Hallo Stern,
ich investiere doch in mich selbst. Ich ziehe aus Beiträgen von anderen, mitlesen, mal kommentieren, doch genauso etwas für mich, als würde ich bei Bedarf einen eigenen Beitrag für mich verfassen. In einer Selbsthilfegruppe lokal vor Ort ist man doch auch oft einige Treffen zurückgenommen nicht jedes Mal in der Kommunikation selbst Thema, sondern vorrangig der, der gerade etwas akut hat und sich damit meldet. Manchmal auch als ganzer Strang. Einige Teilnehmer hören doch sogar Wochen nur zu und ziehen für sich etwas auch aus einer Gemeinsamkeit, die schon gut tut.
Ist es nicht auch viel Reflexion an der Situation von anderen, vielleicht auch ein sich immer wieder überprüfen, wo man steht, wo man ggf. nicht wieder hin will, welche Erfahrungen ähnlich sind, wie andere mit Gefühlen umgehen?
Ich bin sicher in einer für mein Leben mittlerweile stabileren Situation; habe nicht das ständige Bedürfnis, Hilfe zu erfragen mit einem eigenen Problem. Weil manchmal eher das Thema auftaucht; ich nichts konkretes benennen kann, nicht einmal für mich. Deshalb kann ich doch trotzdem den Wunsch verspüren, dem Thema Co / Kind von gerade in dieser Lebensphase wieder näher zu sein, mich damit nochmal emotional auseinanderzusetzen? Gedanken zu teilen. Mich stabil zu halten. Es steht in der Beschreibung doch auch explizit Austausch? Mir liegt es ziemlich fern, beraten zu wollen; es sind meine ureigenen Erfahrungen, die aus Gründen breit gestreut waren, ich habe jahrelang mehr als eine Hilfseinrichtung gesehen - als Ratsuchende- , das kann ich nicht weg argumentieren. Auch nicht, dass Menschen mit fachlichem Hintergrund wie Ärzte, Juristen, Sozialpädagogen, Mitarbeiter der Drogenhilfe doch auch im Thema Alkohol ein Thema haben dürfen und haben. Dadurch vielleicht auch anders klingen als andere. Wir gestehen doch aber auch Betroffenen oft zu, dass sie Experten in ihrem Thema/ihrer Erkrankung werden mit der Zeit und Einsatz. Das ist für mich nahe am Trigger "Deine Erfahrung oder Art, damit umzugehen, ist nicht so, wie es sein soll oder nicht richtig".
Ich habe das Gefühl, dass irgendetwas an der Art, wie ich schreibe, falsch ist; entweder ist es kein eigenes Problem, zu wenig "ich", zu viel "Info zu" oder Aussagen, die dann für Empörung sorgen. Ich fühle mich nicht mehr frei und ungezwungen im Austausch, den ich eben, wenn Momente in meinem Leben oder Trigger auftauchen, sehr gerne in Anspruch nehmen würde, sondern irgendwie so, als folge ich hier einfach nicht ungeschriebenen Regeln. Ich kann sie aber auch nicht richtig greifen. Bleibt es nicht aber im Kern eigentlich mir überlassen, wie meine Form der Selbsthilfe und Verarbeitung aussehen kann, solange sie andere jetzt nicht in ständigen Ratschlägen bedrängt oder nervt? Schaut man sich nicht auch im Mitlesen, Empathie zeigen, seine eigenen Emotionen und Wege jedes Mal wieder verarbeitend an?
Es ist auch eigentlich egal, ich mag mich nicht verbiegen und bei einem Kommentar bei anderen immer ein Gefühl bekommen, dass das nicht recht so ist, weil ich einen Anspruch von außen an mich zu mir nicht öfter erfülle/erfüllen kann. Vielleicht ist es besser, sich dann im Guten zu verabschieden. Das sind meine völlig neutralen Gedanken dazu.
Zum Thema Belastung und dem anderen Strang mag ich das aber noch schreiben, weil ich merke, dass mich das als Betroffene wirklich wütend macht und mir das wichtig ist. Es eine Relativierung für mich als Betroffene ist und ich eine Selbsthilfegruppe auch als geschützten Raum betrachte. Wäre somit (m)ein Thema gerade : ) Wenn es darum geht, dass ein Alkoholiker sich seinen Weg hart und mit Rückschlägen zurück erkämpft, arbeitsunfähig ist, nach Entgiftung/Therapie massive Ängste hat am Arbeitsplatz, dorthin wieder zurückzukehren, der Belastung nicht gewachsen zu sein, wird hier extrem viel und super empathisch Zuspruch verteilt, zu Hausarzt geraten, sich zurücknehmen, alle Zeit der Welt lassen usw. (Genau richtig und wichtig so) Geraten, jetzt eher langsam zu machen, als mittel- bis langfristig ein größeres Problem zu bekommen. Die Achtsamkeit für sich zu haben, Prio 1: Stabil bleiben.
