Stationäre oder ambulante Langzeitentwöhnung?

  • Oft beobachte ich hier im Forum, wie sich Betroffene mit der Frage quälen wenn sie sich schon mal zu einer Therapie entschlossen haben, ob sie diese nun ambulant oder stationär machen sollen.

    Ich persönlich halte eine stationäre LZT für die beste Variante!

    Als mir von Ärzten und Therapeuten in der Entzugsklinik zu einer stationären LZT geraten wurde, habe ich diese sofort strikt abgelehnt. Schließlich muß ich doch arbeiten! Außerdem habe ich einen kleinen Sohn der versorgt werden muß. Nun habe ich schon Jahre versoffen und konnte nicht voll und ganz für ihn da sein, auf keinen Fall kann ich jetzt eine stationäre Therapie machen. Außerderm, ist der Arbeitsplatz nicht das wichtigste überhaupt? Kann man denn einfach mal nicht 12 Wochen nicht arbeiten gehen und sich nur mit sich selbst beschäftigen? Ist das nicht verantwortungslos wenn man Kind und/oder Familie hat, die einen doch brauchen? Wie egoistisch!

    Aber wie sieht es bei einer ambulanten Therapie aus, wenn man voll berufstätig ist und dann noch vielleicht alleinerziehende Mutter?

    Eine Therapie ist kein Spaziergang! Wenn man seine Therapie ernst nimmt, erwartet man keine fertigen Antworten. Keine Rezpte, die einen trocken machen. Soetwas gibt es leider nicht.

    Therapie ist nichts weiter als Auseinandersetzung mit sich selbst. Die Arbeit am eigenen ICH, das man schon lange nicht mehr kennt, weil es im Alkohol ertrunken ist. Diese Erkenntnis hatte ich persönlich auch erst, während meiner Therapie. Für mich eines von vielen Schockerlebnissen in dieser Zeit. Undenkbar wäre es für mich gewesen, dies zu verarbeiten und dann noch quasi nebenbei Arbeiten zu gehen und die Mutter für meinen Sohn zu sein, die er wirklich braucht.

    Als ich meine Therapie antrat, wunderte ich mich darüber, dass von den 55 Patienten in dieser Klinik, nur 5 Frauen waren. Ich fragte meine Bezugstherapeutin, warum das so ist. Ganz klar, meinte sie, Frauen halten sich zu hause für unentbehrlich. Sich einfach nur mal ausnahmslos um sich kümmern, sich selbst nur wichtig zu nehmen, sich selbst mal losgelöst vom Alltag eine Auszeit nehmen, um mit Hilfe von Profis wieder zu sich selbst zu finden, fällt ihnen viel, viel schwerer als Männern.

    Mein Umfeld hatte wenig Verständnis für meine Entscheidung, schließlich doch eine stationäre LZT zu machen. Schließlich fiel mein jahrelanger Alkoholkonsum niemanden wirklich auf. Hab ja wie die meisten Alkoholikerinnen heimlich getrunken. Viele haben gar nicht verstanden, dass ich wirklich Alkoholikerin bin.

    Ich habe meinen Vorgesetzten informiert, dass ich 12 Wochen nicht zur Arbeit kommen werde und habe ihm offen und ehrlich gesagt warum. Er war bestürzt und versicherte mir jegliche Unterstützung und ich sollte mir keine Gedanken um meine Arbeit machen und nur an mich denken. Schließlich bin ich krank und muß mich darum kümmern, diese Krankheit in den Griff zu bekommen. Über seine Reaktion war ich damals sehr überrascht, hatte nicht damit gerechnet.

    Ich kann jedem nur empfehlen, das Gespräch mit seinem Arbeitsgeber zu suchen, wenn eine Entscheidung für eine stationäre Therapie ansteht. Wer sich nicht traut, findet Unterstützung bei Personal- oder Betriebsräten, die es jedem größerem Unternehmen gibt. Sie sind geschult im Umgang mit Suchtkranken und wissen, dass es sich um eine Krankheit handelt. Auch sind Personal- und Betriebsräte nach dem Gesetzt zur Verschwiegenheit verpflichtet und haben Erfahrung, wie die Vorgesetzten im Unternehmen mit Suchtkranken umgehen!

    An alle Mütter! Niemand muß ein schlechtes Gewissen haben, wenn die Kinder mal 12 Wochen auf ihre Mutter verzichten müssen. Nein, sie haben mehr von ihrer Mutter, wenn sie ausgeglichen und voller Kraft die Herausforderungen des trockenen Lebens in Angriff nehmen können, wieder zu hause ist.

    Eines möchte ich noch ganz klar stellen: Während einer Therapie wird man nicht auf wundersame Weise trocken gemacht! Leider denken das viele Betroffene, die eine Therapie antreten. Auch nach einer Entwöhnungstherapie schaffen es nur wenige, dauerhaft trocken zu werden. Doch es ist eine gute Chance. Ich bin schließlich doch gegangen, weil ich unbedingt trocken werden wollte und es mir ewig vorgehalten hätte, wenn ich rückfällig geworden wäre und diese so wichtige Chance nicht genutzt hätte.

    Doch wenn man die Chance nutzt, die sich dort einem bietet, nämlich sich in Ruhe und losgelöst vom Alltag, wieder zu sich selbst zu finden, alle Angebote nutzt, viel über seine Erkrankung und ihre Entstehung, ihre Symptome zu lernen, hat man gute Chancen, den für sich geeigneten und richtigen Weg in ein trockenes Leben zu finden! Allein die Therapie ist es noch lange nicht. Die Arbeit fängt eigentlich erst danach an.

  • Hallo Teufelchen
    ich finde deinen Thread sehr mitreißend! Ehrlich! Ich glaube, du hast es wirklich verstanden und ich wünsche dir viel Kraft auf deinem weiteren Weg! Du bist mit Sichereheit eine ganz tolle Mutter, und du und auch dein Sohn - ihr könnt beide stolz auf dich sein!

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