50 Tage!

  • Guten Morgen alle!
    Heute ist mein 50. Tag ohne meinen Begleiter der letzten 30 Jahre, ohne Alkohol.
    Was alles passierte in den 50 Tagen:
    Meine Tochter ist nach einer Woche bei mir und meinem Sohn wieder abgereist zum Studium nach London. Ich sehe sie frühestens im April wieder.
    Ich habe nicht getrunken.
    Völlig unerwartet musste ich auf der Arbeit wieder meinem Hassthema "sexueller Missbrauch" begegnen. Im Gespräch kratzte sich der 12 jährige Täter (mit dem Ausdruck des Opfers in seinen Augen) die Arme tief blutig auf. Erinnerungen.
    Ich habe nicht getrunken.
    Eine liebe Bekannte von mir hat sich umgebracht. Ich hätte es ahnen müssen, bin doch so ein tolles Helferlein.
    Ich habe nicht getrunken.
    Mein Sohn - er hat einen IQ von fast 130 und schläft gut darauf - bringt eine sechs und fünf nach der anderen mit.
    Ich habe nicht getrunken.
    Die nächste Versicherung, dass meine Arbeitsstelle geschlossen wird, ist eingetroffen.
    Ich habe nicht getrunken.
    Ein Kind in Aachen hat ein anderes ( beide 16 ) geplant auf der Eisbahn erstochen. Ich kenne viele seiner Freunde/innen und muss mich damit beschäftigen.
    Ich habe nicht getrunken.

    Ich habe nicht getrunken
    und angefangen, meine Wohnung wieder zu gestalten.
    Ich habe nicht getrunken
    und angefangen, meinen KollegInnen und Cheffinnen in den Hintern zu treten, damit sie endlich gegen die Schließung kämpfen.
    Ich habe nicht getrunken
    und angefangen, mich wieder um meinen Körper, mein Äußeres, zu kümmern (ich war mal soooo hübsch :( ).
    Ich habe nicht getrunken
    und sechs Kilo abgenommen, so dass ich wieder Idealgewicht habe :D
    Ich habe nicht getrunken
    und ..................

    Ich trinke nicht und lebe täglich mehr mit dieser so bekannten, tiefen Einsamkeit in mir, die wie angeboren und fest verankert in meinem Innern wohnt.
    Sie ist mir so vertraut und sie ist authentisch.
    Ich werde mit ihr umgehen, sie anschauen, verstehen, akzeptieren, dass sie einen Sinn hat, überzeugen, dass sie ihn erfüllt hat und nun gehen kann, denn sie lähmt.
    Woher sie kommt, weiß ich.
    Ob ich je die Worte finde, ihr zu sagen, dass sie aus einer alten Zeit kommt und mit dem Heute nur zutun hat, weil sie nicht geht, hoffe und glaube ich, weiß es aber nicht.
    Ich weiß jedoch, ich trinke nicht mehr und wir stehen uns zum ersten Mal seit 30 Jahren tatsächlich gegenüber. Ohne Nebel im Blick schauen wir uns an.
    Ein Anfang.

    50 Tage sind es heute und ich bin sooooo stolz auf mich und so froh.
    Wie anders sind die Tage, ist die Welt um mich herum, wie anders bin ich!

    Euch allen hier im Forum danke ich für jedes Wort in Euren Beiträgen. Mir hat es so sehr geholfen, zu lesen, zu lernen, zu fühlen, zu verstehen, nicht alleine zu sein.

    Vor wenigen Wochen habe ich noch klar und deutlich gesagt: " Ich habe nichts zu verlieren, außer dieser Last, diesem Leid, dieser Leere. Ich werde so lange trinken, bis ich tot bin und das kann nicht mehr lange dauern."
    Ganz plötzlich kam dann dieser Kick - einfach so, aus heiterem Himmel :?:


    Und heute ist Feiertag, heute freue ich mich auf all die 50 Tage, die noch kommen werden.

    Einen schönen alkoholfreien Tag wünsche ich uns allen und bin dankbar, dass es uns gibt.

    Liebe Grüße,
    Mela

  • hallo liebe mela,

    ich gratuliere dir zu den 50 tagen.

    es war für dich eine schwere zeit, du hast es ausgehalten. ausgehalten seelichen schmerz zu fühlen und alles ohne akohol. geh deinen weg weiter, egal was passiert, denn nur so kannst du all die negativen ereignisse verarbeiten.

    ertränkt haben wir lange genug.

    pass auf dich auf.
    ich wünsche dir kraft und ruhe für deinen weiteren weg.

    liebe grüße schorni

  • Hallo Mela,

    ja da hast Du Dir ein dickes Schulterklopfen verdient.
    Glückwunsch zu 50 Tagen ohne den Teufel Alkohol.
    Das Leben ist ohne Alkohol sicherlich auch kein Zuckerschlecken, aber die Gewissheit all die Probleme, die auf einen zukommen nüchternn und mit klarem Kopf auszuhalten, und sie dann irgendwann auch zu verarbeiten sollte Dich doch sehr optimistich stimmen.

