Beiträge von Struggling63

    Noch ein Nachtrag zum Liebeskummer:
    Natürlich geht es mir nicht total schnell wieder gut, aber ich finde, man durchläuft ja so Phasen, in denen man sich entweder ganz mies fühlt und es nicht akzeptieren kann, dass es nichts wird, oder man hat es akzeptiert und ist traurig und hängt noch an der Person, oder man hat schon teilweise damit abgeschlossen und hört auf die Person zu idealisieren, etc. ... Und ich hab mit der ersten Phase so gut wie abgeschlossen, weil ich eben gut darin bin, mir nichts vorzumachen. Ich kann die Situation jetzt akzeptieren und weiß, dass ich noch Zeit brauche bis es nicht mehr weh tut, aber ich gebe mich keinen Illusionen hin und arbeite daran, über diesen Menschen wegzukommen.

    Danke Calida! Mit dem Liebeskummer kann ich glaub ich ganz gut umgehen. Es ist zwar schmerzhaft, aber ich schreibe ganz viel Tagebuch, bin mir darüber bewusst was ich tu und warum ich wie denke. Der erste Schmerz ist glaub ich auch schon vorüber, ich finde, wenn man ehrlich und realistisch mit der Situation umgeht, kann man schnell "heilen". Und darin bin ich erstaunlicherweise sehr gut. Ich habe die Fähigkeit, ehrlich zu mir selbst zu sein und konstruktiv mit Problemen umzugehen, in den letzten Jahren immer weiter verbessert und fühle mich jetzt, als könnte ich mit ungefähr allem umgehen. Allerdings muss ich natürlich gestehen, dass es mit dem Alkohol verflucht lange gedauert hat, bis ich eingesehen habe dass es ein Problem gibt - perfektioniert hab ich diese Art der Verarbeitung also (noch) nicht. ;)

    Heute ist Trockener Tag 36, ich fühle mich gesundheitlich wirklich gut.
    Was mir momentan am meisten Freude bringt, ist die Tatsache, nicht mehr zu katern. Meine Hangover waren nämlich immer ziemlich übel, mit Kopfweh, Übelkeit, Erschöpfung, Selbsthass, emotionalen Tiefs. Neulich (an meinem Einmonatigen Alkoholabstinenz-Jubiläum!) war ich mit einer Freundin, die auch nicht trinkt, tanzen, und am nächsten Morgen war ich erschöpft, aber gut drauf. Da hatte ich wieder einen dieser Sonntagvormittage, die ich sonst mit Kotzen, Heulen und Schlafen verbracht hätte, und saß im Zug nach Hause, mit Croissant, einem riesigen Becher Kaffee und meinem Tagebuch, und mir schien die Sonne ganz intensiv ins Gesicht.
    Das jetzt bewusst genießen zu können, mich immer fit und bereit zu fühlen und mich nicht mehr "krank zu machen", das ist für mich einer der Gründe warum ich aufhören will. Ich tu mir selbst nicht mehr weh durch mein Verhalten. Ich halte mich nicht mehr ab davon, schöne Momente zu erleben und sicher und zufrieden an einem Sonntag aufzuwachen. Ich will mir nicht mehr selbst im Weg stehen.

    Klar gibt es manchmal Tage, an denen Saufdruck da ist - ich versuche, diese Situationen so gut wie möglich zu analysieren und herauszufinden, woher der Druck kommt und wie ich in Zukunft damit umgehen möchte.

    Bis bald! Euch allen noch eine schöne Woche und viel Erfolg bei allem, was ihr anpackt!
    Struggling

    Hallo Leute,

    Trockener Tag 27 geht gerade zu Ende. Mein Praktikum und mein Privatchaos beanspruchen mich 100%, aber ich nutze das bisschen Ruhe, das ich bekomme (am WE, im Zug beim Pendeln, Spätnachmittage nach der Arbeit) für so viel Reflexion wie möglich. Vor ein paar Tagen hatte ich eine wichtige Erkenntnis: Ich höre nicht nur meinetwegen mit dem Saufen auf, sondern auch, weil ich durch mein Verhalten in der Vergangenheit so viel Schaden angerichtet hab. Ich bin es auch meinem Umfeld schuldig, mich endlich zusammenzureißen, weil ich im betrunkenen Zustand oft Leute durch Worte oder Taten verletze. Diese Erkenntnis hat mich einen Schritt nach vorn gebracht, und je mehr ich von diesen Erkenntnissen habe, desto mehr wird die Einsicht, Alkoholikerin zu sein, real, und desto wichtiger wird mein Wunsch, abstinent zu bleiben.
    Ich habe im Moment ein schlimmes Gefühl der Unzulänglichkeit und der Zurückweisung zu verarbeiten, weil ich mich in jemanden verliebt habe, der nicht das gleiche empfindet. Früher hab ich versucht, solche Probleme mit Alkohol zu bekämpfen. Ich bin aber zuversichtlich, dass ich neue Wege finden werde. Bisher helfen mir Tagebuchschreiben, Sport, und Musikhören. Außerdem tut es gut, die Trauer voll zuzulassen und nicht unter literweise Alk zu verschütten.

