Was genau ist eigentlich Saufdruck?

  • Hallo Ihr alle,

    hab jetzt mal ne Fräge...ich lese hier oft den Ausdruck "Saufdruck" und weiß eigentlich gar nicht genau, was das ist. Wie äußert sich das denn? Ist das ein eher körperliches Verlangen oder ist das eher psychischer Natur?
    Ich kenne das selber nicht, ich hatte ja eine stationäre Entgiftung und danach irgendwie nie mehr richtig das Bedürfnis, zu trinken. Hab mich vor Alkohol geekelt und tue das heute noch, meine jetzt allein schon vor dem Geruch.
    Ich weiß nicht genau, was ich im Krankenhaus auf der Intensiv für Medikamente bekommen habe, war ja kaum bei mir die ersten Tage.
    Mein Mann sagte mir, die hättten mir irgendwas gegeben, was irgendwelche chemischen Reaktionen im Gehirn auslöst, gibt es denn sowas überhaupt? Ich wollt mich da immer noch mal nach erkundigen, aber hab es dann doch nicht getan, hab so gedacht, was bringt mir das jetzt noch, es zu wissen. Aber, na ja, interesseieren würd es mich schon. Weiß hier jemand etwas über solche Medikamente?

    Die Lilly

  • Hallo Lilly,

    gar nicht so einfach zu beantworten. Diesen unbändigen Saufdruck kenne ich eigentlich auch nicht. Es waren eher sehr starke Alkoholgedanken, die plötzlich wie scheinbar aus dem Nichts auftauchten. Ich schreibe jetzt bewußt in der Vergangenheit, weil ich solche Gedanken schon sehr lange nicht mehr hatte.

    Während meiner Entgiftung und Langzeittherapie hatte ich solche Gedanken kaum und wenn, nur in ganz leicht.

    Sie kamen erst später, als ich merkte, dass das wunderbare trockene Leben einfach nicht anfangen wollte, so wie ich es mir vorstellte. Kenne das auch zu gut. Alle in der Gruppe reden vom schönen zufriedenen trockenen Leben und mir ging es schlecht. Da tauchen dann Gedanken auf wie, na dann kannste auch weiter saufen. Die hielten sich zum Glück nicht lange. Konnte dann irgendwann auch gut dagegensteuern. Mir hat es dann auch sehr geholfen, dass ich begriffen habe, dass Alkoholgedanken eben auch ein Symptom unserer Krankheit sind. Nicht mehr und nicht weniger. Ich habe für mich analysiert, in welchen Situationen sie auftauchen und weiß inzwischen, dass sie überhaupt nicht aus dem Nichts kommen. Z.B. wenn wieder schlechte Gefühle oder Überforderungssituationen auftauchen, die ich früher mit Alk. zuzudecken versuchte.

    Was dieses Medikament angeht, von dem Du berichtet hast, davon verstehe ich nichts.

    lg
    Simone

  • Zitat von Geo

    Hallo Lilly,

    Alkoholismus ist im Grunde genommen eine Stoffwechselerkrankung, genauer: der Alkohol ersetzt zum Teil einen wichtigen Botenstoff im Gehirn, der dafür sorgt, dass ausreichend Synapsen im Belohnungsareal des Gehirn freigeschaltet werden. Das Gehirn merkt sich - übrigens ein Leben lang - diese wichtige Funktion des Alkohols (deshalb auch die ständige Rückfallgefahr!). Die Medikamente, von denen Du sprachst, wurden vor ein paar Jahren als die wahren Wundermittel gegen Alkoholismus gepriesen, da sie in Tierexperimenten (bei Ratten) ein deutlich vermindertes Suchtverlangen zeigten - doch leider funktionieren sie im komplexeren Gehirn des Menschen bei weitem nicht so gut. Und besitzen zudem üble Nebenwirkungen. Bislang hilft nichts gegen Saufdruck - oder besser doch: Suchtverlangen - als der mühsame und beschwerliche Weg des abstinenten Lebens.
    Oder auch nicht mühsamen Wegs, wie bei Dir - war ja bei Dir wirklich vergleichsweise einfach! Oh, wie beneide ich Dich :)

