Beiträge von Papaya

    Hallo zusammen,

    da (mal wieder) ein Zeitpunkt erreicht ist, wo der Alkoholismus meines Vaters mein Leben doch stark zu belasten scheint, wende ich mich an dieses Forum, ich habe einige Beiträge von anderen gelesen und es ist tröstlich zu wissen, dass man nicht allein ist.

    Zur Vorgeschichte:

    Ich bin 28, mein Vater hat in meiner Kindheit immer Quartalssaufen betrieben. Als ich klein war, dachte ich, meine Mutter sei „die Böse“, denn wenn mein Vater saufen war, war meine Mutter nur noch ein Wrack, schrie mich oft an und war nachher auch in therapeutischer Behandlung. Sie hat mich auch angeschrien und geschlagen, während mein Vater, wenn er betrunken ist, immer nett und nur ein wenig gefühlsduselig ist, und halt unglaublich tranig... Schlimm war die Warterei! Wenn er mal zu spät von der Arbeit kam, war gleich die Anspannung da: Bus zu spät oder Kneipentour? Ich erinnere mich auch noch, als ich mich mal als kleines Kind an sein Bein klammerte als er wieder am Trinken war und in die Kneipe gehen wollte. „Papa, geh nicht, bitte, bitte!“ Er ist gegangen, klar.

    Als ich 12 war, hat meine Mutter die Schlösser ausgetauscht, einen ganz klaren Cut gemacht und sich scheiden lassen. Das war recht dramatisch, mein Vater tat mir leid, ich kam immer gut klar mit ihm! Aber... er machte dann eine stationäre Theraphie! Und war sechs wunderbare Jahre trocken!

    Volle Fahrt zurück

    Kurz vor meinem Abi rief er mich betrunken an. Habe es dann noch ein wenig verdrängt irgendwie, einmaliger Ausrutscher, aber schon bald wurde deutlich, dass er wieder trinkt. Tja, das geht nun seit zehn Jahren wieder so, ich kann nicht mehr einschätzen, ob es mal besser oder schlechter wird, ich weiß es nicht.

    Ein paar Szenen aus den letzten Jahren:

    Ich sitze tränenüberströmt mit meinem besoffenen Dad und seiner Freundin im Krankenhaus, wir hatten vorher mit ihm ausgemacht, dass er eine Entgiftung macht. Ich war so fertig, das war eine schreckliche Situation... Hat die Entgiftung übrigens gemacht, dann aber keine weitere Therapie.

    Erster Weihnachtstag, wir sind eingeladen bei ihm, kommen an, er ist nichtmal da. Seine Freundin meint, er komme bald und irgendwann torkelt dann mein Vater an...

    Ich Blödian lasse mich mal wieder ein Gespräch mit meinem betrunkenen Vater ein. Er meint, er will aufhören, aber ab und zu könne man ja mal. Und das Aufhören sei so schwierig. Er wolle aber heute nicht in die Kneipe gehen, sondern sich zum langsamen Ausschleichen ein Viez holen am Kisok. Ich sage ok, dann warte ich hier... und ich warte.. und warte.... Tja, als ich dann aus seiner Wohnung gehe, sehe ich ihn in einer Döner-Bude vor einem Bier sitzen. Ich war MASSLOS enttäuscht! Naiv, mag sein.

    Mein Bruder und ich wollen mit ihm zu einer Gartenschau, sitzen über ne Stunde in der sengenden Sonne und warten... Ratet mal, wer nicht kommt?