    Ich wünsche euch allen alles Gute!
    Struggling

    Guten Morgen Calida,
    danke für den Hinweis. Wenn ich könnte, würde ich momentan auch weniger machen, aber das liegt nicht im Bereich des Möglichen. Ich bin eigentlich kein Mensch, der sich schnell überarbeitet, weil ich meine Grenzen kenne und Stress wo es geht vermeide. Aber momentan bin ich in einem Praktikum, wegen dem ich um 4.00 aufstehen, ziemlich weit fahren, und dann intensiv arbeiten muss. Ich versuch, es positiv zu betrachten und die Pausen, die ich hab, auch für mich zu nutzen. Bei all der Zeit fürs Praktikum und für mich selbst ist nur einfach wenig Platz für anderes. Nebenbei spielen sich in meinem "Liebesleben" ein paar mehr oder weniger chaotische Szenen ab, die dafür sorgen, dass ich auch emotional angespannt bin. Bisher kann ich aber erstaunlich gut mit allem umgehen und hoffe, dass sich das so hält. Erstmal freue ich mich auf das Wochenende, da versuche ich dann, die vorangegangenen 5 Tage zu verarbeiten und ein wenig zu mir zu kommen.
    Bis bald! :)
    Struggling

    Hallo Leute!
    Tatsächlich bin ich noch da, und noch trocken. Ich erlebe nur gerade eine unglaublich stressige Zeit, sowohl beruflich als auch emotional.
    Ich danke euch allen sehr für eure Antworten und habe euch nicht vergessen, aber ich kriege den Kopf sowieso momentan kaum frei genug um mich mit meinen alltäglichen Problemen zu befassen, geschweige denn hier längere Beiträge zu verfassen.
    Ich merke, dass ich mich einerseits an das Leben ohne Alkohol gewöhne; meine Reaktionen auf Stress und Freude verändern sich. Im Sport finde ich ein Ventil für Emotionen und Gedanken, die kanalisiert werden müssen, ansonsten rede ich viel mit Freund_innen. Andererseits träume ich ab und zu davon, zu saufen und wache dann mit Entsetzen und Schuldgefühlen auf. Das fühlt sich total realistisch an, bis ich merke, dass alles in Ordnung ist... Es ist auch komisch, nach und nach zu realisieren, dass bestimmte Dinge nie wieder geschehen werden - vorbei ist es mit dem Feierabendbier, dem Anstoßen mit einem Glas Sekt, dem Geburtstagssuff. Grundsätzlich bin ich aber sehr zufrieden mit dem Verlauf meiner Abstinenz/Genesung/was auch immer. Heute ist Tag 21.
    Ich melde mich wieder. Mein Leben ist im Moment nur sehr herausfordernd, was das Management von Zeit und Energie angeht...
    Ich hoffe, euch allen geht es gut.
    LG
    Struggling

    Hallo liebe Forumsmitglieder!

    Ein paar haben mich vielleicht schon im Vorstellungsbereich gelesen.
    Ich bin 23, Studentin, und habe ein Alkoholproblem. 8 Jahre lang habe ich versucht, meinen Alkoholkonsum unter Kontrolle zu bekommen; vor etwas über einer Woche dann die Erkenntnis: Wenn ich es bisher nicht geschafft habe, werde ich es auch in Zukunft nicht schaffen. Also muss ich ganz aufhören mit dem Trinken. Nun ist mein neunter Tag ohne, und ich habe die ersten Schritte unternommen, um dieses Vorhaben zu verwirklichen. Ich habe einen Teil meiner Freunde und Familie informiert, habe mich hier angemeldet, und am wichtigsten: Ich habe mir eingestanden dass ich ein Problem habe. Weitere Schritte werden folgen.