    Ich wünsche Dir auch weiterhin ganz viel Kraft und Mut auf Deinem Weg.
    Gib gut auf Dich Acht !!

    Lieben Gruss Joachim

  • Danke, Ihr lieben Drei, für die herzlichen Reaktionen auf meine 50 Tage!!

    Ich habe mir mindestens zwei Kannen Kaffee und drei Kannen Tee zum feiern reingeschüttet.
    Aber jetzt gehe ich bald schlafen, bin wohl platt vor lauter Stolz :lol:

    Ich freue mich auf morgen - ein gutes Gefühl!

    Gute Nacht,
    Mela

  • Hallo liebe Mela,

    wenn auch spät möchte ich dir trotzallem noch zu deinen 50 abstinenten Tagen gratulieren.

    Das erstaunliche ist ja meist, das man erst so richtig merkt wo man steht in seiner Abstinenz, wenn Probleme auftauchen. Ich selber bin eigentlich im Nachhinein recht froh auf meinem Weg über vieles gestolpert zu sein, was nicht gut war. Probleme, Probleme und diese "verdammten" Emotionen im Schlepptau.
    Aber froh bin ich darüber, weil ich dadurch jetzt schon die Chance bekommen hatte/habe mich mit ihnen auseinander zusetzen und nicht erst nach 2 Jahren Trockenheit (sofern ich da mal hinkomme :roll: ). Denn dann hätte ich wahrscheinlich noch weniger gewusst, was ich tun soll, weil ich damit nicht mehr gerechnet hätte. Denke ich...
    Aber jetzt finde ich könnte mal eine kleine Pause eintreten, ich werde nämlich doch etwas müde davon. 8)

    Liebe Mela, ich finde das ganz toll, wie du das gemeistert hast mit dir, in dir!!!!

    Ich hoffe dein Bauch gluckst nicht zu laut beim drehen im Bett von der ganzen Flüssigkeit... :lol:

    Weiterhin viel Kraft, Mut, Zuversicht, Gelassenheit und irgendwann die innere Zufriedenheit.

    Liebe Grüße,

    Jenny

  • Liebe Jenny,

    vielen Dank für Deine liebe Antwort.
    Ja, es ist tatsächlich gut, dass das Leben im Moment keine Pause macht und ich weiterhin durch ein Chaos an Geschehnissen laufe - nur ohne die dazugehörigen Gefühle tot zu saufen.


    Zitat

    und nicht erst nach 2 Jahren Trockenheit (sofern ich da mal hinkomme)

    Das wirst Du, liebe Jenny.
    Schau, wie Du mit dem, was hier geschah/geschieht umgehst!
    Du hast alles, was der Mensch braucht, um da anzukommen, wo er hin will:
    Ehrlichkeit, gelebte Emotionalität, einen analytischen Blick, Abgrenzung, Hinwendung, Kommunikations- und Kritikfähigkeit und vor allem einen beeindruckenden Umgang mit dem, was ICH ist.

    Die Aktion mit Käthe spricht in diesem Zusammenhang für sich :)

    Danke Dir, für alles, was ich bislang von Dir lernen durfte.

    Mela[/quote]

  • Guten Morgen liebe Mela,

    Zitat

    Ja, es ist tatsächlich gut, dass das Leben im Moment keine Pause macht und ich weiterhin durch ein Chaos an Geschehnissen laufe - nur ohne die dazugehörigen Gefühle tot zu saufen.

