Beiträge von Fleur

    Hallo Sally,

    Zitat

    Meine Mutter fing auch ne Therapie an, da sie ihre Sucht bekämpfen will. Jedoch nur mit mäßigem Erfolg. Ihre Therapeutin hebt angeblich nicht ab. Sie will auch zu den anonymen Alkoholikern gehen, hat aber tierische Angst, dass sie jemanden dort kennt (wir wohnen in einer kleineren Stadt).

    deine Mutter findet jede Menge Gründe, nichts gegen ihre Sucht tun zu müssen. Sie hält dich aber hin, indem sie vorgibt, etwas tun zu wollen.
    Um trocken zu werden, braucht sie primär erstmal gar keine Therapeutin, sondern einen Hausarzt, zu dem sie jederzeit gehen könnte, wenn sie denn wollte.
    Sie könnte sich jeden Tag dazu entschließen trocken zu werden, aber nur aus aus eigenem Antrieb!

    Du kannst da für deine Mutter nichts machen. Sie muss es wollen. Dein Thema heißt ja "Wie akzeptiert man die Sucht?!". Ein Patentrezept gibt es sicher nicht.
    Aber es führt kein Weg daran vorbei, dass du dich erstmal UM DICH kümmerst. Deine Psyche sendet dir Signale, dass etwas nicht in Ordnung ist. Nimm das ernst!

    Auch wenn deine Mutter nicht zu den Anonymen Alkoholikern gehen will, vielleicht möchtest du ja mal zu einer Suchtberatungsstelle gehen?

    Viele Grüße
    Fleur

    Hallo Sally,

    in Vielem von dem, was du beschreibst kann ich mich wiederfinden.

    Einerseits die Verzweiflung und die Hilflosigkeit und andererseits die Wut.
    Es ist gut, dass du eingesehen hast, deiner Mutter nicht helfen zu können.

    Das tut erstmal weh.

    Ich erinnere mich auch noch daran, abends oft weinend im Bett gelegen zu haben, weil es mir so weh tat, meinen Vater trinken zu sehen und ihn nicht zur Einsicht bewegen zu können.

    Ein erster Schritt, den du gehen kannst, wäre zu überlegen, was du für DICH tun kannst.
    Ein (räumlicher) Abstand zwischen dir und deiner Mutter, sprich ein Auszug, wäre vielleicht ein erster Schritt.
    Eins steht fest: Du bist nicht verantwortlich für deine Mutter. Auch, wenn es sich so anfühlt. Sie sollte sich eigentlich um dich kümmern!

    Viele Grüße und herzlich willkommen im Forum,

    Fleur

    Liebe Silke,

    Zitat

    Viele sagen mir, Silke, du musst nach vorne sehen, das Leben geht weiter.

    Ich finde den Spruch auch nicht gut.
    Bei mir ist es so, dass ich erst durch den Blick zurück und die Verarbeitung dessen, was passiert ist, fähig werde, nach vorn zu schauen.

    Zitat

    Ich weiß nicht, wie genau ich es beschreiben soll, aber ich bin nicht sehr belastbar, auch wenn ich noch so jung bin.

    Silke, du hast unvorstellbare Lasten auf deinem Rücken getragen und meinst nun, du seist nicht belastbar?
    Auch im Moment ist es eine Phase des Umbruchs bei dir und es passiert unglaublich viel. Das alles SIND Belastungen und du meisterst sie.

    Ob die Opferung der Freizeit der ehrliche Grund für das Ablehnen einer Therapie ist, bezweifle ich. (Du musst dich hier nicht rechtfertigen!)

    Für mich wäre eine Therapie wahrscheinlich auch sehr sinnvoll, aber im Moment bin ich nicht dazu in der Lage, mich um diese Hilfe zu kümmern. Ich schaue jeden Tag darauf, kleine Schritte weiter zu machen und nie das "große Ganze" im Blick zu haben, weil es mir Angst machen würde.
    Wenn ich bereit für eine Therapie bin, werde ich auch diesen Schritt gehen.
    DU musst die Therapie machen wollen. DU musst bereit dafür sein. Lass dir helfen, wenn es für dich an der Zeit ist.

    Mir hilft das Schreiben im geschützten Bereich sehr.

    Liebe Grüße
    Fleur

    Hallo Rosemarie,

    herzlich willkommen im Forum :) .

    Leider kannst du weder deiner Mutter noch deinem Vater helfen.
    Die beiden sind erwachsen und können sich nur selbst helfen. Alle beide.
    Genauso wie auch nur du dir selbst helfen kannst.

