Deine Oma schreibst, kommt mir übrigens sehr bekannt vor. Meine Oma hat zwar nicht bei uns im Haus gelebt, aber nur ein paar Straßen weiter. Und so war sie dann auch ständig bei uns, um meiner Mutter alles abzunehmen, damit die sich um ihre Karriere kümmern kann. Eigentlich hat meine Oma den Haushalt komplett geschmissen... Der Vater meiner Mutter ist auch sehr früh gestorben, da war sie auch so sechs oder sieben Jahre alt. Dadurch hat sich dann zwischen meiner Mutter und meiner Oma wohl eine sehr klammernde Beziehung entwickelt, die nicht wirklich gut war. Aber die Probleme zwischen unseren Müttern und deren Müttern sind nicht unsere Probleme. Das müssen die unter sich ausmachen, da haben wir absolut gar nichts mit zu tun!

    Liebe Grüße

    cailin

    Hallo Linde!

    Hmm, ja, mit diesem Loch, das immer größer wird je mehr ich mich aus dieser Suchtfamilie löse, habe ich wirklich große Schwierigkeiten. Bisher habe ich ja gar nicht mein Leben gelebt, sondern immer nur versucht, das Leben zu leben, das andere von mir erwartet haben. Eine in genau dieses Schema passende Beziehung hatte ich bis vor eineinhalb Jahren ja auch noch. Da war alles ganz einfach. Ich wusste ja genau, was ich zu tun hatte... Jetzt ist da nicht viel mehr als eine vage Vorstellung davon, wie es werden, wo es hingehen könnte. Das macht mir irgendwie Angst.

    Vielleicht ist es ja aber auch ganz gut, daß es im Moment niemanden gibt, an dessen Erwartungen ich mich orientieren kann?

    Liebe Grüße

    cailin

    P.S.: Eine Kerze hat bei mir nicht gebrannt, dafür habe ich mir aber einen langen Waldspaziergang mit meinem Hund gegönnt. Danach dann noch ein heißes Bad und... mehrere Stunden Tiefschlaf auf dem Sofa. Deswegen schreibe ich hier jetzt auch mitten in der Nacht. Bin irgendwie noch nicht wieder müde.

    Hallo Sonnenstrahl!

    Auch Dir ganz lieben Dank für Deine Antwort!

    Ja, das Erkennen der Manipulationen ist ein wichtiger Schritt, aber leider auch einer, der mit sehr viel Schmerz verbunden ist. Wenn man erkennen muss, daß die Liebe, die man ja trotz allem für die Eltern empfunden hat, auf so ekelhafte Weise missbraucht wurde, dann tut das schrecklich weh. Und mit diesem Schmerz fühle ich mich momentan ziemlich allein, weil hier in meinem Umfeld niemand ist, der damit irgendwie umgehen könnte. Da ist kein Mensch, der mich einfach nur mal in den Arm nehmen, mich trösten würde... Die konnten alle scheinbar nur mit der starken Fassade, die ich immer vor mir her getragen habe, umgehen. Und jetzt, wo ich mal schwach bin, da gehen alle immer mehr auf Distanz. Das tut dann noch mehr weh...

    Deshalb kann ich im Moment auch noch nicht wirklich glauben, daß es irgendwo tatsächlich Menschen geben könnte, die mich auch mit meiner Schwäche liebenswert finden könnten.

    Im Moment bin ich jedenfalls ganz schön wütend darauf, daß “Stärke” etwas ist, das in unserer Gesellschaft so über-idealisiert wird.

    Liebe Grüße

    cailin

    Hallo Linde!

    Zitat

    das mit dem gaaanz besonderen Weihnachtspäckchen kann man sich ja einfach seeehr genüßlich ausmalen, grins, sieht ja keiner...


    Das sollte auch besser niemand sehen, dann ich kann manchmal eine seeeeehr blühende Fantasie haben! :evil:

    :wink:

    Liebe Grüße

    cailin

    Hallo Linde!

