hi –Maria-
wie sieht ein alkoholiker aus – wie habe ich ausgesehen und habe ich mir selbst mein saufen schoen geredet?
nun, ich war im berufsleben erfolgreich im vertrieb taetig, hatte eine liebe frau, das erste kind, ein eigenes abbezahltes haus, was also lag naeher, als mich nach aussen als trinkfest, aber nicht als alkoholiker praesentieren? schließlich wird „unter maennern“ schon mal mehr getrunken, allemal nach einem guten deal. Und wer gut ist, vertraegt halt auch was… dass ich kein „normales“ trinken mehr betrieb, schon seit vielen jahren nicht mehr, war mir bewusst. aber ich wollte es damals noch nicht als sucht sehen. sucht war ja was fuer die, die bereits alles verloren hatten, job, familie, obdach.
ich habe daher meinem „problem“ jahrelang keine „prioritaet“ eingeraeumt und/oder zugestanden, sondern bewusst meinen konsum kleingeredet. als dann ein guter freund von mir unvermittelt an leberzirrhose binnen vier wochen verstarb, habe ich aus angst versucht, trocken zu werden. sehr halbherzig und sehr gefaehrlich, denn ich habe zweimal hintereinander kalt entzogen – damals noch in unkenntnis dessen, was dabei passieren kann. Und auch in kompletter verkennung der realitaet, einer masslosen selbstueberschaetzung meines zustands.
kurz und gut, zweimal kalt als trinkpause hat natuerlich nicht funktioniert, wie auch. beim dritten versuch des kalt entziehens bin ich am vierten tag ohne jede vorwarnung mit einem krampfanfall auf der straße zusammengebrochen und ins delir gefallen. Die aerzte haben mich mit viel muehe mehrfach wieder ins leben zurueckholen muessen. mir fehlen mehrere tage meiner erinnerung, in denen ich im koma lag.
wer meint, jetzt waere es gut und vorbei gewesen, der irrt. ich wollte das, was mir die aerzte in der klinik sagten, nicht annehmen. ich und alkoholiker, lachhaft! ich war ein angesehenes mitglied der „besseren“ gesellschaft, international in meiner branche bekannt und geachtet. also habe ich ein weiteres mal zum alkohol gegriffen, ich wollte beweisen, dass ich den alkohol unter kontrolle hatte, und nicht er mich. ausserdem wollte ich ja nie so werden, wie mein vater. der, ja, der war alkoholiker...
es war die lachnummer schlechthin. Ich habe nach drei tagen wieder mein volles pensum und noch einiges mehr gesoffen. Zum schluss lag mein alkoholkonsum in lebensbedrohlichen mengenbereichen.
ohne zu saufen ging in der frueh schon das trockenkotzen los (seit monaten…), ohne permanenten nachschub fing das zittern an (frueher „wenigstens“ nur nach halben tagen „ohne“…), wortfindungsstoerungen, kreislaufanomalien bis zu herzrhytmusstoerungen, kurz, das ganze programm.
als ich dann auch noch tagsueber auf einmal zu halluzinieren begann, stand fuer mich schlagartig fest, ich muss etwas aendern, ich bin alkoholiker, und ich brauche hilfe, um aus diesem zustand herauszufinden. noch in der gleichen viertelstunde habe ich meinen arbeitsplatz „auf unbestimmte zeit“ verlassen, bin zu meinem hausarzt („ach, sie haben es auch endlich erkannt, das haette ich Ihnen schon vor drei Jahren sagen koennen…“), in die entgiftung, die langzeittherapie und in die selbsthilfegruppe.
ab diesem tag gab es fuer mich keinerlei grund mehr, irgend etwas an meiner krankheit zu verleugnen oder zu beschoenigen. ICH-HATTE-FERTIG!
meine gesundheitlichen schaeden haben sich in den letzten jahren meiner trockenheit sehr zu meinen gunsten gebessert. manche sind jedoch nicht mehr umkehrbar, ich werde mein restliches leben damit leben muessen.
mein umfeld von frueher (beruf, bekanntenkreis) fiel zum teil aus allen wolken, als ich mich als alkoholiker geoutet habe. so manch einer wollte ab dann mit mir nichts zu tun haben.
beruflich wurde ich in der firma geaechtet und mir wurde nahe gelegt, von mir aus zu kuendigen. mit einem alkoholiker koenne man nicht weiter zusammen arbeiten. ich habe dann jedoch sehr schnell eine neue stelle gefunden, wobei mein neuer chef selbst bekennender, trockener alkoholiker war. ein absoluter hardliner, von dem ich viel gelernt habe. meine frau hat in der ganzen zeit zu mir gestanden und mir geholfen, indem sie einfach nur offen war fuer eine neue entwicklung mit uns beiden. aber das ist ein anderes thema und gehoert nicht hier her.
sorry fuer mein abschweifen, aber so war es bei mir. mein persoenlicher point of surrender.
Cu
MrHardcore