    Wie geht es DIR denn?

    Viele Grüße
    Fleur
    (die sich auch noch darin übt das zu akzeptieren...)

    Hallo Franzi,

    ich bin nicht sicher, ob du unsere Antworten wirklich gelesen hast/ lesen wolltest.

    Zitat

    Ich werde ihr ein paar Adressen für die Suchtberatung raussuchen und hinlegen.

    Ich weiß nicht ob das ein Fortschritt ist wenn sie schon mal selbst erkennt das sie Alkoholkrank ist

    Du bist nicht dafür zuständig, dass deine Mutter ihre Alkoholkrankheit erkennt (das hat sie vermutlich schon längst...).
    Es geht hier um DICH. Nicht darum, wie du deine Mutter vom Alkohol abbringen kannst. Denn das kannst du nicht schaffen, so hart es klingt. Das kann nur sie selbst!
    Du kannst FÜR DICH zu einer Beratungsstelle gehen und dort FÜR DICH Hilfe erhalten.

    Ich weiß, dass sich das erstmal merkwürdig und ungewohnt anfühlt.

    Liebe Grüße
    Fleur

    Hallo Franziska,

    Zitat

    Jetzt wo ich wieder zuhause bin fängt alles wieder von vorne an.Ich weiß nicht mehr was ich machen soll...

    Für deine Mutter kannst du nichts tun. Du hast schon sehr viel für sie getan, aber sie war anscheinend noch nicht bereit deine Hilfe anzunehmen. Und so lange sie nicht wirklich will, wirst du nichts ausrichten können.

    Du bist nur für dich und für dein Leben verantwortlich. Was kannst du machen, damit es DIR besser geht?
    Könntest du ausziehen?

    Viele Grüße
    Fleur

    Hallo Anima,

    Zitat

    Und ständig die Stimme, die mir sagt, ich soll mich zusammenreißen und nicht so empfindlich sein, und das ist alles gar nicht so schlimm und stimmt nicht und ich soll meinen Mund halten.

    Die Stimme kenne ich. Woher kommt sie? Kannst du das sagen? Mir hat es sehr geholfen, die Ursache für diese Stimme zu finden.

    Für mich ist es ein wichtiger Prozess meine Gefühle wahr- und ernstzunehmen.

    Viele Grüße
    Fleur

    Hallo zusammen,

    ich habe gerade schon gesucht, aber nichts Passendes gefunden. Falls es dieses Thema schon gibt, wäre ein Link nett :)

    Ja, die Frage im Titel verrät es schon. Gibt es Co-Abhängigkeit ohne einen Abhängigen?
    Wo hört Solidarität und Nächstenliebe auf und fängt Abhängigkeit an?

    Nehmen wir mal, es gibt eine ältere Dame, die selber nicht mehr alles schafft. Eine jüngere Frau hilft dieser alten Dame, kümmert sich um sie, fährt mit ihr einkaufen... Und das alles, obwohl sie eigentlich gar keine Zeit dafür hat. Sie hat Mitleid mit dieser alten Dame. Die jüngere Frau kommt kaum noch dazu, sich um ihtre eigenen Dinge zu kümmern, sie vernachlässigt ihre eigene Familie und Hobbies zugunsten der Dame.
    Ist das Co-Abhängigkeit? Oder ganz "normale" Fürsorge?

    Was meint ihr dazu?

    Viele Grüße
    Fleur

    Hallo Kath,

    willkommen hier im Forum!

    Kann deine Verzweiflung verstehen. Mein Vater verleugnet sein Problem ebenfalls. Ich hoffe, dass du hier einige Antworten finden kannst.
    Du machst eine klare Ansage:

    Zitat

    Ich will mit dem allen nichts zu tun haben.


    Du hast ja schon alles versucht und nun kannst du verständlicherweise nicht mehr. Dein Vater ist für sein Leben verantwortlich und er hat sich für den Alkohol entschieden. Du bist für dein Leben verantwortlich und du möchtest dich nun um dich kümmern. Das ist doch auch gut so!
    So schmerzhaft es ist, wenn dein Vater sich dazu entschlossen hat zu sterben (durch den Alk), dann ist das seine Sache.

    Zitat

    Ich hab da irgendwas noch nicht verarbeitet, aber ich weiß nicht was und ich will es nicht verarbeiten!