    Zitat

    Du kannst dich monatelang darin erschöpfen, an deinen Eltern rumzuschrauben.


    Eigentlich mache ich damit ja tatsächlich nichts anderes, als ich immer gemacht habe... Und gebracht hat es definitiv nie etwas. Die “Eltern” wissen ja, was sie tun müssen: Einfach das dumme Kind ins Leere laufen lassen, irgendwann hört es dann von selbst auf, wenn es erschöpft genug ist. Oh je, das ist schon wieder so ein Mechanismus, der an mehr als nur einer Stelle in meiner “Beziehung” zu den “Eltern” zu finden ist. Und einer, der ganz sicher schon früh in meinem Leben zum Standardprogramm gehörte. Ich glaub’, da fällt gerade mal wieder ein Groschen bei mir... Wenn ICH die alten Verhaltensmuster nicht verlasse, dann wird es niemand tun...

    Das mit den Schuldgefühlen unter dem Weihnachtsbaum ist ein schöner Gedanke. Richtig schön mit rosa Schleifchen und Sternchen drauf... :evil: Leider ist das aber ein Punkt, bei dem es bei mir noch ganz schön hakt. Ganz bewusst etwas tun, das für mich eigentlich gut und richtig ist, von dem ich aber ganz genau weiß, daß es das Sauf-Programm auslöst, fällt mir noch immer unendlich schwer. Der Verstand weiß ja, daß ich mir damit nur selbst im Wege stehe, aber die Gefühle hinken da (noch) extrem hinterher.

    Liebe Grüße

    cailin

    Hallo Hartmut!

    Ich bin da ja auch ganz optimistisch. Und wenn’s irgendwo hakt, dann frage ich... :wink: Es ist halt auch die Art der Kommunikation, die ich (noch) etwas, na ja, ungewöhnlich finde: Keine Stimme, keine Mimik, keine Gestik, kein Gesicht, das man mit den Worten assoziieren kann... Das ist im Moment noch etwas komisch...

    Liebe Grüße

    cailin

    Hi Kim!

    Das Zeug zu bekommen ist ganz einfach, da es ja auch als Beruhigungsmittel verschrieben wird. :evil: Und wenn ein Arzt nicht mehr mag, dann geht man halt zum nächsten. Und zur Not gibt's im Bekanntenkreis dann ja auch noch Ärzte, die mal einspringen, weil sie sich nichts dabei denken, weil meine Mutter die ja nicht ständig darum bittet. Alles ganz unauffällig... So kann man sich schön einen Vorrat anlegen, natürlich nur auf Privatrezept und selbst bezahlt. Und da mein Vater das Zeug auch verschrieben bekommt, kann sie sich notfalls von ihm noch was abzweigen. Außerdem denken viele ältere Ärzte (und nur zu solchen geht meine Mutter) leider noch immer, daß Medikamentenmissbrauch ein Phänomen ist, das nur junge Menschen betrifft.

    Edit und edit sind jetzt keine besonders wilden Mittel, da kann auch keine wirkliche Medikamentenabhängigkeit entstehen. Allerdings hat meine Mutter früher sowas auch genommen - aber nur als Alibi... ("Ich nehm ja nur hin und wieder mal etwas Baldrian!")

    Das edit hat als sog. Beta-Blocker tatsächlich Nebenwirkungen, wenn man es zusammen mit Alkohol nimmt. Das führt dann zu einer stark eingeschränkten Reaktionsfähigkeit. Eine Abhängigkeit ist da aber auch eher nicht zu befürchten, soweit ich weiß.

    Wenn Deine Mutter tatsächlich nur die Medikamente nimmt, die Du jetzt aufgezählt hast, dann kann ich Dich zumindest insofern etwas beruhigen, als daß da jetzt keine wirklich abhängig machenden Medikamente dabei sind. Was aber natürlich nicht ausschliesst, daß sie heimlich noch was anderes nimmt... Und dann wäre da ja noch der Alkohol... :evil:

    Hast Du schon mal darüber nachgedacht, ob Du nicht vielleicht mal zu einer Suchtberatungsstelle gehen magst? Die haben da immer auch kostenlose Beratung für Angehörige. Und Deine Situation ist ja nun wirklich total daneben, da Du ja, wenn ich Dich richtig verstehe, ganz alleine mit Deiner Mutter lebst (vom Hundi mal abgesehen). Aus eigener Erfahrung kann ich Dir nur sagen, daß Du Dich total damit überforderst, wenn Du versuchst, das alleine durchzustehen.

