Beiträge von NovaSol

    Hallo Hartmut,

    absichtlich habe ich den Terminus Alkoholikerin nicht vermieden. Wo es vor 10 Jahren vielleicht „nur“ missbräuchliches trinken war, ist es seit 5 Jahren anders. Ich bin alkoholikerin! Da gibt es nichts zu beschönigen und so hat es auch meine Ärztin formuliert. Mein Ziel ist die Abstinenz. Ein bisschen schwanger geht nicht und genauso wenig funktioniert bei mir ein bisschen trinken. Die ambulante Entgiftung findet nun dergestalt statt, dass ich Montag in der Sprechstunde war und mich meiner Ärztin anvertraute. Es wurde mir direkt Blut abgenommen und ich wurde für Dienstag direkt nochmal einbestellt, da wurden die Blutwerte besprochen, ekg geschrieben, Blutdruck gemessen…also ich wurde einmal auf den Kopf gestellt. Dann hat sie mir erklärt, wie das jetzt mit der Therapie funktioniert und mich noch zum Internisten überwiesen, um einen Ultraschall durchführen zu lassen. Gestern haben wir telefoniert heute war ich wieder in der Sprechstunde, morgen telefonieren wir erneut. Ich habe noch einige Broschüren erhalten. Darin enthalten waren Infos zu selbsthilfegruppen hier vor Ort.

    Ich werde tun was nötig ist um gesund zu werden. Mir ist das ernst. Ich möchte und muss mich damit auseinandersetzen. Es wird sicher nicht immer leicht und manchmal vielleicht sogar schmerzhaft, genauer hinzusehen aber wenn das der Preis dafür ist, das ich noch ganz viele solcher Tage wie heute habe (unverkatert aufwachen, mich nicht für irgendwelchen Unsinn schämen müssen), dann zahle ich ihn gern.

    Hallo zusammen,


    wie stellt man sich vor und erzählt seine Geschichte, wenn man selbst zurückschaut und sich fragt, wie dieser schlechte Film eigentlich heißt? Ich versuche es…Ich bin 40, lebe in einer liebevollen Partnerschaft, habe einen gut bezahlten Job, ein tolles Haus und ein massives Problem. Einen missbräuchlichen Umgang mit Alkohol habe ich bestimmt schon seit 10 Jahren…richtig schlimm wurde es ca. vor 5 jahren. Das coronabedingte Homeoffice hat das ganze dann völlig eskalieren lassen. Wo ich zunächst „nur“ am Abend getrunken habe und höchstens im Urlaub auch schon mal mittags, war plötzlich nicht selten auch schon am Vormittag Wein in meiner Kaffeetasse. Eine oder zwei Flaschen Wein am Tag waren eher die Regel, als die Ausnahme. Ich habe es trotzdem irgendwie hinbekommen, meine Job gut zu machen.

    Das erfordere viel Organisation in Form von Mitschriften über Gesprächsinhalte, denn viel zu oft hatte ich Gedächtnislücken und hätte am nächsten Tag nicht mehr sagen können, welche Infos ich im smalltalk bereits hatte. Von etlichen peinlichen Auftritten auf Feierlichkeiten will ich gar nicht erst anfangen. Mein Partner weiß nicht, wie viel ich trinke. Häufig habe ich auf feiern heimlich getrunken, damit er nicht sieht, wie viel es wirklich ist. Offiziell habe ich dann zwei Gläser Wein getrunken und sie „einfach nicht vertragen“ inoffiziell habe ich meinen Stoff heimlich auf dem Klo getrunken. Mit meinem Partner immer noch „nur“ soviel, dass ich nicht völlig abgestürzt bin. Das habe ich mir für die Wochenenden aufgehoben an denen mein Partner nicht zuhause war.

    Da gab es kein Halten mehr…saufen bis zum Filmriss. Dann mit Herzrasen und klatschnass geschwitzt mitten in der Nacht aufwachen…erster Griff zum Handy und durchgescrollt, ob ich Unsinn geschrieben habe, ob Telefonate geführt wurden. Nachrichten von meinem Partner, ob alles okay wäre, weil ich so kurz angebunden war, als wir gute Nacht am Telefon gesagt haben. Oh lieber Gott…was hab ich gesagt? Was hat er mir erzählt. Panikattacken, es kaum ausgehalten, bis es endlich Tag war und wir zum Guten morgen sagen telefonieren können. Lage checken…Kleine Ausrede gefunden (Allergietablette mit einem Glas Wein getrunken und das hat mich ausgeknockt)…nochmal gut gegangen. Und noch eine Runde…auf die Uhr geschaut am Sonntag um zu schätzen, wann ich aufhören muss zu trinken, um kein totalausfall zu sein, wenn er heim kommt.

    Ich kann das nicht mehr und ich will es nicht mehr. Ich liebe meinen Partner sehr und ich will mein Leben zurück. Keine Lügen, keine Ausreden, keine Heimlichkeit mehr. Ich habe es versucht kontrolliert zu trinken…ein Glas ist zu viel und die folgenden 10 niemals genug. Ich kann es nicht! Ein Glas Wein zum Essen und gut…keine Chance! Das habe ich verstanden und möchte es angehen. Am Montag war ich bei meiner Hausärztin und habe die Hose runtergelassen. Wir sind nun in engem Kontakt. Eine stationäre Entgiftung hält sie nicht für notwendig aber eine Therapie. Darum kümmere ich mich. Aber ich wünsche mir Austausch. Den letzten Schluck habe ich am Sonntag getrunken, also ist heute mir 4. Tag ohne Alkohol. Körperlich geht es mir im Moment ganz gut. Ich schlafe schon besser und wache auch nicht mehr total verschwitzt auf. Ich genieße es, meinen Partner einfach so küssen zu können, ohne Angst zu haben, dass er meine Fahne riecht. Ich möchte das nicht mehr hergeben aber ich habe große Angst. Heute war ich einkaufen. Ich saß 20 Minuten im Auto auf dem Parkplatz und habe auf mich eingeredet: Brot, Wurst, Käse, Waschmittel…Brot, Wurst, Käse, Waschmittel. Schnell rein…Brot, Wurst, Käse, Waschmittel und sofort!!! Zur Kasse! Keine Diskussion! Ich bin so schnell es ging durch den Laden gescheppert, zur Kasse, mit Hechtsprung ins Auto und heim. Ich war stolz. Mein Partner weiß nichts von meinem Problem…zumindest bilde ich mir das ein. Ich möchte, dass das auch so bleibt.

    Danke fürs lesen