Hallo Emma und Sunny,
vielen Dank, dass ihr euch Zeit genommen habt, das zu lesen und zu antworten.
Ich denke es gibt einpaar Missverständnisse bezüglich meiner damaligen Familienverhältnisse, und möchte es kurz erklären.
Mein Vater war psychisch und physisch gewalttätig. Er war kein Alkoholiker. Die Wut hat sich gegen alle gerichtet. Mein Bruder, der älter ist als ich, hatte es mit Abstand am schlimmsten. Mit Abstand. Es war... brutal. Warum gerade er kann man sich jetzt fragen, aber Antworten wird es viele geben. Ich denke, er hatte meinem Vater unwissend genug Angriffsflächen gegeben und hat sich selbst in meinem Bruder sehen können, wer weiß.
Meine Mutter hat nichts dergleichen gemacht, sie war sehr weich. Ihr Problem war, dass sie teilweise nicht mitbekommen hat, was passiert, es nicht wahrhaben wollte, zu wem ihr Mann geworden war, und dachte (wie so viele Frauen leider) sie könnte ihm "helfen"/ändern. Zudem wurde sie auch von ihm fertig gemacht bzw. in seinen verrückten Machtspielchen involviert. Sie sagt auch selbst, dass sie sehr naiv war damals. Sie hat sich zu unserem Schutz getrennt von ihm, auch wenn erst spät. Ich mache ihr keine Vorwürfe, vielleicht kann ich mich als Frau auch besser in ihre Situation damals hineinversetzen, meine Brüder haben eine etwas andere Meinung dazu.
Mein Vater hat ziemlich sicher eine psychische Krankheit, ich weiß aber nicht genau was. Er war sehr irrational, leicht gereizt, und irgendwie auch paranoid.
Wichtig ist auch zu erwähnen, dass meine Familie Migrationshintergrund hat.
Wenn man in ein neues Land kommt, gibt es viele große Herausforderungen und Belastungen, die man sich schwer vorstellen kann, wenn man es selber nicht erfahren hat. Es geht über finanziell, sprachlich, sozial, kulturell usw. Vorallem wenn die Kinder noch so jung sind, wie wir es waren. Da meine Mutter beteuert, dass er damals nicht so war, vermute ich, dass die Migration zum Ausbruch der Krankheit geführt hat. Weil er die ganzen Belastungen und Verpflichtungen nicht standhalten konnte. Aber vielleicht wäre es auch ohne dem, dazu gekommen, dass kann man natürlich nicht wissen.
Es ist nur meine Vermutung, ich bin kein Fachexperte. Ich schätze aber, dass es viele Migranten gibt, die unter vielen psychologischen Problemen leiden, als Folge von den Problemen der Migration.
Wie ich damit klargekommen bin? Schlecht. Ich habe viele Probleme. Es hat mich auch kaputt gemacht, so wie alle, das ist nicht zu leugnen. Ich bin aber bei der Reparatur, das dauert aber ein Leben lang und oft auch darüber hinaus. Aber es geht schon viel besser. Ich war sehr depressiv. Dadurch, dass ich sooft die Gewalttaten mitansehen musste, habe ich so ein großen Rettungsdrang. Und natürlich die fehlende Sicherheit, man ist ständig in Alarmbereitschaft, weil die Gefahr immer kommen könnte. Das schlimmste war die lähmende Machtlosigkeit, die man als Kind verspürt. Deshalb fällt es mir als Erwachsene sehr schwer, vollkommene Machtlosigkeit zu akzeptieren.
Was mir geholfen hat: Kunst/Literatur, (Haus)tiere, und 1-2 starke (weibliche) starke, soziale Stützen und Vertraute. Ich denke, dass dies für jeden eine heilende Wirkung haben kann.
Emma, ich stimme dir vollkommen zu, mein Bruder sauft wegen dieser Erlebnisse, er hat früh zu trinken begonnen. Und wäre mir das Gleiche passiert, würde ich wahrscheinlich auch saufen. Und ja, es ist tragisch und traurig. Er war manchmal in Therapie, aber da gebe ich dir auch Recht, das hat nur Sinn, sobald er trocken ist.
Interessant finde ich, dass er einer Therapie zumindest etwas aufgeschlossener ist/war als die AA.
Aber ja prinzipiell braucht er nicht seine kleine Schwester, die ihm das Leben richtet, sondern professionelle Hilfe.
Danke für deinen Ratschlag Emma, ich kann mir das noch am Besten vorstellen zu realisieren.
alles Liebe,
sorra