    Kann es sein, dass du dir da selbst ein wenig im Weg stehst? Wenn da etwas ist, dass verarbeitet werden will, dann hilft es nichts das zu unterdrücken, im Gegenteil. Deine Ruhe, die du dir so sehr wünschst, wirst du dadurch nicht bekommen. Ja, diese Dinge verarbeiten tut weh. Ich bin selbst gerade dabei, aber für mich ist diese Aufarbeitung der einzige Weg eine dauerhafte und stabile Ruhe zu erreichen.

    Liebe Grüße
    Fleur

    Hallo sternchen,

    kann verstehen, dass du deiner Mutter helfen möchtest.
    Aber deine Mutter ist ja auch schon erwachsen und somit für sich selbst verantwortlich. Wenn sie sich entscheidet in dem kranken System zu verharren, dann ist das ihr Sache.

    Genauso wenig wie du deinen Vater überreden kannst eine Therapie zu machen, kannst du es deine Mutter.

    Hast du eigentlich mal über professionelle Hilfe FÜR DICH nachgedacht?

    Liebe Grüße
    Fleur

    Hallo Sternchen :)

    willkommen hier im Forum!

    Mein Vater ist ebenfalls Alkoholiker und so wie du die Situation beschreibst, hätte ich wohl auch fast meine eigene noch vor einem Jahr beschrieben.

    Kannst du denn jetzt in der nächsten Zeit ausziehen?
    Das wäre doch ein erster Schritt, damit du anfangen kannst, DEIN Leben in die Hand zu nehmen.

    Du bist ja weder für deine Mutter noch für deinen Vater, noch für sonst wen verantwortlich.

    Gut ist, dass du darüber mit deinen Freunden reden kannst. Das tue ich auch, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass Außenstehende das nicht so ganz nachvollziehen und verstehen können.
    Deshalb, gut, dass du jetzt hier bist.
    Ich wünsche dir einen guten Austausch, der dir weiterhilft!

    Liebe Grüße
    Fleur

    Hallo Berkel,

    Zitat

    Wie kann ich da am besten an mir arbeiten?

    Mh, ich find, dass man die Frage so nicht beantworten kann. Jeder hat da, denke ich, seine ganz eigene Art uns Weise. Und man muss erst herausfinden, welcher der richtige Weg für einen selbst ist in der Auseinandersetzung mit Dir.

    Viele Grüße
    Fleur

    Hallo Sam,

    willkommen im Forum :D .

    Zitat

    Gibt es irgendetwas was und als Familie hilft ihn zur Einsicht zu bringen?

    Nur er selbst kann erkennen, das da was falsch läuft, ihr seid da machtlos, solange er nicht sehen WILL.
    Das tut sehr sehr weh. Das einzige, was du tun kannst, ist für DICH zu sorgen, dass es dir besser geht. Du bist für dein Leben verantwortlich und zwar nur für deins. Und dein Vater für seines.

    Zitat

    Wie kann ich/wir mit ihm umgehen damit es nicht noch schlimmer wird, damit wir noch Fähig sind über das Thema Alkohol zu reden und durch die entstehende Spannung keine Kluft entwickeln, die wir nicht mehr überwinden können?

    Es liegt nicht an euch, ob es schlimmer wird oder nicht. Das hat nichts mit dir oder euch zu tun. Es ist eine Krankheit, die voranschreitet. Und ihr könnt diese Krankheit nicht stoppen. Das kann nur er allein. Das einzige, was ihr tun könnt, ist ihm zur Seite stehen, wenn er einen Entzug machen WILL. Aber vorher hilft alles gute Zureden gar nichts.
    Zum Thema Reden: Wenn er etwas getrunken hat, macht es keinen Sinn zu reden. Schon gar nicht über das Thema Alkohol. Im Endeffekt nützt alles reden nichts.
    Das musste ich auch schon sehr leidvoll erfahren. Ich habe zuerst geredet, einfühlsam. Dann habe ich argumentiert, Alkpausen von ihm verlangt und zuletzt hab ich geschrieen. Alles umsonst.
    Jetzt gucke ich, dass es mir gut geht und das gelingt mir noch nicht all zu gut. Aber es wird besser. Mehr liegt (leider) nicht in meiner Macht.

    Ich denke, die dritte Frage erübrigt sich dadurch.

    Ich wünsche dir ganz viel Kraft auf deinem Weg. Tausch dich hier im Forum aus, das hilft!

    Liebe Grüße
    Fleur

    Hallo Linde,

    interessantes Thema, mal wieder :) .

