Beiträge von zoolander

    Servus lütte,
    wie gesagt schreib ich aus der "Täterposition" und es ist erschreckend wie sehr mir das alles bekannt vorkommt. Irgendwann wars bei uns soweit das unsere "glückliche" Beziehung nur mehr am Telefon stattfand. Teilweise lagen Glück und Unglück nur 30 Minuten auseinander - am Heimweg von der Firma (noch) nüchtern, telefoniert, gelacht, ernste Dinge besprochen. Kurz vorm heimkommen mal in die Stammkneipe und dann war ich ein anderer Mensch. Für nix mehr zu gebrauchen was Ehe betraf, Kind ging immer - aber weniger aus Freude sondern mehr aus Pflichtgefühl und schlechtem Gewissen. Haus, Garten usw. keine Chance.Überhaupt an Wochenenden - nach dem Kinderausflug war Schluß, musste ja für mich sein, hatte ich mir ja "verdient". Meine Frau gönnte mir und litt. Etwas was ich mir wirklich heute noch vorwerfe ist sie permanent in Unsicherheit gelassen zu haben. Gelogen, getarnt und ihr Vertrauen missbraucht. Wär ich damals ehrlich gewesen hätte ich ihr wenigstens Klarheit gegeben und ihr die Unsicherheit genommen. War ja schon lange nicht mehr der Typ den sie geheiratet hatte, zumindest nicht konstant, immer kurz mal wieder und dann wieder nicht. Muß die Hölle für sie gewesen sein...
    Alles nur erdenklich Gute, Zoolander!

    Servus Jürgen,
    Mit der Anfangseuphorie hast Du sicher recht - hat mich beim ersten Mal direkt in den Rückfall geführt. Nur nachher hatte ich´s kapiert - wie gesagt, bissi trinken geht nie wieder, der Promillechip in meinem Hirn vergisst nicht. Die Prioritätenverschiebung hab´ich oben gemeint - trinken kann´s und darfs nie wieder sein. Also ist die erste Aussicht auf die Zukunft Verlust- wahrscheinlich ist diese Aussicht auch der Grund warum viele Menschen diesen Schritt nicht setzen. Versuche nur immer wieder allen aufkeimenden negativen Gefühlen positive Prioritäten entgegen zu stellen. Ich hab´mich zum Alkoholiker gemacht, das Zeug hat mich nicht überfallen und dazu gezwungen und ich will das jetzt nicht mehr, ich muß damit leben aber Normalität und Ruhe einkehren zu lassen liegt genauso in meiner Hand. Ich kann mich von der Krankheit dominieren lassen und sie tagtäglich in den Mittelpunkt meines Denkens stellen oder akzeptieren wie´s ist und neu beginnen.
    Der Grund für´s Trinken war anfänglich im jugendlichen Alter ein Mann zu sein - heute ist es ein Mitgrund um es zu lassen. Dann wars vermeintliche Entspannung und irgendwann Sucht.
    Schöne Woche, Danke für´s antworten!
    Zoolander

    Tag 14 trocken - und heute ein Jahr älter!

    Hallo lütte69,
    schätz´mal das ist kein Luxusproblem. Kenn´die Argumentation deines Mannes von mir. War ähnlich - ich glaubte auch durch meine Arbeit, Leistung und kümmern ums Kind mir meine "Auszeiten" sprich Rausch "verdient" zu haben. Nur der Alk machte definitiv keinen besseren Menschen aus mir - meine Frau lebte in ständiger Panik den Mr. Hyde anzutreffen. Die von dir beschriebenen Argumente deines Mannes sprechen schon irgendwie für Suchtverhalten. Das Rechtfertigen und wenn das nicht fruchtet dann Gegenangriff. Wie gesagt, kenn ich von mir - aber als Täter. Und eines hab´ich begriffen: Jede Frau hat sich Sicherheit und einen konstanten Partner verdient auf den sie sich verlassen kann. Ich glaubte auch ewig nicht süchtig zu sein - ein Spitalsaufenthalt wegen extremen Gewichtsverlustes brachte die Wahrheit ans Licht (klar, hab´mich fast nur flüssig ernährt). In der ersten Nacht (ohne Stoff) wars dann auch mir klar, redete Klartext mit den Ärzten (die ich bei der Aufnahme über meinen Alkoholkonsum voll belogen hatte) und begann die Entgiftung.
    Übrigens, meine Frau sagte vor dem Spitalsaufenthalt, nach dem ich beim Spielen mit unserem Sohn wieder mal eingeschlafen war, sie hasse meinen dumben Gesichtsausdruck wenn ich was getrunken habe...
    Gruß & alles Gute, Zoolander!