    Habt ihr es auch erlebt, dass euch erst, als ihr wirklich aufhören wolltet, gemerkt habt, wie groß die Rolle ist, die Alkohol in eurem Leben und im Leben in dieser Gesellschaft allgemein spielt? Ich habe so viele Situationen, in denen (absichtlich übermäßig) getrunken wird, als selbstverständlich hingenommen, dass eine der Aufgaben denen ich mich stellen muss nun sein wird, diese Situationen zu erkennen und einzugestehen dass davon nichts selbstverständlich ist. Gerade als Studentin ist so etwas schwer, weil die Studentenkultur auch irgendwo eine Partykultur und Alkohol damit positiv besetzt ist. Ich habe mich gestern dabei erwischt, wie ich einem Freund erzählt habe, dass eine schwierige Klausur ansteht und ich sehr erleichtert sein werde, wenn diese geschafft ist: "Dann wird erst mal richtig gesoffen!" - Das letzte Wort blieb mir echt im Halse stecken, und ich sah ihn betroffen an: Das war für mich bisher so selbstverständlich! Klausur geschafft? - Saufen. Schwierige Zeit im Praktikum? - Saufen. Langeweile? - Saufen.
    Es gruselt mich, dass das ein Automatismus geworden ist. Mich gruselt aber auch, dass das so normalisiert wird. Man denkt vielleicht, dass eher Teenager es "cool" finden, sich ständig zu betrinken, aber jeder der kürzlich auf einer Studentenparty war, kann bezeugen dass das auch noch bei Mitte 20-Jährigen so ist. Ich bin froh dass ich das jetzt erkannt habe. Keine Sorge - ich mache nicht die anderen Studenten dafür verantwortlich, dass ich ein Alkoholproblem hab. Es ist nur so, dass ich echt perplex bin angesichts der "Alkoholkultur", die ich früher so nicht gesehen hab.
    Es geht aber nicht nur um sog. "binge drinking", sondern auch um die Flasche Wein beim Date, das Bier im Pub mit Freunden, den Sekt zum Anstoßen; um den Whiskey, den man sich im Festival-Camp mit den anderen teilt, kurz: Um das riualisierte Trinken.

    Neulich hab ich eine unglaubliche Erfahrung gemacht: Seit Jahren mein erster Morgen komplett ohne Kater, nachdem ich abends mit Freunden unterwegs war. Ich saß im Bus auf dem Weg zum Sport und die Sonne schien mir ins Gesicht, während ich meine Lieblingsmusik hörte. Und da wurde mir bewusst dass ich jetzt normalerweise mit dickem Kopp im Bett liegen und mich über mich selbst ärgern würde, während die Sonne draußen unbemerkt wieder untergeht. Und da wurde mir etwas Wichtiges klar: Ich dachte immer, Alkohol sei Freiheit. Freiheit, sich auszutoben, alles mögliche zu tun, ohne sich dafür schämen zu müssen, mehr zu lachen, die Welt bunter wahrzunehmen. Aber eigentlich ist Abstinenz Freiheit: Freiheit, nur Entscheidungen zu treffen, die man auch wirklich treffen will. Körperliche Freiheit, weil man nicht mehr katert. Freiheit von den eigenen Impulsen. Freiheit von Scham und Selbsthass.

    Bisher hab ich mir schon oft vorgenommen, aufzuhören oder "weniger zu trinken". Aber ich hab es nie ernst gemeint. Zum ersten Mal bin ich bereit, Opfer zu bringen und mich selbst als Alkoholikerin zu sehen und nicht als "eine, die ab und zu über den Durst trinkt". Ich weiß dass der Weg vor mir sehr schwer wird und ich mit vielen Schwierigkeiten werde kämpfen müssen. Aber ich freue mich auch darauf, zu sehen, wer ich ohne den Alkohol bin. Wer ich sein kann, außer dem Mädchen, das mittags mit Kater weinend eine Freundin anruft und fragt, was am Abend zuvor geschehen ist.
    Ich empfinde es eher als schlechtes Zeichen, wenn ich jetzt sage, dass ich zuversichtlich bin. Zu viel Zuversicht wird mir in die Quere kommen, weil es zu hohe Erwartungen an mich selbst nach sich zieht. Ich möchte realistisch bleiben und ich weiß, dass die nächste Zeit intensiv wird, vielleicht werden auch viele negative Empfindungen hochkommen. Immerhin war Alkohol bisher für mich so vieles: Trost, Ablenkung, Belohnung, etc. Das wird spürbar fehlen. Aber ich werde auch so viel lernen, mich neu kennenlernen und mich zum Positiven verändern...

    Danke für eure Aufmerksamkeit! Ich wünsche euch allen viel Glück für die nächste Zeit, und empfinde Respekt davor, dass ihr alle etwas verändern wollt. Bis bald!
    Struggling