Liebe Sophia!
Entschuldige für die Verspätung meiner Antwort, meine Wochen waren arbeitstechnisch etwas turbulent.
Ich habe deine Beiträge soeben gelesen und möchte dir vorab mal ganz herzlich gratulieren, dass du einen Therapeuten aufgesucht hast.
Das ist eigentlich schon ein ganz toller Schritt.
Das, was man in einer Therapie "lernt", kann man nicht 1:1 sofort umsetzen, da ist man natürlich etwas überfordert. Man muss zB erst lernen Grenzen zu setzen, denn meistens hat man das "Grenzen setzen"-Thema ja nicht nur in einer Beziehung, sondern ist generell so veranlagt, dass man schwer "NEIN" sagen kann.
Dann kommt hinzu, dass viele Menschen (insbesondere Frauen) ja auch zur Hilfsbereitschaft "erzogen" wurden und eine sehr viele eine innere Einstellung haben (Wenn ich nur genug mache, dann hat mich xy lieb). Ferner musst du auch lernen an DICH zu denken – einen gesunden Egoismus zu entwickeln.
Eine Therapie ist dazu da, diese Denkmuster aufzulösen, diese sind in unserem Gehirn seit Kindheit programmiert - und es ist unheimlich schwer, sich selbst zu ändern. Gib dir die Zeit! Arbeit an sich selbst ist extrem hart.
Das führt mich jetzt gleich zu deinem Partner. Dein Partner ist krank. Im Grunde genommen schwer krank. So wie man auch selber Zeit braucht, sich zu verändern, geht es deinem Partner ähnlich. Nur kommt hinzu, dass seine Krankheit durch eine Droge ausgelöst ist, die den Blick auf sich selbst vernebelt. Da fällt es dann sehr schwer, einen „Bewusstseinsprozess“ (nochmal: es ist eine Krankheit) in Gang zu setzen, da durch diese Vernebelung ja keine Einsicht kommt, dass man krank ist.
Ich kenne das Gefühl sehr gut, über dieses Thema mit dem Partner zu sprechen, ist ein heißes Eisen. Man ist selber ganz vorsichtig, sucht sich klare Momente aus und versucht ganz behutsam den Alkoholismus anzuschneiden. An manchen Tagen kommt es einem vor, dass der Partner "kooperativ" ist, an anderen Tagen macht er "dicht". Er wird sogar versuchen, dich mit kurzfristigen Verhaltensweisen (weniger Trinken, kleine Einsicht, Arztbesuche, Sport, etc) "ruhig" zu stellen, das erzeugt bei dir Hoffnung. Aber an anderen Tagen wirst du merken: "ES IST EIN ABSOLUTES TABUTHEMA". Dann kommt bei dir die Enttäuschung. Und wieder geht es dir schlecht. Verstehst die Welt nicht. Fängst wieder an, herumzusuchen, suchst dir Infos, was man noch tun könnte,.... Genau dieses Muster musst DU bei dir selbst auflösen.
Und ich kann dir sagen: Es gibt keine Lösung. Weil es nämlich erstens eine Krankheit ist. Und zweitens ist es NICHT dein Problem! Dadurch bist du auch chancenlos. Du kannst auch niemanden "hinführen" zur Problemerkenntnis, denn jeder Mensch braucht länger oder kürzer und hat sein eigenes Tempo. Und ein Problem erkennen, muss jeder für sich selbst, oft, wenn der Leidensdruck sehr groß ist, aber auch dafür gibt es keine Garantie.
Ich glaube auch, dass erwachsene Menschen generell ungern hören, egal um was es sich handelt, wenn jemand anderer immer wieder die eigenen Schwächen anspricht. Das muss nicht mal zwangsläufig mit Alkohol zu tun haben, oder mit einer Sucht generell.
Der Lernprozess, den ein Co-Abhängiger - meiner Meinung nach haben sollte - aufhören, immer helfen zu wollen, damit alles "reibungslos" ist und eine Harmonie da ist. Den anderen verändern zu wollen klappt einfach nicht.
Man muss also lernen, sich selbst abzugrenzen, das kann man meiner Meinung nach nur, wenn man lernt, sich selbst zu lieben. Einzusehen, dass man selber ein „Thema“ hat. Ein harter Weg. Rückfälle inkludiert.
Fällt dir was auf? Ähnliches Problem wie dein Partner. Loslassen fällt für beide schwer (der eine den Alkohol, der andere das Problemlösen-Wollen). Was immer auch „loslassen“ bedeutet.
Alles Liebe
Sonne
P.S.: Mir geht es soweit gut. Ich versuche an mir zu arbeiten. Was ich jetzt schon merke, dass ich dadurch auch beruflich oder in meiner Familie „anecke“, denn dieses Verhalten ist nicht nur auf die Partnerschaft rückzuführen, sondern ein Lebensmuster. Ich will mein Lebensmuster ändern. Und ja, ich habe natürlich einen Liebesbrief zurückerhalten und er „kämpft“ um mich, weil er die Veränderung merkt. Aber……. Jetzt bin ich mal für mich wichtig!