    Liebe Grüße (und knuddel Dein Hundi mal von mir, ich hab' auch einen... :) )

    cailin

    edit .keine medikamente nennen danke hartmut

    Hi Kim!

    Das Verhalten Deiner Mutter kommt mir seeehr bekannt vor... Meine Mutter ist alkohol- und medikamentenabhängig, seit ich denken kann. Und es läuft immer gleich ab: Sie schiesst sich mit dem Zeug ein paar Tage lang ins Delirium und wenn diese Phase dann vorbei ist, dann streitet sie alles ab. Ich hab’ so ziemlich alles versucht, um an sie ranzukommen, hatte aber nie auch nur die geringste Chance. Verstehen konnte ich das nie. Bis ich mir dann eines Tages mal die Medikamente, die sie nimmt, genauer angesehen habe: Bei meiner Mutter ist es edit.., das ist ein Medikament, das man z.B. bei Operationen ohne Vollnarkose einsetzt, um ganz bewusst die Erinnerung an die Operation zu trüben. Mit anderen Worten: Sie säuft sich dicht und löscht gleichzeitig die Erinnerung daran aus. Da kann es dann weder Einsicht noch ein schlechtes Gewissen oder sonstwas geben... Und da hat man dann wirklich absolut keine Chance, irgendwie an sie heranzukommen.

    Weißt Du vielleicht, welche Medikamente Deine Mutter nimmt? Wenn es ein edit ist (das ist die Wirkstoffgruppe, zu der auch das Medikament gehört, das meine Mutter nimmt), dann kann sich Deine Mutter wahrscheinlich wirklich nicht richtig erinnern und dann kämpfst Du gegen Windmühlen...

    Liebe Grüße

    cailin

    edit keine medikamenten nennen danke hartmut

    Hi!

    Gotti :

    Danke für Deine Willkommensgrüße! Ich bin echt erstaunt, wie viele Ähnlichkeiten ich hier schon beim Lesen gefunden habe. So viele Aha-Erlebnisse hatte ich glaube ich noch nie innerhalb so kurzer Zeit. Das Gefühl, mit all dem ganzen Müll alleine zu sein, das ich die ganzen Jahre immer hatte, weil immer alle lieber dem äusseren Schein meiner Familie glaubten als mir, beginnt jedenfalls langsam zu verschwinden. Und das alleine hilft mir schon ungemein.

    Kati :

    Ich war heute sozusagen auf der Flucht. Auf der Flucht vor dem Telefon... Das klingelte nämlich schon am frühen Morgen Sturm. Und wer war's? Na klar, die "lieben" Eltern... Dran gegangen bin ich nicht, Anrufe am Vormittag sind immer ein schlechtes Zeichen. Das war eigentlich schon 'ne echte Leistung für mich, vor knapp einem Jahr hätte ich das so noch nicht gekonnt. Aber natürlich kamen dann auch gleich die Schuldgefühle. Es könnte ja sein, daß meine Mutter sich wieder ins Nirvana katapultiert hat und mein Vater nicht mehr mit ihr zurecht kommt und sich dann selbst ein wenig betäubt. Um Weihnachten rum hat das ja schon eine lange Tradition. Ich hab' mir dann meinen Hundi geschnappt, das Handy auf dem Küchentisch liegen lassen und bin lange draussen gewesen... Das war dann sogar richtig schön!