Das soll für Cos mit kleinen Kindern, die sich vielleicht auch noch parallel aus finanzieller Abhängigkeit und Gewalt befreien müssen inklusive Trauma, Wohnungssuche und extremer Belastung bei gefühlt dann 26 St-Tagen aber alles nicht gelten? Da ist es absolut unangemessen zu sagen, nimm ärztliche Hilfe in Anspruch und Gelder oder jegliche Unterstützung, die Dir zusteht (und nicht: die Du Dir unberechtigt erschleichst)? Weil andere das System missbrauchen? Das muss ich nicht verstehen. Will ich auch komplett nicht. Ich habe damals selbst nichts in Anspruch genommen, weil ich nicht wollte und parallel tatsächlich durch jedes Netz gefallen bin - und wer schon einmal mit Kind länger unterhalb von 400€ im Monat für alles gelebt hat, weiß, dass man faktisch täglich Schulden macht und die Situation immer aussichtsloser wird. Wenn es sehr blöd läuft, noch sein Kind los ist. Das soll dann ein guter -wenn schon harter, wenigstens nicht selbst schädigender- Weg sein, sich aus ggf. Jahrzehnten Abhängigkeit zu befreien? Mit welchem Recht wird einem traumatisierten Partner/Partnerin denn systemische Hilfe temporär abgesprochen, warum wird da mit zweierlei Maß gemessen und sich empört. Wer urteilt denn, wann und für wen was angemessen ist? Eine Empfehlung ist etwas anderes als eine Beruhigung mit einem ersten Hinweis zum Thema soziales Netz, wenn jemand mit kleinen Kindern verzweifelt in einer Abhängigkeit und Gewaltbeziehung hängt und nicht mal weiß, wie er die nächsten Tage dann "gelöst von" überstehen soll. Sich Sorgen macht, wie er parallel Arbeitszeit aufbringen soll. Einfacher als das Gehen wird das "Danach" doch selten?
Wenn jemand Unterstützung, mal moralisch gesehen, verdient hat, dann doch vielleicht Menschen, die sich nicht darauf ausruhen, sondern vorwärts gehen und ihren Kindern unter allen Widrigkeiten eine gesunde Perspektive bieten wollen? Von Mama-Co im Burnout oder mit Herzinfarkt und verlorenem Sorgerecht haben nämlich auch Kinder in einer Suchtfamilie nichts - ihr Leiden geht weiter. Ich bin ziemlich entsetzt, wie man das so einordnen kann - als wäre es zutiefst verwerflich zu sagen, da gibt es Wege und Hilfe, wenn Du es überlastet nicht schaffst, direkt wieder auch noch Euren kompletten Lebensunterhalt plus neue Unkosten (Kaution /Möbel)zu sichern für ein Leben, dass noch nicht einmal sicher und in gesunden Bahnen ist. Mütter mit Kleinkindern machen das schon und haben das halt zu stemmen, für manch andere, die es zum Teil vermutlich wesentlich weniger nötig hätten oder deutlich bessere Voraussetzungen haben, gilt das nicht? Schlimmste Szenarien - Stern, das sind doch jetzt keine extremen Ausnahmen; fast jeder, der aktiv aus Sucht und Gewalt und Haus, finanzieller Abhängigkeit mit Kindern geht, hat einen Berg an Organisation zu stemmen; sogar wenn er ins Frauenhaus geht, wo einiges noch eher aufgefangen wird als privat? Ist abhängig von Zeiten, Terminen, Fristen, Befinden der Kinder, Expartnern? Meine Antwort bezog sich auf eine konkrete Situation in diesem Strang und Aussagen und war absolut keine allgemein gültige Empfehlung für alle, sich mal eben unberechtigt zu bereichern. Aus dem Kontext reißen, funktioniert da so sicher nicht.
Ich bleibe dabei, dass jeder Mensch das Recht hat, selbst einzuschätzen, welche Hilfen er wie in Anspruch nehmen darf bezogen auf Belastung und Gesundheitszustand. Und dass man Dinge erwähnen darf ganz ohne Unterstellung einer anrüchigen Empfehlung, wenn jemand in seiner Verzweiflung und Situation nicht einmal an Möglichkeiten denken kann. Die Sache an sich heißt noch nicht, etwas zu missbrauchen. Trauma kann leise sein und viele Mütter gehen doch hart bis an und über die Grenze, damit ihre Kinder eine Chance haben. Besser, mit Hilfen zu gehen, als zu verharren, ist es nicht das, was allen Cos so empfohlen wird? Mir wurde damals gesagt, Sie sehen doch noch gut zurecht aus (O-Ton: Für was brauchen Sie eine Beratung, anderen geht es viel schlechter"). In der Woche des Termines war ich kurz vorm erweiterten Suizid. Ich habe die Kurve genommen, quasi aus dem Graben heraus "persilweiß", aber ich hätte mir gewünscht, dass jemand ohne den Kontext Missbrauch herzustellen, gesagt hätte, dass Stabilisierung auch heißen kann, nicht direkt alles "normal" machen zu müssen. Nicht im Umbruch extern arbeiten gehen zu müssen und trotzdem nicht ins Bodenlose zu fallen. Dass extreme Belastung eben auch eine medizinische Diagnose sein kann, die gesehen wird, bevor sie chronische Folgen hat. Dass der Herzinfarkt oder Suchtdruck für viele -auch Ärzte- argumentativ vielleicht besser klingt als "Mein Kind hat wie seit Wochen jede Nacht eingenässt und 4 Stunden heute Nacht nach Papa gebrüllt aufgrund der Umstände, ich schaffe es einfach nicht, morgens leistungsfähig an einem Arbeitsplatz zu sein" ist vermutlich häufiger noch so. Ändert das was für denjenigen, der nicht kann?
Alles liebe, Ava