Liebe Pingi
nun also kurz was "aus meiner Geschichte" für Dich in Abwesenheit. Ich hoffe es geht Dir gut und Du kannst Dich voll auf Deine Therapie einlassen und "hirnst" nicht in alle andere Richtungen rum.
Ich schreib das, weil ich so ein "Hirni" war
Solange ich denken kann, gab es immer wieder Situationen in meinem Leben, in denen ich wie eine Verrückte im Kreis dachte. So als wäre die Welt gerettet, wenn ich nur eine Erklärung finden würde. Und auch so, als wäre Schaden von einem anderen Menschen abzuwenden, wenn ich nur
intensiv genug an ihn dachte. Da konnte ich mich immer wieder sehr gut reinsteigern. Das hat mich manchmal zu den unmöglichsten Verhaltensweisen getrieben.
Auch ich habe mir gerne das Leben eines anderen "ausgeliehen" oder mich ihm angeschlossen (oder einer Gruppe) - um meine eigene Identität zu ersetzen.
Ich schreibe ersetzen. Ich hatte ja eine Identität. Aber sie war mir immer zu wenig. Ich trete selbstbewußt auf und habe das immer getan, - auch dort, wo ich unbedingt dazugehören wollte.... Es war aber im Umkehrschluß für mich kaum möglich schwach aufzutreten. Ich konnte nicht zugeben oder zeigen, wenn ich schwach war. Du sagst, daß Du zu wenig Selbstbewußtsein hast und Dich als Niemand fühlst und Dich deshalb zurückziehst. Ich habe meine Einsamkeit in der Begegnung mit anderen dadurch aufrecht erhalten, daß ich extrem selbstbewußt auftrat.
Wenn ich etwas Verletzliches preis gegeben habe, habe ich oft die Erfahrung gemacht, abgelehnt zu werden. Wenn ich so war wie ich war:
"sehr bedürftig nach Liebe und Zuwendung, nach großzügiger Zuneigung und Aufmerksamkeit"
Dann habe ich damit mein(e) Gegenüber oft schockiert, überfordert und damit konfrontiert, daß ich einfach nicht so ganz erwachsen war.
Die Ehe mit meinem (nahezu nie anwesenden) Ehemann hat mich in meinem Fassadenbau unterstützt. Ich hatte so ein Quantum Sicherheit und wohl sortiertes Leben, das von außen in keinster Weise bedürftig erschien und ich habe mir mit Hilfe meines Hobbys (eigene Pferde) eingeredet, der glücklichste Mensch überhaupt zu sein. Ich habe meine Bedürfnisse so weit verleugnet und mir aus jeder Not eine Tugend gemacht, daß ich die Story am Ende selbst geglaubt habe.
Es hatte zwei Nebeneffekte: Ich war nicht angreifbar von außen und ich spürte keinen Schmerz innen.
Dann sind einige meiner Fassadenstücke abgebrochen.
Zuerst starb mein Vater, der für mich ein ganz ganz wichtiger Mensch war.
Er konnte mir zwar keine Geborgenheit geben, aber wir verstanden uns ohne Worte und daß wir uns lieb haben, mußte keiner sagen noch hören. Es war einfach offensichtlich. Wir gingen miteinander liebevoll um und konnten spüren, was der andere denkt und fühlt. Sein Tod war sehr schmerzhaft und ein Stück Unbeschwertheit hat mich damals verlassen.
Noch im selben Jahr hatte ich einen schweren Reitunfall. Mein Ur-Vertrauen in die Pferde wurde davon erstmal heftig angeknackst.
Es hat ein Jahr gedauert, bis ich diese Situation verkraftet hatte, in der ich knapp einer Querschnittslähmung entgangen war.
Kaum hatte ich mich wieder gefangen und für die kommende Turniere das Training wieder aufgenommen, wurde mein Pferd krank.
Das zweite hatte nur eine Erkältung wurde aber falsch behandelt und fiel damit dann im gleichen Jahr aus. Von heute auf morgen war alles anders.
Keine Fahrt mehr zum "geliebten"Trainer, kein Adrenalin unter der Woche in den Springstunden, draußen aus der Turnierwelt und nichtmal die Möglichkeit zuhause wie gewohnt reiten zu können.