    Und ganz frisch: Weihnachten 2009. Mein Vater lädt uns alle zum Essen ein. Also seine beiden Kinder, seine Freundin und deren Kinder plus Partner. Mein „neuer“ (seit Februar 2009) Freund ist auch dabei. Ich erkenne direkt, dass mein Vater nicht ganz nüchtern ist.... Würde am liebsten gehen. Als mein Vater dann auch noch allen Ernstes vor meinen Augen ein Bier bestellt, heule ich den Rest des Abends rum. Ich komme mit dieser Situation überhaupt nicht klar, ich bin wütend und sage ihm das auch, mir ist klar, dass ich von den anderen, die so tun als sei nichts, irgendwie eine Außenseiterposition einnehme. Ich bin wohl eine Art Spielverderber, der sich nicht im Griff hat. Alle tun so, als sei es das normalste der Welt, dass mein Vater trinkt. Ich sagte ihm mehrmals, ich will mit seiner Trinkerei nichts zu tun haben und am liesten würde ich aufstehen und gehen, aber die Konvention zwingt mich zu bleiben. Er hat ein schlechtes Gewissen, meint aber ich würde auch übertreiben, das sei doch nur ein Bier... Ich habe auch irgendwie ein schlechtes Gewissen, warum mache ich so ein Drama, wieso kann ich nicht aufhören zu weinen, mein Freund tut mir leid, der ja in einer echt schwierigen Situation ist... Aber ich kann doch nicht heile Welt spielen??

    Ja, vor Vatertag meinte mein Bruder schon, mein Vater habe sich in der Wochen angehört, als habe er was intus... Also habe ich am Vatertag nur zögerlich angerufen. Und, klar, er war betrunken. Wollte er erst nicht zugeben (ich bin erkältet! Also wie kommst du denn darauf, ich hätte was getrunken...“), aber ich machte ihm klar, dass das so keinen Zweck hätte und wir nicht kämen, wenn er was getrunken hat. Naja, am folgenden Wochenende telefonierten wir nochmal, er gab freimütig zu, auf einer Feier „ein paar Bier“ getrunken zu haben. Ich sagte, ich komme dann nicht, verstand er auch/schien ihm recht. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört, was sehr ungewöhnlich ist, denn wenn er nicht trinkt, ruft er 2-3 mal pro Woche an.

    Und nun?

    Sorry, das ist nun alles sehr lang. Ich mache mir irgendwie Sorgen, habe ein schlechtes Gewissen, aber ich will auch nicht anrufen. Und was mache ich nun, mein Vater scheint ja immer offener zu trinken? Das ist ja löblich, dass er nicht mehr so viel lügt, aber ich kann das doch, wenn ich damit konfrontiert werde, nicht einfach ignorieren? Ich glaube, er redet sich ein, kontrolliert trinken zu können? Er ist nun in Altersteilzeit, ich habe oft den Eindruck, er würde seine Kinder viel häufiger sehen wollen, aber wir haben, soweit ich für meinen Bruder mitsprechen kann, einfach oft keine Lust, auch wenn er nüchtern ist, nicht. Irgendwie scheint das alles von schlechtem Gewissen, auch Vorwürfen, muss ich zugeben usw. belastet zu sein.

    Ja, ich glaube, ich bin emotional manchmal nicht so ausgeglichen (weine leicht..) und diese Kaltschnäuzigkeit, die manche hier haben, die Kinder von Alkoholikern sind, kommt auch vor, meist, wenn ich mich emotional überfordert fühle. Ich selbst trinke im übrigen so gut wie nie was und meide alles, wo viele Betrunkene anzutreffen sind.

    Falls sich jemand bis hierhin durchgequält hat, würde ich mich über einen Rat freuen. Soll ich mal anrufen? Ist das Ok, ihn nicht zu besuchen?Er ist ein sehr lieber uns sensibler Mensch, aber ich kann einfach nicht mitansehen, wie er sich selbst zerstört. Er meinte am Vatertag auch, dass es ihn ja auch so betroffen gemacht habe, dass wir uns nicht gemeldet hätten vorher (habe erst nachmittags angerufen). Tatsächlich macht mir das ein schlechtes Gewissen, auch wenn ich weiß, dass es irrational ist....

    Und wie geht es weiter? Wird er sich nun definitiv langsam zugrunde saufen?? :(

    viele grüße
    Papaya