... ich fühle mich heute Abend wieder so depri und habe ein komisches Gefühl bezogen auf morgen. Ich dacht, ich schreib es einfach. Bin irgendwie auch unsicher, ob das hier rein passt, weil sich das Thema Depressionen und Alkohol vermischen, wobei die Depression lauter ist. Bin grad einfach in einer instabilen Phase. Das hatte ich einfach schon lange nicht mehr...
Trinkdruck habe ich zum Glück nicht, aber morgen bin ich bei meiner Familie. Wahrscheinlich sehr viele Weingläser um mich herum. Beim letzten Weihnachten kamen völlig unerwartete Klugscheißer-Kommentare bezogen auf Abstinenz. Nach dem Motto "bäbäbä man kann ja gar nicht abstinent sein, selbst wenn man ein Oragensaftglas offen hinstellt hat sich nach ein paar Sekunden schon Alkohol gebildet bäbäbä" Wenn das dieses Jahr wieder so kommt gibt es SAURES (für den Fall, dass mir nicht wieder die Spucke weg bleibt, was wahrscheinlicher ist).
Mein Mann kann zwecks Gesundheit nicht mit. Das erste nüchterne Weihnachten ohne meinen geliebten Fels, der wirklich hinter mir steht. Mulmig. Aber ich bin trotzdem zuversichtlich, dass alles gut wird, so wie am 24. auch, als ich mir davor so Sorgen machte.
Meine Familie hat bei mir nie das Suchtproblem gesehen. Auch nicht meine Depressionen. Mir ging es ja immer "so toll" und ich habe meine Probleme selbst auch nicht ernst genommen. Je schlechter es mir ging, je fröhlicher tat ich. Hätte eher das Gefühl gehabt, mich wichtig zu machen, wenn ich meine wahren Gefühle offengelegt hätte.
Ich konnte nicht über meine Gefühle reden. Bevor die Verletzung unerträglich wird auf Grund unsensibler Kommentare tat ich lieber so, als sei alles BESTENS. Daher haben die Sucht und die Depressionen für sie nie real stattgefunden- wie auch. Die Fassade stand. Inzwischen, wohlgemerkt, haben sich meine Eltern wirklich gebessert und ich kann sagen, wenn es mir nicht so gut geht, ohne, dass es komisch wird.
Der Selbstmordversuch damals kam völlig überraschend und war dann recht schnell wieder vergessen. Meine Mom hat mir dann etwas später auch gesagt, dass sie das Thema Sucht noch nie interessiert hat - sie fand dieses Thema schon immer unangenehm und abschreckend. Weswegen sie auch jetzt nicht damit anfangen würde, sich damit zu befassen. Ja. Gut. Schade und insgeheim extrem verletzend. Sie will einfach alles verdrängen, was sie bedrohlich findet...sie hat Angst und sorry - das ist in meiner Welt trotzdem abartig, nicht meine Unzulänglichkeit und ich kümmere mich um mich. Ich kann von ihnen nichts erwarten, was sie nicht sind. Ihr Berufsstand weckt zwar andere Erwartungen, aber sie sind eben Eltern und ich bin erwachsen (41).
Mit dieser Einstellung komme ich im Alltag inzwischen super klar mit ihnen - dank viel Arbeit an mir selbst durch die Therapie. Besser denn je. Da nehmen sie inzwischen im Normalfall auch Rücksicht und trinken keinen Wein oder Sekt vor und mit dem Essen.
Aber an Weihnachten ist meine Mutter sehr aufgeregt, Wein muss sein, das will man einfach anbieten und konsumieren und dann kann es eben auch zu merkwürdigen Alkohol-Kommentaren kommen (siehe oben Orangensaft). Es ist oft ein krasser Drahtseilakt von dem ich die einzige bin, die ihn bemerkt. Ich fühlte mich schon oft so, als sei ich umgeben von lächelnden Trampeltieren, die mich tottrampeln, wenn ich nicht auf der Hut bin. Mit tottrampeln meine ich, dass ich dann reflexartig annehme, dass alles an mir liegt, das Gefühl habe, ich müsse es ok finden, ich nicht mehr auf meine Wahrnehmung vertraue und dann fahre ich nach Hause und fühle mich vollkommen durch und durch wertlos. Und ja, ich habe viel in der Hand - ich weiß. Ich arbeite an mir. Aber ich sehe einfach die Gefahr und habe Angst. Sie sind alle so nett und können so krass verletzend sein.
Mir ist es wichtig, mit meinen Eltern klarzukommen, auch, wenn sie wichtige Aspekte von mir nicht sehen wollen. Die Sucht ist nichts, was mich wirklich ausmacht, aber sie hat mich lange begleitet und ist ein wichtiges Thema für mich. Dass das an Weihnachten keiner sehen will ist anstrengend.