In dieser Zeit lernte ich XY kennen. Es funkte nicht sofort, sondern früher ;). Ich war high on emotions. Glechzeitig hatten wir ein Riesenproblem.
Wir waren beide verheiratet. Aber uns beiden ging es ja nicht gut.
Plötzlich wußte ich wieder wie es war, berührt zu werden - und nicht benutzt zu werden, um möglichst schnell wieder kalt gestellt zu werden.
In meiner Selbstlosigkeit, die ich immer ohne Berechnung der Nebenkosten an den Tag gelegt habe, versuchte ich sogar noch XY dazu zu bringen, mit seiner Frau in Paartherapie zu gehen.......... Ich gab ihm Tips wie er seine Frau besser verstehen und sich ihr besser verständlich machen könnte. Oh man - was ich mir über die beiden den Kopf zerbrochen habe.
Ende vom Lied: Ich sah irgendwann die Wirklichkeit durch die Brille, die er mir dazu aufgesetzt hat. Damit waren die Probleme aber nicht kleiner.
Und ein Problem kam dazu: Er trank. - oft unkontrolliert - aber immer allein. bzw. zuhause.
Ich machte Schluß. Ich hatte schonmal einen Alkoholiker, ich sagte ihm, daß ich gegen die Flasche keine Chance hab. Er erklärte, wegen mir die jahrelange Trinkerei bleiben zu lassen. Ganz. - Ich war skeptisch aber hab es nur zu gern geglaubt. Obwohl mir inzwischen das Verhalten seiner Frau verständlicher war, hatte ich immer noch die Brille auf, die er mir verpaßt hatte und durch die das alles nach inniger Liebe aussah.
Nach dem diese Brille eines Tages regelrecht von meinem Kopf gerissen wurde, fing mein eigentliches Drama erst an:
Er bat mich auf ihn zu warten. Ich verbrachte die Zeit des Wartens mit Recherchen über die Alkoholkrankheit und davon wurde nichts besser.
Ich konnte mich endlich wieder reinsteigern bis zum Wahnsinn. Ich fand das nicht lustig aber es war wie eine Sucht. Ich analysierte wie schlimm es bereits um ihn stand. Ich erklärte mir sein Verhalten mit diesem und jenem. Er selbst kam natürlich immer wieder mit anderen Erklärungen oder lies mich einfach wochenlang in der Luft hängen, verabredete sich mit mir und seltsamer Weise immer so, daß es "rauskam" und er wieder einen Grund hatte abzustürzen - sich nicht zu melden etc. - das Ganze mit der ständig wiederholten Bitte, daß wir uns doch einfach gemeinsam umbringen.
Ich hatte viel zu denken und ich zog in eine andere Stadt. Und ich wartete, daß er seine Sache klärt, wie er versprochen hatte. Ich hätte doch sehen können, daß das keine Liebe ist- oder? Aber neee - ich
war unendlich enttäuscht, aber nicht bereit der Wahrheit ins Auge zu sehen. Ich sehnte mich so sehr nach ihm, daß ich mich in Arbeit flüchtete um keine Zeit mehr zum Denken zu haben. Ich wollte warten, wie ich es versprochen hatte. Das war mein Heiligtum. Mein Versprechen brechen, das ginge garnicht. Ich sponn mir zusammen, daß ich in der Abgeschiedenheit in die ich umgezogen war, endlich erkennen würde, was ich möchte. Dabei hing ich emotional an ihm wie eine Klette im Hundefell.
Die Wahrheit und das Denken holten mich ein. Es war keine kalte Dusche - es war ein Schlag ins Gesicht. Er kam nach 6 Mon vorbei und hatte Restalkohol bis an die Haarwurzeln. Er war launisch depressiver Stimmung - aber natürlich erst nachdem er mit mir das Bett zerwühlt hatte. Dann beklagte er sich über seine Frau und ich schickte ihn heim.
Anschließend zertrümmerte ich einen Riesen-Stapel Geschirr, zerfetzte mit einem Messer die Bettbezüge und vergrub alles mit bloßen Händen im Wald. Es half nichts. Absolut nichts. Mein Gehirn dachte von selbst. Es hirnte sich beinahe zu Tode. Mein Ehemann holte mich zurück. Über ihn will ich hier nicht viel schreiben. Ich habe mich wirklich bemüht, daß ich von XY loskomme. XY fand immer wieder Wege sein Ehedrama live
an mich weiterzuleiten, damit ich sehe, wie sehr er leidet.......