    Bevor ich mir Gedanken über ein „schlechtes“ oder ein „gutes“ Gewissen machen kann, muss ich ja erst mal wissen, was ein Gewissen überhaupt ist.
    Die erste Gewissensbildung beginnt ca. im dritten/vierten Lebensjahr, nämlich durch Ver- und Gebote der Eltern. Wenn das Kind beispielsweise immer hört „Du darfst andere Kinder nicht hauen“, dann internalisiert es das mit der Zeit. Irgendwann fasst es dies nicht mehr als das Verbot seiner Eltern auf, sondern als seine eigene innere Einstellung. Gewissensbildung geschieht demnach erst einmal durch das nahe Umfeld des Kindes. Eine Ablösung von den Eltern in der Pubertät ermöglicht eine Änderung des Gewissens durch den Einfluss von Gleichaltrigen, Lehrern usw. In dieser Zeit werden nämlich auch die Normen und Werte der Eltern überprüft und entweder übernommen oder abgelehnt.
    Eigentlich übernehmen wir also nur vorgelebte Werte in unser eigenes Gewissen. Das einzige, was wirklich ganz von dem Individuum abhängt, ist, welche Werte, aus der vorgelebten Auswahl ins eigene Gewissen integriert werden.
    Es ist also schwierig das Gewissen, als die „absolute Instanz“ zu betrachten, da es massiv von unserer Außenwelt geprägt ist, ohne dass wir uns darüber bewusst sind.
    Als Beispiel nenne ich an dieser Stelle mal die Selbstmordattentäter. Diese handeln mit gutem Gewissen, weil sie entsprechende Normen internalisiert haben. Aus diesem Grund halte ich das Gewissen für absolut subjektiv und hochgradig manipulierbar.

    Ein schlechtes Gewissen hat man demnach immer dann, wenn eine Handlung nicht unseren internalisierten Normen entspricht. Diese Normen können aber ruhig hinterfragt werden, denn sie sind nur subjektiv. Beim nächsten Mal schlechtes Gewissen haben also mal in sich reinhorchen, wessen Stimme da gerade zu einem spricht :wink: .

    Zitat

    ist das Gewissen allgemein mein persönliches Empfinden von Recht und Unrecht, Gut und Böse


    Da würd ich jetzt dann wiedersprechen :wink: . Ich denke, manchmal ist uns gar nicht bewusst, wie stark wir von der Umwelt beeinflusst werden.

    Achso, und zum Thema "Gewissenlosigkeit". Die kann's dann doch gar nicht geben. Als geiwssenlos kann man immer nur einen anderen bezeichnen, der ein gänzlich anderes Wert- und Normensystem vertritt als wir selbst. "Der ist aber gewissenlos" ist nur eine subjektive Verurteilung.
    Ein Gewissen ist aber immer vorhanden, egal in welcher Ausprägung.

    Viele Grüße
    Fleur

    Hallo Linde,

    das klingt vielleicht doof, aber ich trau mich nicht so wirklich :oops::lol:
    Zum einen, weil ich noch nicht so lange dabei bin, aber zum anderen, weil ich so ziemlich die Jüngste bin und immer das Gefühl habe, wenn ich schreibe, dann rollen alle mit den Augen und denken, "Oh je, wie naiv."

    Nicht, dass mir hier das Gefühl gegeben würde, nein! Das ist wohl eher so ein Gefühl, das von mir aus geht.

    Liebe Grüße
    Fleur

    Hallo Bambi,

    willkommen hier im Forum!

    Dein Beitrag klingt für mich total atemlos, also erstmal durchschnaufen :) .

    Zitat

    Und wer hat Tips mit diesem Schuldgefühl umzugehen ?

    Ich weiß, man fühlt sich schuldig, wenn man nichts tut, aber du kannst nichts machen und das hast du ja eigentlich auch schon erkannt. Du brauchst also gar kein Schuldgefühl zu haben! Wenn er etwas ändern wollte, dann könntest du für ihn da sein, aber erst dann.

    Du hast ja schon versucht dich ein wenig zu distanzieren, was auch gut ist, denn du bist nur für dich verantwortlich, nicht für ihn und auch nicht für deinen Bruder.

    Es gibt leider kein Rezept, wie man dieses ganze Gefühlschaos beseitigt (falls doch, dann her damit :lol: ), aber du kannst dir jetzt hier erstmal alles von der Seele schreiben, das hilft!