    Da würde ich gerne noch einmal drauf eingehen. Bei "Dingen" die man erlebt und von einem etwas abverlangen, was man normalerweise mit Alkohol "gelöst" hatte, sollte man ganz vorsichtig mit umgehen. Wenn zuviele Sachen auf einen einströmen, kann es passieren das man anfängt sie zwar zu sehen, aber dennoch nicht richtig zu verinnerlichen. Das kann im ersten Moment gut sein, weil es sonst einfach einen Überfordern würde. Deshalb heißt es ja gerade am Anfang"Schritt für Schritt" und nacheinander angehen. Und Pausen mit sich selbst einzulegen. Wäre also etwas GUTES.
    Wovor ich allerdings warnen möchte ist, dadurch das man nicht merkt, das man es noch nicht so verinnerlicht hat und sich gleichzeitig mit mehreren "Dingen" auseinander setzt, könnte es auf einmal zu einem "fürchterlichen" inneren Knall kommen, mit dem man nicht gerechnet hat. Vieles braucht halt seine Zeit um be-und aufgearbeitet zu werden und das nüchtern.
    Das "verlangt" von einem alkoholkranken Menschen oftmals das erreichen seiner persönlichen Grenzen ab (von einem nicht Süchtigen natürlich auch, aber der greift ja dann nicht in der Form wie ein Süchtiger zu einem Suchtmittel) . Scheue dich bitte nicht davor, wenn du deine Grenzen erreichst auch laut um Hilfe zu rufen und sie dir auch zu nehmen. Egal in welcher Form, sei es durch Freunde oder vielleicht auch durch professionelle Hilfe. Etwas was man sich über Jahre antrainiert hat, benutzt hat, als sein Lösungs- und Fluchtmittel, auch wenn es nur dazu diente sich in seine kleine Welt wieder zurückzuziehen, verschwindet nicht einfach so schnell. Eine Mauer hinter der man gelebt hat, muss Stück für Stück abgebaut und darf nicht eingerissen werden. Das wäre aus meinen Augen gesehen fatal und hätte nur das schnelle hochziehen dieser zur Folge. Und da wieder einen Weg rauszufinden kann dann verdammt lange wieder dauern. Das Gefühl sein "Lösungsmittel" benutzen zu wollen wird sich zeitweise je nach Reizen von Außen immer wieder melden und das unterschiedlich heftig.
    Deshalb möchte ich dich nur bitten....sei auf der Hut..., damit es dich nicht überrollt, wenn es auf einmal da ist.

    Ich danke dir für deine mutmachenden Worte, sie haben mir gut getan. Obwohl sich das fast so anhört, als wäre ich ein "Engelchen". Falls dieser Eindruck bei dem einen oder anderen entstehen sollte...Das kann ich Euch allen ganz deutlich sagen. Bei allem wie ich bin und was ich bin.....Davon bin ich weit entfernt und das strebe ich auch nicht an! :twisted:

    Liebe Grüße,

    Jenny

  • Hallo liebe Mela

    etwas spät, aber herzlich auch von mir Gratulation zu Deinen 50.zig
    und das Beste für Deine nächsten 50.zig.

    Zu dieser tiefen Einsamkeit kann ich Dir schreiben,
    dass diese traurige Grundstimmung in mir, im Laufe meiner Alkohol-Abstinez einer tiefen Lebensfreude Platz machte.
    Gut nicht immer, aber immer öfter :wink:

    Jenny hat Dich ja bereits vor den Gefahren eines zu raschen Vorangehens gewarnt. Dem möchte ich mich anschliessen.
    Nach der Anfangs-Euphorie kommt das kontinuierliche Umbauen alter tiefsitzender Verhaltensweisen, das dauert, sehr lange !.
    Es ist nicht schlimm, tut nicht weh, Du must Dir nur dessen bewusst sein
    und Dir für kritische Situationen einen "Notfallkoffer" herrichten.

    Alles Gute für Deinen weiteren Weg
    immer gute 24 h
    LG Rosmarie

  • Liebe Rosmari,
    liebe Jenny - die ich für alles, nur nicht für ein Engelchen halte-,

    es gibt eine Kinderbuchreihe von der Maus Frederik.
    Ich liebe den Band, in dem alle Mäuslein im Sommer damit beschäftigt sind, Futter zu sammeln, ein Nest zu gestalten, ..... und und und, um sich auf den Winter vor zu bereiten.
    Sie schuften tierisch - nur Frederik nicht.
    Mal sitzt er auf einem Stein und bewegt sich nicht. Auf die Frage der anderen, was er da mache, antwortet er, er sammele Sonnestrahlen.
    Ein andermal sammelt er Düfte und wieder ein andermal Farben usw.
    Im tiefen Winter dann, als alle Mäuschen im großen Winternest hocken, frieren, hungrig und sehnsüchtig nach Wärme sind, fragen sie Frederik, was denn nun mit seinen Wintervorräten sei.
    Frederik erzählt ihnen dann vom Sommer, der Wärme, den wunderbaren Farben und Düften.....

    Ich genieße im Moment meinen Sommer, sammle Farben, Düfte und Wärme und ziehe mich auf meine Art warm an, um gewappnet zu sein, wenn das, was Ihr beschreibt und was mir natürlich auch Sorge macht, auftritt.

    Ich danke Euch für die Warnungen, die genau das treffen, was ich mir als nächste, ernste Krise vorstelle.
    Ich habe sehr viel im Forum gelesen und im "echten Leben" schon unendlich viele Menschen auf ihrem Weg in die Trockenheit oder Drogenfreiheit begleitet.
    Ich weiß, was kommen kann - leider.
    Nein, nicht leider, dass ich es weiß, sondern dass ich weiß, es wird kommen und es wird richtig gefährlich.
    Hoffentlich habe ich dann mein Säckchen richtig gepackt :wink:

    Liebe Grüße,
    Mela

Unserer Selbsthilfegruppe beitreten!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!