Beiträge von Sireena

    Hi Kaltblut,

    aahh, du hast das etwas falsch verstanden. Ich hinterfrage den Betreuer nicht, dafür müsste er was tun, das tut er nicht (Fakt), also gibt es da auch nichts zum Überdenken. Es frustet mich nur, dass er für das Halten einer Akte Geld bekommt. Auch Medikamentendosen, Diagnosen oder Ärzte kann ich nicht hinterfragen, dafür müsste ich etwas zu dem Thema wissen und das tu ich nicht, denn mein Bruder spricht nicht mit mir darüber.. So gesehen bleibt mir das als Schwester erspart.

    @Lütte: Was würde ich meiner Freundin raten? Dass sie sich professionelle Hilfe suchen soll, weil ich davon nicht genug verstehe. Medizinische Aspekte kann ich erklären, von der menschlichen Psyche versteh ich nicht genug, als dass ich mich dazu äußern würde.
    Im Augenblick denk ich aber, dass ich mich für mehr Abstand entscheiden werde. Ich sehe seine Fortschritte, er ist etwas selbstständiger geworden, kümmert sich mehr um sich selbst. Aber ich weiß auch, wie sehr es mich belastet, dass ich immer wieder die gleichen Basics runterbeten kann (z.B. dass man nasse Wäsche auch aufhängen muss und nicht einfach im Wäschekorb trocknen lassen) und weiß, wenn die Klamotten kaputt sind oder die Wohnung schimmelt, steht er bei mir auf der Matte und will das Geld, um seine Faulheit auszugleichen, weil er hat es nicht.
    Ich arbeite so hart und er zeigt nicht ein Mü entgegenkommen, um meine Belastung zu reduzieren, indem er sich zusammenreißen würde, wenigstens solch eine Kleinigkeit auf sich zu nehmen. Ich bin das einfach müde.

    Mal schauen, wie lang ich diese Vornahmen durchhalte.

    Hallo Linde,

    mein Bruder hat einen gesetzlichen Betreuer, allerdings nur für zwei Teilbereiche seines Lebens: Gesundheit und Aufenthaltsbestimmungsrecht. Leider lässt sich sein Betreuer eigentlich nie blicken und es bleibt an mir hängen, ihn dazu zu motivieren, zum Zahnarzt zu gehen oder auch mal mit seiner Psychotherapeutin darüber zu sprechen, dass seine damalige Einstellung nicht optimal ist. Vom Betreuer hört und sieht man leider nichts.

    Was meinen Beruf anbelangt, ich bin sehr strukturiert, penibel, außerdem trage ich viel Verantwortung, da ich im medizinischen Bereich tätig bin. Ich könnte allerdings durchaus "teilen", wenn ich jemanden zum Teilen hätte. Habe ich aber nicht. Ich gehöre allerdings nicht zur Sorte Mensch, die Arbeit liegen lässt, wenn noch was zu tun ist.
    Meinen Job mag ich, aber ja manchmal würde ich gern zu was neuem Wechseln, wenn es wieder mal mehr Tage die Woche sind (10-12h täglich, 12 Tage am Stück i.d.R.). Allerdings nicht so einfach, wenn man einen irren kleinen Bruder mitversorgen soll und... sagen wir es so, mein Dad und seine neue Frau haben es mit dem einteilen ihrer Finanzen auch nicht so wirklich drauf.
    Mein Chef kennt meine Situation. Wenn es hart auf hart kommt, unterstützen er und auch meine Kollegen mich, indem ich meine Dienstzeiten abändere, spontan Urlaub nehme oder einen Teil der Arbeit im Homeoffice erledigen kann.
    Ein neuer Chef wäre u.U. nicht so gestrickt und würde mich in der Probezeit kündigen. Da es bei uns in der Gegend nicht viele Jobs in meinem Bereich gibt, hieße das Umzug und "Supergau" für meine Beziehung. Trotzdem schlaucht es mich.
    lg
    Haserl

    Hi ihr!

    Da war es also wieder ein weiteres Wochenende bei meinem Bruder und ein weiteres Mal der Wunsch, ihm den Hosenboden zu versohlen.

    Kurz zu mir, ich bin 36, glücklich verheiratet, beruflich zufrieden, aber auch extrem eingespannt (70+ die Woche). Meine Mutter war Alkoholikerin und hat sich damit im Laufe der Zeit umgebracht. Mein Dad war eigentlich nie da.
    Mein Bruder ist alkoholkrank und gleichzeitig paranoid schizophren.