    Ich wünsche dir einen guten Austausch :)

    Liebe Grüße
    Fleur

    Hallo zusammen :)

    Hatte den Text vorher nur in meinem Tagebuch gepostet, stelle ihn jetzt hier nochmal zur Diskussion rein :wink:

    Was heißt es, jemandem eine Chance zu geben?
    Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet es so viel, wie jemandem die Möglichkeit einzuräumen, sich zu beweisen. Die Person des Chance-Gebenden spielt dabei kaum eine Rolle, fungiert sie doch nur als Kontrollinstanz. Denn letztendlich ist es ja sie, die entscheidet, ob die Chance genutzt wurde oder nicht.
    Derjenige, dem die Chance gegeben wurde, muss sich unter den Blicken des Chance-Gebers bewähren. Dadurch entsteht eine ganz klare Hierarchie.
    „Chance“ und „Bewährung“ sind also die Begriffe, die sich in der Situation des „Chance-Gebens“ gegenüber stehen.

    Doch was ist denn nun eine Chance? Wie kann ich den Begriff näher eingrenzen, dass eine eindeutige, griffige Definition sichtbar wird?

    Ursprünglich stammt das Wort Chance aus dem Französischen, wo es, je nach Zusammenhang, Glück, Zufall oder aber auch Aussicht bedeutet. Nun, wenn man diese drei Wörter für Chance in den oben genannten Satz einfügt, wird deutlich, dass keine Einzelbedeutung den Begriff richtig umreißt. Es muss sich also um eine Kombination dieser drei handeln.

    Wenn ich jemandem eine Chance gebe, dann kann dies nicht viel mit „Zufall“ zu tun haben, da es von mir eine bewusste Entscheidung ist.

    Schlüssiger scheint mir die Kombination aus den Begriffen „Aussicht“ und „Glück“. Durch die eben erwähnte Hierarchie, verdeutliche ich meinem Gegenüber, dass er sich glücklich schätzen kann, da ich ihm etwas in Aussicht stelle.

    Doch was ist dieses etwas? Ganz abhängig von der Art der „Chance“ kann dieses „Etwas“ der Erhalt meiner Loyalität, meiner Zuneigung, meiner Unterstützung etc. sein.
    Der Chance-Geber muss nicht aktiv werden, es reicht ja, sein Gegenüber passiv zu beobachten und abschließend zu bewerten. Von demjenigen, dem die Chance jedoch gewährt wurde, wird aktives Handeln erwartet. Er muss gefallen und „richtig“ handeln, um die Gunst des Chance-Gebers zu erhalten oder zu erlangen. Dabei spielt seine eigene Persönlichkeit, seine eigenen Wünsche und Einstellungen keine Rolle, geht es doch ausschließlich darum zu überzeugen.

    Hierbei sehe ich das Problem. Von demjenigen, dem die Chance gewährt wurde, wird höchste Flexibilität, das Vernachlässigen seiner eigenen, persönlichen Zielvorstellungen gefordert. Es ist nur natürlich, dass durch das Gewähren einer Chance keine dauerhafte Veränderung erreicht werden kann, da der Chance-Empfänger seine Persönlichkeit nicht aufgeben kann.

    Zusammenfassend lässt sich nur sagen, dass der Begriff „jemandem eine Chance geben“ ein Paradoxon darstellt. Er ist ausschließlich als Druckmittel zu verstehen, nicht jedoch als Möglichkeit oder Aussicht auf Besserung, da diese nur scheinbar und temporär erreicht werden kann.
    Chance-Geber und -Empfänger wiegen sich also für die Dauer einer „Chance“ in einer Illusion, die früher oder später scheitern muss.

    Kompliziert wird es dann, wenn jemand um eine Chance bittet. Doch auch hier gilt: Der Chance-Erbittende verspricht Änderung.
    Hieraus ergeben sich zwei Möglichkeiten. Entweder die Veränderung des Chance-Erbittenden ist nur scheinbar vorhanden, er täuscht also etwas vor, um die Gunst des Anderen nicht zu verlieren. Hierbei verhält es sich so, wie weiter oben genannt. Die Situation ist zum Scheitern verurteilt.

    Die zweite Möglichkeit ist, dass der Chance-Erbittende sich wirklich verändert hat. Hier wird dann höchste Flexibilität vom Chance-Gewährenden gefordert, da dieser die Veränderung anerkennen muss und auch selbst bereit sein muss, seine Denk- und Verhaltensweisen zu überprüfen.

    Es gibt also nur diese einzige Möglichkeit, dass das Chance-Geben eine Aussicht auf dauerhaften Erfolg hat. Im Moment der Chance-Vergabe ist diese Aussicht jedoch derart schlecht abzuschätzen, dass eine realistische Einschätzung des tatsächlichen Sachverhalts fast unmöglich wird.