    Hallo SLF, wünsch Dir alles Gute für die kommenden Tage bei der Entgiftung. Würd´ alles Step by Step angehen - wirst nicht Vergangenheit UND Zukunft auf einmal lösen können. Erzeugt meiner Meinung nur Angst und die kannste gerade jetzt gar nicht brauchen. Lös die Entgiftung und mit dem neu gewonnen Vertrauen in Dich das geschafft zu haben überdenke Deine nächsten Schritte. Eins nach dem Anderen.
    Good Luck, Zoolander!

    Hi MaryLou, hoffe Dir geht´s gut!
    Was hab´ich in meinem Leben verändert? Hm, erstmal meine Einstellung. Ist nicht wichtig wie die Dinge sind sondern wie du dich ihnen stellst. Ist ja so das alles zwei Seiten hat , je nachdem wie du´s siehst. Mein Problem war das Jammern auf sehr hohen Niveau. Hab´Haus, Garten, (für mich) schöne Frau, gesunde Kinder und bin in meiner Firma mein eigener Chef. Kannst das alles aber auch umdrehen und sagen Gott, Doppelbelastung Beruf und Kinder (meine Frau arbeitet zeitmässig mehr als ich), der Stress in der Firma, die Verantwortung usw. Also wie gesagt, hab´mal grundsätzlich meine Einstellung geändert, genieße das alles, die Zeit mit meinem Sohn (Stieftochter macht schon Abi), meine berufliche Freiheit und meine nun bald 13 jährige Ehe. Genieße ich aber erst seit ich nüchtern bin. Vorher war der Alkohol in meinem Kopf Entspannung und Flucht vor all dem. Hab´ja nie meine "Pflichten" vernachlässigt, weder im Job noch privat. Aber der Alk macht aus dir eine irre zähe, unsichere Masse, zerfressen von Schuldgefühlen und nicht in der Lage das Leben aktiv zu bestimmen und gestalten. Also jetzt funzt die Geschichte und ich bin seit sehr langer Zeit so etwas wie stolz auf mich und sehr, sehr glücklich.
    Zweitens hab´ich praktische Dinge geändert:Hab vorgestern mal mein gesamtes Haus nach Alkohol abgesucht - nicht offiziell vorhandenen, den hab ich schon im Februar entfernt, sondern die versteckten Dinger. Abstellkammer mit uralten Weinflaschen usw..
    Wurde alles vernichtet inkls. der Vodkaflasche die meine Tochter zum reinigen ihrer Poledancestange verwendet - hab´s ihr erklärt und sie hat verstanden.
    Am nachmittag bekam ich dann einen Anruf meiner Stammpizzeria (=Ex-Stammkneipe). Wie´s mir geht und wo ich denn so stecke, alle Stammleute fragen schon. War seit Februar nicht mehr dort. Hab´ den Sachverhalt geschildert, mich nett verabschiedet und allen alles Gute gewünscht. Sehen werden sie mich nie wieder. Hab´dort regelmässig nach der Arbeit getrunken und wenn mein Schwager Babysitter für meinen Sohn gespielt hat ihm was zu mampfen mitgebracht. Die Wartezeit war immer eine willkommene Gelegenheit und Ausrede für ein paar Bier oder G´spritzte. Also adieu.
    Nächster Anruf kam von meinen Schwiegereltern bzgl. meines Geburtstages nächsten Mittwoch. Traditionell wird dieser am darauffolgenden Wochenende mit einer Grillerei gefeiert. Wie bereits gesagt ist "mein" Teil meiner Familie abstinent - der Teil meiner Frau leider nicht. Ich habe festgehalten, dass ich keinen Alkohol bei meiner Feier dulden werde und der/diejenigen die sich nicht daran halten wollen/können sich jetzt schon als ausgeladen betrachten können. War hart, ist aber mein Geburtstag und für mich sowas wie ein in ein Datum gegossener Neuanfang. Letzter Reinigungsschritt folgte beim Sport - hab´mich in eine komplett neue Klasse eingeschrieben. Neue Leute, die spielen an komplett anderen Tagen und zu anderen Zeiten als meine vorherigen Trainingspartner, d.h. ich werd ihnen auch nicht mehr begegnen und damit auch den Umtrünken nach den Matches. Hab´mir damals nat. bewußt die "richtigen" Typen ausgesucht...Ansonsten spiel ich wieder mit meiner Frau, hab´ich lange nicht gemacht - konnte ja nachher (und zum Schluß sogar vorher) nix trinken gehen.
    Tja und drittens leugne ich nix mehr. Ich bin Alkoholiker und werd´s ein Leben lang bleiben. Sag´ich jedem. Schreib´s von mir aus mit Foto auf die Titelseite einer Zeitung. Is mir egal. Meine Familie weiß es und steht hinter mir - mehr Glück kann ein Mensch nicht haben. Scham hab ich abgelegt seit der Chef der größten Entzugsklinik Österreichs mir in einem Gespräch gesagt hat, Alkoholismus ist wie Diabetes. Zu viel gefressen, Diabetiker - zu viel gesoffen, Alkoholiker. Wir sind am Weg - es liegt an uns.
    Stay tuned und schönen Abend!
    Zoolander.

