Über das Helfen

  • [Diesen Beitrag habe ich heute auch in einem anderen Forum gepostet, fand aber, daß er hier mindestens genausogut passt, deshalb(leicht verändert)...]

    Das ist schon eine Krux mit dem Helfen wollen, Helfen können und sich-Helfen-Lassen! Ich möchte mal meine eigenen Erfahrungen wiedergeben, vielleicht geht es ja anderen ähnlich.

    Ich habe über die neuen Medien im abgelaufenen Jahr wieder lernen dürfen, daß Menschen sehr wählerisch sind, was die Auswahl der genehmen Helfer angeht. Und, wie nicht anders zu erwarten, bin ich dabei ein paarmal hübsch auf die Nase gefallen, wollte doch so gerne helfen und wurde doch einfach nur ignoriert oder schroff abgewiesen. Das tat mir weh, auch wenn ich es nicht immer zugeben konnte.

    Zitat von Prinz Trockenherz

    Ich, fünf Lichtjahre trocken und sechssiebengescheit - wer wagt es, meine Hilfe nicht haben zu wollen?
    Unglaublich, was bildet der/die sich ein?
    Pah! Dann eben nicht, soll er/sie doch selber sehen, wie er/sie klarkommt.

    ...und dann setz ich mich in die Motzecke, bin tief gekränkt und schmolle wie ein kleines Kind.

    Irgendwann komm ich dann wieder runter(oder falle vom Ross, wie man's nimmt) und stelle fest, daß ich trotz meiner 100-jährigen Trockenheit humanoid und sehr fehlbar geblieben bin und manchmal einfach nicht den richtigen Ton treffe, der bei meinem jeweiligen Gegenüber "ankommt". Das ärgert mich schon mal ziemlich heftig, weil "ich mein es doch nur gut", aber so ein geschriebenes Wort ist viel leichter zu misverstehen als ein face-to-face und wenn ich einmal in die "klugsch***ender Trockenheitsprinz" - Ecke gestellt worden bin, da komm ich so schnell nicht wieder raus.

    Das sind dann die Tage, an denen ich den Gelassenheitsspruch("Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann...") sehr oft laut aufsagen muß. Und mehr und mehr reift in mir die späte Einsicht, daß es unter Menschen eben auch wie unter Menschen zugeht.

    Meine Beobachtung, dass mein Gegenüber irgendwas falsch macht, was ich mal falsch gemacht habe und er/sie Gefahr läuft, Mist mit sich selber zu bauen, nützt gar nix, wenn ich "meine Message" nicht rüberbringe. Die einen nehmen Wahrheiten nur an, wenn sie ihnen behutsam angeboten (und nicht übergestülpt!) werden, die anderen brauchen es auf "die harte Tour" mit persönlicher Ansprache, Tritt in den Allerwertesten und dann noch die Dachlatte solange über den sturen Holzkopp, bis sie endlich wachwerden. Naja, jedenfalls war ich so ;)

    Es passiert mir, daß ich spüre, wie Menschen sich quälen, an einem bestimmten Punkt der Trockenheit stehenbleiben wie vor einer Betonwand. Mit einer Seele schwarz wie ein Kohlenkeller vor Staub, der beim Umbetten der Leichen im Keller hochgewirbelt wird. Aber anstatt sich helfen zu lassen, die Zombies endlich mal ans Licht zu bringen, führen sie Veits- und Eiertänze auf, meine ausgestreckte Hand bleibt unberührt.

    Ich erlebe auch(speziell im Chat(nicht hier!)), dass Menschen mich als Projektionsfläche benutzen um ihren Dampf abzulassen, gewissermaßen "der trockene Alkoholiker als Feindbild", weil unerreichbar fern. Das geschieht dann aber sehr offensichtlich und verlangt nicht mehr von mir, als daß ich lange Schimpf- und Hasstiraden über mich ergehen lassen muß. Das ist eher so eine Art Gedulds- und Gelassenheitsprüfung und damit kann ich meistens viel besser umgehen als mit subtilem Abgewiesenwerden und der Feststellung "Hey, der/die ignoriert mich einfach". Das macht mich manchmal fix und fertig.

    Ganz besonders schmerzhaft ist es, wenn meine Hilfe abgelehnt wird und stattdessen die wesentlich leichtere Variante eines vermeintlichen Helfers angenommen wird, der selber noch nass im Kopp ist und deswegen gerne den unangenehmen Teil der Wahrheit rauslässt. Der Weg führt dann meist in die Irre und wieder zurück an den Anfang. Und ich steh hilflos daneben und mir fällt nix mehr ein, was ich noch sagen/schreiben könnte um daran was zu ändern. Aber auch das "auf die Schnauze-Fallen" ist ja Teil des Lernprozesses.

    Meine Konsequenz aus all diesen Erfahrungen als Helfer ist, daß ich meine Hilfe immer nur auf meine Art anbiete, ich möchte mich nicht mehr verbiegen, für nichts und niemanden. Das ist sicher für die meisten Menschen, die Hilfe suchen, nicht die angenehmste und einfachste Art, aber es ist meine und sie ist ehrlich. Wenn es die Fügung will, dann wird meine Hilfe so angenommen, wie sie ist. Wenn nicht, dann bin ich auch nicht der richtige Helfer. Das ist auch so eine Art von "Loslassen können", das ich im Verlaufe meiner Trockenheit erlernen durfte. Andere nennen das vielleicht "dickes Fell", den Ausdruck mag ich aber nicht so sehr, denn das kann auch bedeuten, daß mein Fell so "dick" wird, daß ich unsensibel werde für die Gefühle anderer Menschen.

    Ich bin übrigens heute überzeugter Verfechter der "weiter Mantel" Methode, die "Dachlatte" hebe ich mir als Ultima Ratio für besonders hilfs- und lernresistente Fälle (auch "die Gerds" genannt) auf :)


    Uns allen gute 24h

    Gerd, Alkoholiker, heute trocken

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