Beiträge von Sandra75

    Hallo Noah,

    diese Löcher/Tiefs kenne ich leider auch. Sie kamen in den letzten Jahren und Jahrzehnten alle paar Monate , meist "nur" für einen Tag, an dem ich dann halt besonders nachdenklich bzw. traurig war, aber am nächsten Tag ging es dann eigentlich wieder. Gerade vor kurzem war das Loch leider tiefer als sonst und es dauerte um einiges länger, bis ich mich (einigermaßen) daraus befreien konnte. An diesen Tagen denke ich dann besonders über meine Kindheit/Jugend nach und überlege, ob ich als Person bzw. mein Leben heute anders wäre, wenn meine Mutter keine Alkoholikerin gewesen wäre. Natürlich weiß ich, dass es darauf keine Antwort gibt und dass das alles Spekulationen sind, aber trotzdem ist dieser Gedanke in meinem Kopf. Und ich stelle bei mir fest, dass ich mir diese Frage mit steigendem Alter immer öfter stelle.

    Und natürlich fände ich es spannend, wie ihr mit so einem Gefühl - sobald es auftritt - umgeht, z.B. ob ihr es akzeptieren könnt, ob ihr bis heute dagegen ankämpft usw. ...

    Bisher habe ich es einfach akzeptiert und nichts weiter unternommen, denn am nächsten Tag war ja alles wieder vorbei. Bei meinem letzten Tief bin ich allerdings wirklich tief gefallen und wurde auch in Verhaltensmuster aus der Vergangenheit zurückgeworfen, die schon damals nicht besonders gut waren. Das hat mich wirklich besorgt und momentan überlege ich, ob ich meine Kindheit/Jugend vielleicht doch mit einem Therapeuten aufarbeiten sollte. Bisher hatte ich bei solchen Überlegungen immer beschlossen, die Vergangenheit einfach ruhen zu lassen. Aber, wer weiß, vielleicht ist/war das doch keine so gute Idee und irgendwann holt einen die Vergangenheit doch wieder ein - auch wenn es mit 48 Jahren ist.

    LG Sandra

    Oder vielleicht dass du sie nicht damit konfrontieren wolltest, da du das Gefühl hattest, dass es sie aufregt? Sie schützen wolltest, weil du ja das so erlernt hattest? Das wären meine Gedanken gewesen.

    Ja, da ist was dran... Meine Mutter hatte immer wieder "Trinkphasen", wenn etwas passiert war, also sie etwas aufgeregt/belastet hat. Das war zwar für mich bzw. uns (meinen Vater und mich) oft nicht nachvollziehbar, aber vielleicht (oder eher wahrscheinlich) habe ich uns alle schützen wollen. Meine Mutter vor der Aufregung und ggf. dem erneuten Auslösen einer Trinkphase und mich/uns vor den dadurch entstehenden Belastungen.

    Ich habe jetzt ein paar Stunden darüber nachgedacht, warum ich meine Mutter nie mit ihrer Alkoholsucht konfrontiert habe bzw. sie nie gefragt habe, warum es dazu gekommen ist. Ganz ehrlich... ich weiß es nicht. Vielleicht, weil ich mir relativ sicher bin, dass sie nicht mit mir darüber gesprochen hätte. Ich glaube, sie wollte selbst nicht über die Gründe bzw. die Vergangenheit nachdenken bzw. mich damit belasten (wobei das aber reine Spekulation ist). Die letzten Jahre vor dem Tod meiner Mutter war sie - denke ich - trocken. Aber ich hatte mich emotional auch schon sehr distanziert bzw. abgegrenzt, denn so war es für mich leichter, das alles zu ertragen. Außerdem wohnte ich auch schon einige Jahre nicht mehr daheim, auch wenn ich meine Mutter täglich gesehen habe. Das war für mich auch so in Ordnung und auch wichtig, denn keinen Kontakt zu haben und nicht zu wissen, was mit ihr ist, damit wäre ich schlechter zurecht gekommen. Durch diese (emotionale) Abgrenzung konnte ich mit dem "Ist-Zustand" einigermaßen umgehen, da ich schon lange begriffen hatte, dass ICH es eh nicht ändern kann. Vielleicht war auch das der Grund, warum ich nie gefragt habe.

    Wenn ich das Wort "konfrontieren" anders auslege, und zwar in der Hinsicht, dass ich meine Mutter mit meinem Wissen über ihre Sucht "konfrontiert" habe, dann war das bereits als Kind. Ich kann mich erinnern, dass ich sie, wenn es mal wieder ganz schlimm war, angefleht habe, doch endlich mit dem Trinken aufzuhören. Aber da war ich in einem Alter, da wollte ich einfach nur, dass das alles ein Ende hat und ich habe mir keine Gedanken über die möglichen Gründe gemacht. Dafür war ich auch einfach noch zu jung.

    Wieso und weshalb meine Mutter zur Alkoholikerin wurde, werde ich nicht mehr erfahren. Ob mir ein Gespräch und eine Erklärung in meinem weiteren Leben geholfen hätte... ich weiß es nicht. Mein Leben ist, wie es ist und ich muss mit den Auswirkungen der Krankheit meiner Mutter auf mein Leben - auch 20 Jahre nach ihrem Tod - klar kommen.

    Hallo! Ich bin Sandra und 47 Jahre alt.

    Meine Mutter war Alkoholikerin und ist mittlerweile seit 20 Jahren tot. Sie hat nicht immer getrunken, es gab auch trockene Phasen, in denen ich aber natürlich immer angespannt war, denn es war nur eine Frage der Zeit, bis es wieder los ging. Soweit ich mich zurückerinnern kann, war meine Mutter schon immer Alkoholikerin, auch wenn ich das natürlich als (vor allem junges) Kind noch nicht verstanden/erkannt habe.

    Ich bin u.a. hier, weil ich mich gerade mal wieder frage, ob mein Leben vielleicht anders verlaufen wäre, wenn "das alles" nicht passiert wäre. Ich bin alleine, also keine Beziehung und/oder Kinder. Ich vertraue nur sehr schwer und auch nur bis zu einem gewissen Grad, lasse niemanden näher an mich ran (gefühlsmäßig). Da ich es nicht anders kenne, war das bisher auch "okay" für mich. Ich dachte halt, ich bin so. In den letzten Jahren habe ich darüber nachgedacht, ob das nicht doch mit meiner Vergangenheit zu tun hat. Ich denke immer mal phasenweise darüber nach, aber nach ein paar Tagen verdränge ich die Sache wieder und mein Leben geht normal weiter. Ich bin der Typ "es ist, wie es ist und fertig".

    Ich freue mich, mich hier bei Euch etwas einlesen zu können und hoffe, vielleicht den ein oder anderen Buchtipp zu bekommen. Vielleicht wäre das ein Anfang für mich, mich nach 20 Jahren doch nochmal mit dem Thema zu beschäftigen und die ein oder andere Selbsterkenntnis zu erlangen.