    Hallo an alle,
    danke für´s welcome.
    Servus MaryLou, seh´s genauso wie Du, hab´anfänglich geglaubt nur nix trinken wär der Schlüssel, habe aber begriffen dass das zu kurz greift. Es geht um eine völlige Richtungsänderung, eine komplette Umstrukturierung des Lebens. Das Gute daran ist meiner Meinung nach das Kraft und Willen, Ausdauer und Kreativität, soll es ehrlich sein, nur nüchtern enstehen können. Ich glaube daran jeden Tag stärker zu werden. Bei der Entgiftung in der Klinik wurde auch eine Psychotherapeutin vorstellig - nach mehreren Gesprächen diagnostizierte sie bei mir ein abklingendes Burn out Syndrom - Suchtmittelmissbrauch gehört zum Krankheitsbild. Frage mich nur was war zuerst - ist wie bei der Henne und dem Ei. Hatte ich Burn out wegen dem Suff oder umgekehrt? Glaub Ersteres. Ich hab´zu meiner Hilfe im Kopf eine Rangordnung aufgestellt. Soll mir in schwachen Momenten helfen.
    1.) Ich bin abstinent. Und stolz darauf.
    Dazwischen liegen alle schon von Dir genannten Dinge, Familie, Ehe, Kinder, Sport, Kultur, auf sich und den eigenen Körper schauen...usw.
    Mit meiner Trinkerei tu´ich Unschuldigen weh - insbesonders meiner Frau und Kindern.
    Sollte das nicht helfen:
    2.) Ich bin trockener Alkoholiker. Ich habe eine Krankheit. Bleib ich´s nicht geh´ich drauf und alles vorher Genannte werd ich nie mehr erleben dürfen.

    Dir viel Glück, freu mich wieder von Dir zu hören.
    Schönes, trockenes Grillen noch, Zoolander!