    Liebe Grüße

    Geo

    Hallo Geo,

    na ja, ganz so einfach war es auch für mich nicht. Ich hatte keine körperlichen Entzugserscheinungen, das ist wohl wahr. Aber den Weg danach mußte ich ja, wie alle anderen trockenen, auch gehen.
    Ich hab es auch so wie Karsten gemacht, anfangs alle Orte gemieden, wo hauptsächlich Alkohol konsumiert wird. Ich hatte anfangs Angst vor einem Rückfall. Später,als ich mir sicherer wurde, hab ich auch an Feiern etc. wieder teilgenommen. Aber mich interessieren auch heute so Verantstaltungen, wo viel getrunken wird, nicht mehr. Allein schon der Alk-Geruch macht mich krank. Und die Betrunkenen kotzen mich ziemlich an. Darum verlass ich auch immer Feiern, wenn es zu arg wird.
    Das ist für mich vertane Zeit, schau ich lieber noch nen schönen Film oder lunger hier rum :D
    Mein Leben mußte ich auch total ändern, so wie alle anderen. Das war nicht so leicht, zumal die Zeit, in der ich trank, nun anders gefüllt werden musste. Ich hab das im Endeffekt durch Sport gemacht, weiß nicht, ob es eine Suchtverlagerung ist? Ich betreib es aber nicht zu extrem, tue es eher für meinen Körper, weil ich durch den Alk sehr dick geworden war.

    Aber ich bin im Grunde ein eher zuversichtlicher Mensch, der Alkohol hatte mich allerdings sehr verändert. Ich war gar nicht mehr ich, hab mir nix mehr zugetraut, dazu immer Angstzustände mit Herzrasen etc.
    Als ich trocken wurde, hab ich gemerkt, das ich mir selber was zutrauen kann und schaffen kann, was ich will. Dazu kommt noch mein Dickkopf und meine große Klappe kam auch zurück.... :lol:

    Aber ich setz mir immer nur reale Ziele, die ich erreichen kann. Astronautin kann ich wohl nicht mehr werden, aber auch nicht so schlimm :D

    Danke auch noch für Deine Erklärung des Alkoholismus, fand ich sehr interessant. Ich denke, ich hab so ein Medikament wie beschrieben, bekommen. Meine Ärztin sagte mal, ich hätte Glück gehabt, das ich dieses Verlangen nach Trinken nicht habe, gehe nicht allen so...Ich denke mal, sie meinte den Einsatz dieses Medikamentes.

    Gruß
    Die Lilly

  • Zitat von jaja der Frank


    Was dieses Medikament anbetrifft, so gibt es Detox-A was ein forcierter Alkoholentzug unter Narkose ist.
    Ich weiss nicht, ob sie dieses bei Dir eingesetzt haben, wenn ja kannst Du Dich glücklich schätzen.

    Der Patient geht für 48 Stunden in die Klinik, bekommt das Medikament, verfällt in Tiefschlaf und ein enthaltener Stoff dockt an die Synapsen an, die für das Verlangen nach Nikotin "zuständig" sind - dadurch ist der Suchtdruck komplett weg nach Erwachen.

    Hallo Frank,
    danke für Deine Antwort. Ja, ich denke, ich hab dieses Medikament bekommen, meinem Mann haben sie es auch so ähnlich erklärt. Und ich kann mich auch nur noch an die Einlieferung ins Krankenhaus erinnern, danach war ich weg, weiß von nix. Meine Tochter sagte mir, ich hätte 3 Tage lang nur minutenlange Phasen gehabt, wo ich die Augen geöffnet hatte, war aber nicht ansprechbar, hab nur zusammenhangloses Zeuch gequasselt.
    Danke auch Dir für Deine Antwort, jetzt kann ich mir auch alles zusammenreimen.
    Für meine Angehörigen war es allerdings ein erschreckender Anblick, besonders mein Mann kann heut noch nicht über die 3 Tage reden. Ich hätte das gern meinen Angehörigen erspart...aber ich denke, die Ärzte haben es ihnen nicht ersparen wollen, um ihnen den Ernst der Lage klar zu machen.

    Die Lilly

  • Ach komm schon, Geo, lass uns Astronauten werden, sei nicht so. Ich hab auch Höhenangst, die können wir dann zusammen besiegen und völlig losgelöst lautlos im Weltall schweben....

    Deine Beschreibung des Ablaufs bei Saufdrucks im Gehirn als Unterprogramm ist sehr zutreffend ! Das kenne ich auch ! Es ist ganz selten, aber es gibt Situationen, da denke ich, früher hättest Du jetzt getrunken. Bei Konfliktsituationen ist das bei mir der Fall, aber ich spiele das dann auch durch, wie in der Sesamstrasse, das berühmte"Was passiert dannn-Spiel" und ich weiß ja, was dann passieren würde. Aber es beruhigt mich, das Du schreibst, das dem Gehirn Gegensteuerungsmaßnahmen antrainiert werden können. Das habe ich dann auch unbewußt schon gemacht, indem ich die Situation gedanklich durchspiele.
    So schön das Gehirn ja manchmal ist, hinterlistig und schlau ist es auch, gell?

    Die immer noch trainierende Lilly

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