    Trotzdem bin ich auch ziemlich frustriert. Seit Monaten versuche ich meinen Eltern nun schon klar zu machen, daß ich Abstand brauche und daß sie mich nicht mehr so oft anrufen sollen. Und was bringt es? Nichts! Alle paar Tage klingelt das Telefon... Was mich dann erwartet, wenn ich ran gehe, ist immer wie russisches Roulette: entweder fröhliches Heile-Welt-Gesäusel als wenn nie etwas gewesen wäre oder es ist diese träge, langgezogene Stimme, die nur Gift verspritzen kann, und die ich eigentlich nie, nie wieder in meinem Leben hören will.

    Das mit dem Tagebuch muss ich mir noch ein wenig überlegen, so viel Erfahrung mit Internet-Foren habe ich offen gestanden noch nicht. :oops: Ich muss mich da, glaub' ich, erst noch ein wenig eingewöhnen...

    Liebe Grüße

    cailin

    Hallo zusammen!

    Ich bin ganz neu hier und da im Vorstellungsbereich ja nur wenige Benutzer lesen können, stelle ich meinen Vorstellungsbeitrag jetzt auch hier mal rein, damit ihr wisst, mit wem ihr es “zu tun” habt:

    Ich bin vor ein paar Tagen auf dieses Forum hier gestossen und hab’ mich jetzt auch mal angemeldet, weil ich hoffe, daß der Austausch mit anderen Menschen, die wie ich in einer Alkoholikerfamilie aufgewachsen sind, mir vielleicht irgendwie helfen könnte, mich endlich emotional aus diesem Teufelskreis Suchtfamilie zu lösen.

    Ein paar Worte zu meiner Geschichte: Ich bin das einzige Kind von zwei Menschen, die schon sehr lange große Probleme mit dem Missbrauch von Alkohol und Beruhigungs-/Schmerz-/Schlafmitteln haben. Meine Mutter hat diese Probleme wohl schon länger, als ich auf dieser Welt bin, mein Vater hat sich später dann sozusagen angeschlossen. Irgendwie ist das eine ganz furchtbar schreckliche Situation, denn beide sind sowohl von den “Substanzen” als auch voneinander abhängig, obwohl sie sich im Grunde nie wirklich verstanden haben, die Ehe war schon kaputt, bevor ich auf die Welt kam. Damit wären wir dann auch bei der Rolle, die mir von Anfang an zugedacht war: Ich hatte vom ersten Tag meines Lebens an die Aufgabe, die Ehe meiner Eltern zu retten, bin also ein sogenanntes “Kitt-Kind”. Vermutlich haben sie damals wirklich geglaubt, daß meine Mutter das Trinken und mein Vater seine Aggressivität aufgeben könnte, wenn die elterlichen Pflichten “rufen”. Die Realität sah dann anders aus: Die elterlichen Pflichten wurden von meiner Großmutter übernommen, damit sich meine Eltern auf ihre beruflichen Karrieren konzentrieren konnten. Ja, beruflich haben beide ganz toll funktioniert... Akademiker mit gutem Einkommen, die typischen “gutbürgerlichen Verhältnisse”, nach aussen hin alles Glanz und Gloria... Und unter der dünnen Schicht strahlenden Mittelklasse-Leistungsträger-Lacks die pure Hölle.

    Ich kann mich nicht daran erinnern, daß es in meiner “Familie” jemals einen zusammenhängenden Zeitraum von mehr als ein paar Tagen gegeben hätte, in dem Frieden (oder auch nur Waffenstillstand) geherrscht hätte. Streit, Terror, Diskussionen, Konflikte, Intrigen, Delirium meiner Mutter, Tobsuchtsanfälle meines Vaters... Und ich immer mittendrin, als Prellbock, als Sündenbock, als Mülleimer, als Botschafterin, Vermittlerin, als was auch immer. Na ja, wenigstens geprügelt haben sie sich nur untereinander. Immerhin etwas. Das sind meine Erinnerungen an meine Kindheit und Jugendzeit im Kreise meiner Eltern. Die einzigen positiven Erinnerungen habe ich an meine Oma und meinen Hund.

