Beiträge von Smilla83

    Liebe Mia,

    Gestern war ein anstrengender Tag, aber ich konnte tatsächlich unser Sozialpsychologischen Dienst und den Sozialdienst des KH spontan an einen Tisch mit meinen Vater bekommen.
    Pflegeheim ist es leider wie bei dir, ohne monatelange Anmeldung keine Chance.

    Aber wir testen nun, das ab Samstag täglich der Pflegedienst zu ihm kommt. Vorher müssen wir die Wohnung noch einmal ordentlich entrümpeln, weil sonst kein Pflegedienst dort rein geht.

    Mein Vater lag hilflos im Bett und alle haben auf ihn eingeredet. Seine Beine knicken nun immer öfter weg, weil er sie Alkoholbedingte Polyneuropathie hat. Er bekommt nun einen Rollator und wenn er trocken bleibt er sollte, eventuell regenerieren sich die Beine wieder. Vielleicht ist das aber auch nur Wunschdenken.

    Jedenfalls gehe ich mit einem halbwegs guten Gefühl ins Bett und hoffe, dass es mit dem Pflegedienst hinhaut und ihm die Kontrolle zum nicht trinken erstmal reicht.

    Er wurde auch für einen qualifizierten Entzug angemeldet, dieser geht dann 14 Tage mit psychologischer Betreuung. Aber das dauert da ran zu kommen und ob er solange schafft, wage ich leider zu bezweifeln.

    Also es geht wieder und alles macht so unfassbar müde, aber nützt ja nichts: Augen zu und durch!

    LG

    Ok lieben Dank! Heute ist viel passiert bei seinem Orthopädentermin. Er hat dort einen Kreislauf Zusammenbruch bekommen (nichts gegessen ua). Der Arzt schaute uns an und fragte was wir da wollen, dieser Mann gehört in ein Pflegeheim und übersteh im Leben keine KnieOP mehr.
    Dann haben wir ihn zu dritt nachhause bekommen, weil er partout nicht ins KH wollte. Da habe ich erneut seine Wohnung gesehen und er konnte kaum gehen und ins Bett kommen. Ich habe den pflegegrad bei seiner KK nun beantragt. Das kann allerdings dauern. Ich habe einen Termin beim psychosozialen Dienst morgen bekommen. Abends hatte ich ein ungutes Gefühl und bin nochmal in seine Wohnung. Dort lag er auf dem Fußboden und kam nicht mehr hoch. Bettelte nach einer Einweisung zum Entzug. Also rief ich 112 in Abstimmung mit dem Hausarzt an. Die kamen 8min später: mein Vater saß fröhlich am Rechner und fragte was los sei? Die Sanitäter waren aber sehr firm und haben ihn ein Glück mitgenommen.
    Der Hausarzt macht mit einer Überweisung zur 4. medizinischen Entgiftung morgen fertig und ich hoffe, dass wir ihn 4 Tage nüchtern haben, um ihn dazu zu bewegen, dass wir / ich sein gesetzlicher Vormund werde. Ohne Pflegeheim geht es nicht mehr und es ist eine Zerreißprobe für alle. Vom Gefühl her würde ich sagen, er schafft den September nicht mehr, aber er hat schon so oft gezeigt, dass er viele katzenleben hat.
    Ein harter Tag geht zuende und die Angst, das solche Tage noch mehrfach kommen.

    Liebe mia2509 ,

    Ich habe heute viel gegrübelt und habe noch ein paar Fragen zum Pflegegrad/ Haushaltshilfe. Hast du den Pflegegrad ohne deiner Mutters Zustimmung beantragt? Weil mein Vater sieht es leider gar nicht ein, dass er Hilfe braucht.

    Und hast du eine Haushaltshilfe in der Pflege gefunden? Ich habe richtig Angst, dass ich jemanden da rein schicken muss, weil der Anblick und die Gerüche echt übel sind. Aber der Gedanke gefällt mir sehr, mich damit ein wenig mehr von dem Geschehen in seiner Wohnung zu distanzieren.
    Lg

    Liebe Mia,

    Vielen Dank für deine tollen und sehr einfühlsamen Worte. Das es anderen ähnlich geht, gibt mir ein wenig Kraft und das du sagst, man kann nichts mehr tun.

    Eigentlich weiß ich es auch, aber die Tochter in mir hofft trotzdem bei jedem Besuch auf ein Wunder und das er es endlich merkt. Die Kraft auf Abstand zu gehen habe ich auch noch nicht, weil es immer mal Gespräche gibt, die sehr sehr schön sind, wenn der alte Papa durch blitzt. An den Tag der Tage, wenn er tot ist, mag ich noch gar nicht denken. Nach all den Gestorbenen der letzten Jahre und dem Elend was man gesehen hat, habe ich das Gefühl, dass man nun selbst einen weg hat.