    Ich kümmere mich um ihn mit, er bekommt Geld von meinem Mann und mir, eigentlich um sich damit essen zu kaufen, meist verprasst er es aber stattdessen für Alkohol, vielleicht auch Drogen.
    Am meisten frustet mich, glaube ich, dass man mit ihm nicht normal sprechen kann. Sein Verstand funktioniert aufgrund der Krankheiten nicht richtig. Was für uns normal und logisch ist, ergibt in seinem Schädel keinen Sinn. Er spricht auch nicht normal mit einem. Gar nicht spricht er über die Dinge, die ihm Angst machen, aber teilweise auch nicht über ganz normales Zeug. Zumindest wirkt es auf mich normal. Für ihn ist es bedrohlich. Fremde Menschen, alles was neu ist, alles was er lange nicht hatte... es ist eine Gefahr aus seiner Sicht. Ich versuche wie Sisyphos dagegen anzuarbeiten.

    Ich liebe ihn. Ich hab mich mein ganzes Leben, um ihn gekümmert, na ja, bis zu dem Punkt, als ich zum Studium endlich abhauen konnte und so schnell wie möglich das Weite gesucht habe.
    Kurz darauf wurde meine Mutter krank, er hatte immer eine sehr gute Verbindung zu ihr - im Gegensatz zu mir - und bekam es geballt mit. Als es bei ihr schlimmer wurde, brach auch noch seine Krankheit aus.

    Dass ich einfach nicht sagen kann, rutsch mir den Buckel runter, hat wohl drei Gründe.
    1) ich fühl mich schuldig, weil ich ihn nicht mit rausgeholt habe, als ich gegangen bin, sondern ihn mit diesem Mist einfach zurückgelassen habe
    2) ich hab meiner Mum auf dem Totenbett versprochen, dass ich mich um ihn kümmere
    3) Er ist nicht wie die typischen Junkies oder Alkoholiker, zumindest macht er nicht diesen Eindruck. Durch Drogen (Crystal), Alkohol und die Schizophrenie ist er gefühlt auf dem Stand eines 14 bis 15 Jährigen. Nicht die Phase, wo sie unverschämt sind, er ist lieb und freundlich i.d.R. Aber die Phase, wo sie selbst das einfachste nicht auf die Reihe bekommen. Das verstärkt den Eindruck, dass man sich um ihn kümmern muss.

    Daher steh ich mindestens einmal im Monat auf der Matte und motiviere ihn, etwas zu tun. Sich normal zu benehmen, was richtiges mit uns zu essen, aufzuräumen....
    Und ich bin so unglaublich FRUSTRIERT! Mir ist schon elend, wenn ich nur daran denke, dass ich wieder einen Tag meiner eh schon begrenzten Freizeit verschwende, um mir dieses Elend anzusehen. Dabei stört mich nicht, dass ich ihn sehe, mich stört das drum rum. Dass er nicht redet, dass er lieber Alkohol als Essen kauft, dass ich nicht weiß, ob er eventuell Drogen nimmt oder es die Medikamente in Kombination mit dem Alkohol sind, die ihn manchmal am Telefon so seltsam klingen lassen.

    Und es enttäuscht mich, da ich mich dabei ausgenutzt fühle, finanziell wie emotional, weil ich immer parat stehe und versuchte ihn zu unterstützen und so wenig dabei zurück kommt.
    Eigentlich will ich nicht mehr dort vorbei. Das wäre aber auch nicht fair. Wie komm ich da raus, aus dieser Schuldspirale? Meiner Mutter gegenüber habe ich diese nie so immens empfunden, vielleicht, weil sie "nur" Alkoholikerin war.

    Das ist nicht das erste Mal, dass ich versuche diesen Frust los zu werden, aber es ist schwierig, weil das Thema zu komplex ist. Ich war bei Selbsthilfegruppen für Alkoholiker und psychisch Kranke, bei ner psychologischen Beratung... aber i.d.R. kommen die Menschen schnell an ihre Grenzen, weil ihnen entweder zum einen oder zum anderen Aspekt die Erfahrung fehlt.
    Und ja, er ist in psychologischer Betreuung. Und nein, er will nicht von seiner Sucht los kommen, warum auch immer.
    Ich hab Angst, ihn komplett Fallen zu lassen, da er auch Selbstmordgefährdet ist. Auch wenn ich weiß, dass der Alkolismus ihn sonst irgendwann umbringt, ich weiß nicht, ob ich je damit klar käme, würde es nach meiner Entscheidung geschehen.

    Danke fürs Durchlesen.
    Sireena