    Trotzdem: Die mir zugedachte Aufgabe, der “Kitt” in der Ehe meiner Eltern zu sein, habe ich immer sehr ernst genommen. Ich war immer lieb, immer brav, habe mich immer vorbildlich benommen - immer in der Hoffnung, daß ich dadurch eine Veränderung bewirken würde. Am Ende ging es sogar so weit, daß ich nach dem Abitur ein Fach studiert habe, das mich nie interessiert hat, sondern etwas, das den Wünschen meines Vaters entsprach, weil ich Angst davor hatte, daß ein “Verrat” durch mich alles nur noch schlimmer machen würde. Und außerdem waren meine eigenen Ideen ja sowieso immer nur “Firlefanz” oder “Hirngespinste”. Wenn ich doch mal den Versuch wagte, etwas eigenes umsetzen zu wollen, dann setzte der Mechanismus ein, der immer sein Ziel erreichte: Mein Vater machte Terror, meine Mutter soff sich ins Delirium, ich bekam die Schuld und kippte am Ende immer wieder um. “Wir haben Dich in diese Welt gesetzt, damit Du uns glücklich machst. Etwas eigenes darfst Du nicht haben. Das ist das höchste Gebot Deines Lebens! Wenn Du uns enttäuschst und dieses Gebot nicht befolgst, dann werden wir krank und das ist dann nur Deine Schuld!” - So in etwa lautet er, der verbale Tumor, der mir vom ersten Tage meines Lebens an in den Kopf gepflanzt wurde.

    Meine Eltern haben ihre Krankheit dazu benutzt, mich von vorne bis hinten zu manipulieren. Heute fällt es mir schwer, andere Menschen um Hilfe zu bitten, wenn es mir schlecht geht, weil ich große Angst davor habe, daß diese sich durch mich manipuliert fühlen könnten.

    Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der jeder kleine Fehler, den ich machte, sofort zu Streit und damit letztlich zur Sauferei aus “Enttäuschung über mich” führte. Heute fühle ich mich bei jedem kleinen Fehler schuldig und traue mir selbst so gut wie gar nichts zu, aus Angst vor Fehlern und den daraus resultierenden Schuldgefühlen. Ich bin oft wie gelähmt.

    Ich bin in einer Atmosphäre aus Terror, Streit und Konflikten aufgewachsen. Heute kann ich keine Konflikte mehr ertragen. Wenn ich Menschen sehe, die sich streiten, dann bekomme ich Schweißausbrüche. Wenn mir selbst ein Konflikt droht, dann versuche ich dem immer aus dem Weg zu gehen oder gebe ganz schnell nach. Gut für mich ist das nicht.

    Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der “Problemlösung” bedeutete, daß man sich mit Alkohol und Tabletten zugedröhnt hat. Heute habe ich Angst davor, Probleme ungelöst zu lassen und überfordere mich dadurch oft genug selber, weil ich vor lauter Problemlöserei und Grübelei kaum noch zur Ruhe komme.

    Ich bin in einer Welt aufgewachsen, in der die Worte “Vergnügen” und “Suff” die gleiche Bedeutung hatten. Heute habe ich große Probleme damit, mich überhaupt mal vergnügen zu können, einfach mal irgendwo zu feiern, weil ich da immer mit betrunkenen Menschen konfrontiert werde und dadurch meine Laune in den Keller geht. Dabei würde ich wirklich gerne auch mal ausgelassen feiern können.

    Ich bin in einer Welt aufgewachsen, in der Leistung und materieller Wohlstand alles war, was irgendeine Bedeutung hatte. Heute machen mir nur Dinge wirklich Freude, die ich ehrenamtlich oder unentgeltlich mache. Aber von Luft und Liebe kann man leider nicht leben.

    Ich habe bisher ein Leben gelebt, in dem von Lebendigkeit keine Spur war, ein Leben, dessen einziger Sinn darin bestand, durch mein Funktionieren die “Eltern” vor dem Absturz zu bewahren.

    Heute kann ich nicht mehr, bin ausgebrannt und völlig erschöpft.

    LG

    cailin