    Das mit dem Pflegegrad und Pflegedienst ist ein guter Hinweis, das werde ich nun angehen! Nicht mehr seine Wohnung sehen zu müssen und wir er da haust, würde einem schon einen kleinen Stein vom Herzen nehmen. Ihn dann zb nur zum spazieren oder zu seinen Eltern abholen.
    Die sind mit 90 beide wesentlich fitter als er, aber natürlich fassungslos und sehr sehr traurig.

    Ich danke dir sehr für deine Antwort!🍀

    Hallo liebe Forumleser und Mitleser,

    Ich habe schon einige Beiträge gelesen und ganz viele wo Kinder, um ihre Väter trauern, weil sie nach jahrelangem Alkoholkonsum gestorben sind. Mein Vater ist noch nicht tot, jedes Mal, wenn ich an seiner Tür klingele, habe ich aber Angst, dass er es ist.

    Mein Papa war ein toller Papa, lustig, fleißig, hat immer für uns gesorgt, hat immer gerne getrunken. Ist über 50 Marathons gelaufen, mehrere Super Marathons (100km). Er hat 40 Jahre eine Führungsposition gehabt, hat unser Elternhaus gebaut, uns bei unseren Häusern geholfen. Hatte viele Interessen und Hobbys.

    Mein Vater ist 67 Jahre und letztes Jahr hat sich meine Mutter nach 44 Ehejahren von ihm wegen des Alkohols getrennt.

    Er zog in seine eigene Wohnung und dort lebt er nun seit 1.5 Jahren. Er hat 2 Entziehungskuren hinter sich, seinen Führerschein verloren und man kann seinem Verfall zusehen. Er hat blutende Magenschwüre, steht kurz vor Leberzhirrose, hat Varizen in der Speiseröhre und klappt regelmäßig im Supermarkt ab und kommt ins KH.

    Seine Wohnung ist eine Zumutung. Alles ist klebrig, keimig, schimmelig, dreckig. Regelmäßig entsorge ich den Müll, beziehe sein Blutverschmiertes Bett von den Stürzen. Er isst kaum noch, kann sich nicht mehr richtig rasieren, wäscht sich nicht.

    Wenn wir uns unterhalten ist er manchmal noch der Alte. Er redet viel von sich und früher. Fragt nie nach dem Leben von seinen Kindern oder Enkelkindern. Das große Problem ist, dass er sich seiner Krankheit nicht bewusst ist. Er versteht nicht, dass er stirbt, wenn er so weitermacht. „Die Leute im Enzug waren Alkoholiker, aber er doch nicht.“ Er ist stolz auf seine Wohnung, geht aber nur zu seinen Eltern 1x die Woche und in den Supermarkt. Er hat keine Freunde - die soziale war immer meine Mutter.

    Er ist niemals aggressiv oder geheim. Er ist ein lieber Mann, der krampfhaft am Rechner sitzt und denkt, dass er noch einmal eine Frau bekommt. Er sieht sich nicht so wie wir ihn alle sehen. Wenn ich ihm sage, wir müssen mal über ein Pflegehelm nachdenken oder einen Pflegegrad, guckt er mich nur an wie ein Auto und wirkt dann wieder ganz normal.

    Meine Geschwister meiden den Kontakt zu ihm, wollen nicht so traurig sein, wenn sie ihn so sehen. Das verstehe ich und respektiere ich. Ich kann es nicht.

    Ich quäle mich einmal die Woche hin, wecke ihn zu Arztterminen und begleite ihn hin. Versuche mit ihm zu schnattern. Ab und an habe ich das Gefühl ich komme durch zu ihm, aber das nächste mal sieht er noch schlimmer aus.

    Letztes Jahr habe ich meine Schwiegermutter im Endstadium Krebs zuhause gepflegt und war 6 Monate rund um die Uhr für sie da. Trotzdem hatte ich nach ihrem Tod, ein so schlechtes Gewissen. Ich weiß ich hätte nichts tun können und war da für sie. Mit diesem Gefühl habe ich heute aber immer noch zu kämpfen.

    Deshalb kann ich meinen Vater auch nicht los lassen… auch wenn ich ihm beim langsamen Selbstmord zu schaue, kann ich nicht anders. Das wirkt sich natürlich auf meinen Mann und meine Kinder aus. Ich möchte glücklich sein, weil sie sind toll, aber meinen starken Vater so zusehen, zerreißt mir täglich das Herz und ich weiß nicht wie ich ihm helfen kann. Er möchte keinerlei Hilfe und sagt das ist alles nicht nötig.

    Ich weiß ihr könnt mir auch nicht helfen, aber vielleicht ja doch, damit ich diese Krankheit noch ein bisschen besser verstehe und lernen kann damit umzugehen und nicht mehr zu ohnmächtig zu sein.

    Danke für eine Reaktion!

    Eure Smilla