    Danke an alle und besonders an Karsten für´s freischalten (& die Ratschläge in den letzten Tagen) - stell mich auch hier mal kurz vor:
    Ich bin 44 Jahre alt, männlich, verheiratet, Vater und Alkoholiker.
    Nach einer mehr als unbeschwerten Kindheit und Jugend entwickelte sich mein Alk-problem über fast 27 Jahre schleichend. Anfänglich am Wochenende mit den Kumpels trinken, dann mit Freundin und befreundeten Pärchen. Wochentags Schule, nach dem Abi Arbeit - also abstinent. Dann lernte ich meine Frau kennen. Sie steckte mitten in ihrer Scheidung, ihr Ex hatte eine Neue, sie stand mit Kind, leerer Wohnung und ohne Arbeit plötzlich alleine da. Ich verliebte mich, wollte helfen und so saßen wir monatelang jeden Abend beisammen und sie quatschte sich ihren Frust von der Seele. Natürlich bei viel Alkohol, sehr viel - und der erste Schritt war getan, ich trank jetzt auch schon wochentags. Gleichzeitig wurde ihre Essstörung wieder schlagend - auch diesmal mischte ich mich ein, machte mich unbewußt zum Co - Täter. Ich las Bücher (Alice im Hungerland usw.) und versuchte alles was sich bei ihr um Essen dreht zu kontollieren. Ich besorgte, streng auf Kalorien überprüft, jeden Abend Essen aus Lokalen. Lernte beim Warten Typen amTresen kennen - der zweite Schritt, ich soff mit Fremden. Sie machte Therapie, bekam per Zufall ein Jobangebot, hörte mit dem Kotzen, dem Trinken auf - und ihr neuer Beruf wurde vom Job zur Berufung. Nur ich blieb hängen. Karrte völlig unnötigerweise noch immer täglich Futter an um in den Lokalen weiter trinken zu können. Steigerte meine Dosis, änderte den Stoff, von Bier auf Wein - konnte einfach nicht so viel Bier trinken um ein "befriedigendes" Gefühl zu erzeugen. So gings weiter, Kontrollverluste, Blackouts am nächsten Tag. Erster Führerscheinentzug, Zweiter mit VPU.
    Aber ich schaffte es immer irgendwie noch mein Problem zu verleugnen, alles als normal zu betrachten - lag sicher auch an meinen Tresenfreunden, für die wars ja auch normal.
    So gings immer ein Stückchen tiefer runter - ich arbeite in einem Familienbetrieb und dort eskalierte plötzlich die Situation, Vater Schlaganfall, Mutter Herzinfarkt, Bruder MS. Der berufliche Druck nahm zu, hing dauernd alles an mir. Stieg auf Wodka um, tagsüber (Geruch) und am Abend Tresenfreunde. Trank inzwischen BEIM Autofahren um Zeit zu sparen. Körperlich gings mir immer schlechter. Ich verlor rapide an Gewicht, brauchte Alkohol plötzlich um mich "normal" zu fühlen - checkte aber immer noch nichts - geahnt hab ichs, aber verdrängt. Irgendwann war Endstation - ich ging ins Spital weil ich an irgendein Nervenleiden oder neurologisches Problem glaubte. Dort war dann relativ schnell klar was wirklich Sache ist. Leberwerte Gamma Gt 700! Es folgte ein stationärer Entzug - 10 Tage. Die Euphorie über das Geschaffte und das neu gefundene Körpergefühl waren herrlich - und trügerisch. Einige trockene, wunderschöne Monate später folgte ein 2 wöchiger Rückfall.Inklusive tarnen und täuschen wie früher...

    Nach einem Streit mit meiner Frau, die nat. alles geahnt hatte (Sie kennt mich wenn ich ein A... bin) beschloß ich nie mehr was zu trinken. Ich glaubte alles im Griff zu haben. Zufällig hatte ich 4 freie Tage vor mir und setzte mein Vorhaben in die Tat um. Was folgte waren die schlimmsten 4 Tage meines Lebens. Ich steckte voll in einem psychischen kalten Entzug. Keine körperlichen Symptome, "nur" Todesangst, Panik usw. Hab´nicht damit gerechnet in so kurzer Zeit wieder so drauf zu sein. Ich wollte aber nicht mehr trinken, stand nach dem Streit morgens auf und sagte mir nie wieder. Ich zog´s durch, gegen alle Vernunft. Sollte wirklich nie jemand ohne Arzt versuchen, war Hölle. Aber alle meine Ärzte waren nicht erreichbar und ich wollte unbedingt dieses alte Gefühl der Nüchternheit wieder haben...
    Versuch jetzt für mich was Positives aus dem Rückfall zu lernen: Erstens bißchen trinken funktioniert nicht - ich bin Alkoholiker und muß trocken bleiben. Zweitens: Alleine schaff ich´s nicht - bei aller Sturheit und Willen. Drittens: Nie irgendwelche Aktionen mehr ohne Arzt - oder Hilfe.
    Viertens: Das Leben ist nüchtern einfach wunderbar. Fünftens: Ich muß dranbleiben und noch vieles ändern - Stillstand ist der Tod.
    Gruß an alle, Danke!
    Tag 12 trocken! Mir geht´s gut!