In meiner Verzweiflung und im Kampf um meine schon langst vor XY verlorene/nie begonnene Ehe, hab ich mich hier angemeldet. Habe mich mit CoAbhängigkeit auseinandergesetzt und gefragt, was eigentlich Selbstliebe ist. Mußte feststellen: Ich habe keine Ahnung wie das geht.
Mit der Entdeckung meiner Wünsche und dem was mich ausmacht, wurde mir gleichzeitig immer klarer, daß ich in einer Ehe festsaß, die alles andere war, als das was ich möchte. Mein Mann hat meine Traurigkeit
darüber gesehen, mochte aber nur immer dann etwas ändern, solange ich anklagend war. Sobald ich mich fügte, war ihm alles wieder egal.
Nach der Trennung fing das Gedankenkarussell erst richtig an. Jetzt hinterfragte ich zum ersten Mal mich in meiner Art Beziehungen zu leben bzw. auszusuchen. Dabei stieß ich auf viel viel dunkle kleine "Schachteln" mit weniger erfreulichem Inhalt. Plötzlich war ich damit konfrontiert, was mich zu dem gemacht hat, was ich bin - und wie ich mein Leben lang eine Verdrängungstaktik betrieben habe, bei der ich möglichst nicht zum Nachdenken über mich selbst kam.
Ich selbst - wer/was ist das schon? - Ist doch nicht viel dran.
War viel zu interessant was zu erreichen oder mich in die Reiterei in die Affäre mit XY oder in die Sorge/Aufopferung um einen anderen Menschen zu stürzen.
Immer wenn ein Floß auf dem ich dahintrieb zusammenbrach, habe ich auf ein anderes gewechselt. Dabei habe ich lange nicht bemerkt, daß ich mich ums Schwimmen drücke. Und darum, mal unter Wasser zu gucken. Da war viel Gruseliges, das mich dazu veranlasste auf Flößen dahinzutreiben, anstatt im Wasser zu schwimmen. Ich mußte mich alten Gefühlen aus meiner Kindheit stellen, um ihnen die Macht über mich zu nehmen. Wie Du vielleicht gelesen hast, stand auch noch die Abnabelung von der ambivalenten Beziehung zu meiner Mutter aus. Alles Dinge, die ich niemals in Angriff genommen hätte, wäre ich auf einem Floß geblieben. Mit dem Schwimmen meine ich die Verantwortung und Anstrengung, selbst die Richtung zu bestimmen ggf. auch mal gegen den Strom. Der Preis ist die Unabhängigkeit vom Fluß. endlich nicht mehr getrieben sein .
Wenn heute ein Gedankenkreisel kommt, dann frag ich mich, ob es eine Antwort gibt, die mich von jetzt auf gleich in die Lage versetzt - mich besser zu fühlen. Meist ist die Antwort leicht zu finden. Und einen anderen Grund braucht es nicht für mein Handeln, - als den, daß ich für mich die Verantwortung übernehme und Dinge bleiben lasse, die sich nicht gut anfühlen. Ich mag nicht mehr in irgendwelche Strudel gezogen werden und schwimme dann lieber auch mal ans Ufer, wenn die Strömung zu stark wird. Auch da geht s nicht immer einfach. Man muß sich durchschlagen, - aber alles ist besser, als abhängig sein. Von ein bißchen Liebe ein bißchen Zuwendung usw.
Die gute Nachricht ist, es ist garnicht so schwer die Angst hinter sich zu lassen, daß etwas böses - etwas schlimmes passieren wird, - wenn man nichtmehr von einem Menschen umgeben ist, der Dir eine Identität verpaßt. Denn Deine eigene Identität ist bereits da. Sie wartet darauf, daß sie endlich gelebt wird. Sie muß nicht geliebt werden, um sein zu dürfen. Sie ist Deine Identität und wenn Du ganz genau nach ihr suchst, wirst Du sie finden und annehmen können. Dann bist Du davon unabhängig, ob Du von anderen angenommen wirst.
Liebe Grüße
Nys