Hallo,
ich möchte meinen persönlichen Senf zum Thema Hass dazugeben.
Für mich ist Hass nicht das Gegenteil von Liebe. Das Gegenteil von Liebe ist in meinen Augen Gleichgültigkeit, Desinteresse und Ignoranz.
Hass bindet. Solange wir jemanden hassen, kann er uns verletzen, weil wir immer noch tiefe Gefühle für jemanden haben, solange wir ihn hassen.
Ich lese hier auch heraus, dass noch so viele Erwartungen (er/sie soll sich entschuldigen; er/sie soll leiden) und Hoffnungen (vielleicht liebt er/sie mich ja doch noch; vielleicht wird er/sie ja trocken und dann wird alles gut) da sind *kenn ich*. Diese Erwartungen und Hoffnungen werden immer wieder enttäuscht und schüren den Hass - das heißt, sie binden euch immer weiter an eure Eltern.
Daher bin ich der Meinung, Hass hilft nicht, loszulassen. Im Gegenteil.
Mir sagte mal ein Therapeut (ging nicht um Alkoholismus), meine Mutter habe mir alles gegeben, was sie eben geben konnte. Mehr war ihr nicht möglich. Hääää? Spinnt der? Was hat sie mir denn schon gegeben? Naja gut, ein paar Sachen gab es, aber das reichte ja wohl nicht! Frechheit, sie noch in Schutz zu nehmen.
Richtig gallig wurde ich, als dieser XXX dann auch noch meinte, ihr solle ihr dankbar sein. Ich hätte ihm am liebsten in die *pieps* getreten, für den Schwachsinn...hey, ich war das Opfer und ich sollte meiner Mutter dankbar sein, merkt der noch was?!
Wütend ohne Ende fuhr ich nach Hause! Pff, dankbar sein, dass ich nicht lache!
Naja, ich dachte immer wieder drüber nach, die Wut ließ nach. Hm, vielleicht konnte sie wirklich nicht mehr geben...sie hatte halt schon mal angedeutet, dass ihre Kindheit nicht so toll war...klar, meine Oma konnte tyrannisch sein und Uroma auch, das wusste ich...vielleicht, ganz vielleicht konnte meine Mutter wirklich nicht mehr geben, weil ihr auch nicht mehr gegeben wurde?
Nein, niemand hat eure Eltern gezwungen zu saufen, aber vielleicht ist auch in deren Kindheit was gewesen, was sie nicht aufarbeiten konnten, wo Alkohol eben die Erlösung brachte?
Vielleicht hat eure Oma während der Schwangerschaft geraucht, getrunken? Soll ja angeblich bei Kindern zur Sucht führen können...
Vielleicht sind sie auch einfach nur der Wirkung des Alks erlegen...Mir könnte das nicht passieren...mir schmeckt fast nix und die Wirkung, naja, ich werd eher traurig - nicht gerade ne tolle Droge für mich. Aber wenn ich ne Chipstüte anbreche, dann gehts los, da kann ICH nicht aufhören. Schokolade muss auch sein. Nikotin ist wirkungslos, aber Nudeln mit Käse fress ich, bis mir schlecht ist. Jeder hat so seins, was ihm gefährlich werden kann...
Ich will eure Eltern nicht in Schutz nehmen, aber ich glaube auch nicht, dass die sich ihr Leben so gewünscht haben, sondern dass sie eben das Pech haben, anfällig für die Wirkungen von Alk zu sein oder dass sie eben selber Schmerz ertragen mussten, der sich ganz wunderbar in Alk ertränken lässt...
Von daher haben auch eure Eltern alles gegeben, was sie konnten - auch wenn das bedingt durch den Alk verdammt wenig war.
Dann noch das Thema Dankbarkeit, ich solle meiner Mutter dankbar sein...wofür denn, dachte ich. Manchmal war ich so sauer und enttäuscht, dass ich gar nichts fand. Aber dann wurde mir klar, ich verdanke ihr mein Leben. Das ist doch schon mal was. Klar hat sie mir nicht die besten Voraussetzungen mitgegeben und klar hat sie mein Leben auch oft in die falsche Richtung gelenkt, aber jetzt bin ich ja erwachsen und ich lebe!
Immer wenn ich nach was Neuem suchte, wofür ich dankbar sein konnte, fielen mir auch zig Sachen ein, die sie verbockt hatte. Das brachte mir auch nichts. Bis ich irgendwann dahinter kam, dass es gar nicht nötig ist, vieles zu finden. Wichtig ist, sich nicht auf die verbockten Sachen zu konzentrieren. Wem bringts was? Mir nicht und um mich geht es doch!
Also lerne ich fleißig weiter: meine Mutter liebt mich - auf ihre Weise, so, wie es ihr möglich ist.
Wie sehr man zurückliebt, das muss jeder selbst entscheiden. Aber die Liebe darf einen nicht am Loslassen hindern.
Misskateshi, was du zur Krankheit Krebs sagst...hm, denk mal drüber nach, wie viele Krebskranke weiter rauchen...
Sicher gibt es die, die kämpfen, aber auch nicht durchweg, auch die haben meistens "schwache" Momente.
Guck mich an, ich wiege genug für 2 und kann trotzdem nicht aufhören zu futtern. Warum? Ich kann es dir nicht sagen... Bin auch nicht besser als deine Mutter.
Dann bleib ich beim Krebs. Meine Kollegin starb daran. Sie wurde zusehends verwirrter und redete viel schlimmes Zeug. Traurig war das.
Aber letztlich ist es das, was deiner Mutter passiert. Ihre Krankheit verändert sie und macht sich unzurechnungsfähig und gemein.
Als meine Oma demenzkrank wurde, veränderte sie sich extrem. Sie haute Wörter raus...meine liebe kleine Omi war vulgär, obzön, gehässig, widerlich.
Würdest du mir nicht auch sagen: "Riona, das war doch nicht deine Oma, die das sagte, das war die Demenz."?
Ich jedenfalls sage dir, das was deine Mutter von sich gibt, du seist verrückt, sie wollte nie Kinder usw., das darfst du nicht an dich ran lassen, denn es ist nicht deine Mutter, die das sagt, es ist der Alkohol.
Deine Mutter ist durch den Alkohol kaputt gegangen - lass nicht zu, dass er auch dich weiter fertig macht.
Versuche, deinen Frieden zu finden - mit dir, aber auch mit deiner Mutter.
edit Martin:bitte keine Zitate einfügen, danke