Mein Anfang

  • Guten Tag hier allen im Forum

    Als ich trocken wurde, ging ich grad einer Arbeit nach, wo das Trinken an der Tagesordnung war. Wir arbeiteten in einem Büro und waren jeder in so einer eigenen kleinen Nische verfrachtet, das mein die Kollegen nicht mal sehen konnte. Jeder hatte eine Flasche im Aktenschrank, mit der er versuchte, den Stress zu bewältigen. Es wurde auch irgendwie geduldet, solange die Arbeit lief. Wir waren für die Projektplanung eines großen Betriebes tätig, den ich hier lieber nicht beim Namen nenne. Auch wenn Geschäftspartner kamen, gehörte es zum guten Ton, erst mal einen kleinen zu trinken. Es fiel nicht auf, das mein Alkoholkonsum über dem der anderen lag, wenn das überhaupt so war. Ich jedenfalls hatte immer so einen gleichmäßigen Spiegel in mir.
    Meine Familie machte das eines Tages nicht mehr mit. Weil ich merkte, wenn ich Abends nichts trank, das ich aggressiv wurde, versteckte ich zu Hause auch meinen Vorrat und trank dann heimlich. Meine Frau reichte die Scheidung ein und ich zog aus der gemeinsamen Wohnung. Unser kleiner Junge merkte davon noch nichts.
    Als ich dann alleine war, lernte ich eine andere Frau kennen und wir zogen sehr schnell zusammen. Sie bemerkte mein Trinkverhalten und drängte mich, dagegen was zu unternehmen. Ich machte eine Entziehungskur im Krankenhaus. Das was mit mir und dem Alkohol nicht stimmte, war mir selbst schon lange klar.
    Als ich wieder entlassen wurde, zogen wir beide in eine andere Stadt. Sie war freiberufliche Mitarbeiterin eines Verlages und fuhr dann immer mit dem Auto zu ihrer Arbeit. Ich hatte meine Arbeitsstelle verloren, als bekannt wurde, das ich deswegen ins Krankenhaus musste.
    Den ganzen Tag allein zu Hause, da fiel mir die Decke auf den Kopf. Ich ging viel spazieren und hatte oft den Gedanken, jetzt ein Glas und mir würde es wieder besser gehen. Ich hatte es aber geschafft, ein halbes Jahr so zu leben und nicht zu trinken.
    Durch Zufall fand ich wieder einen neuen Arbeitsplatz und hatte jetzt nicht mehr so viel Zeit zum Nachdenken. Es schien alles wieder in Ordnung zu sein.
    Ich traute mich aber nicht mein Alkoholproblem offen zuzugeben. Also musste es eines Tages so kommen, das ich bei einer Feier nicht ablehnen konnte, ein Glas mitzutrinken. Da es ja nun schon so lange gut ging, dachte ich, es könnte nicht passieren.
    Am nächsten Tag wachte ich auf und wusste nicht, was ich den Abend davor gemacht hatte.
    Ich war wieder in dem Kreislauf drin.
    Meine nun inzwischen neue Frau brachte mich in ein Krankenhaus und am nächsten Tag, kam mein Chef an mein Bett und überreichte mir eine Telefonnummer. Da er nichts weiter sagte, dachte ich auch diesen Arbeitsplatz wieder verloren zu haben.
    Meine Frau kam Abends wieder zu mir, ich bin ihr heute noch sehr dankbar, das sie damals zu mir gehalten hat, und tat so, als wenn ich nur eine Grippe hatte.
    Wir sprachen auch die folgenden Tage nicht von Alkohol, Alkoholproblemen oder sonst wie über den Vorfall.
    Nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus, sagte sie mir, das ich ja nun wieder arbeiten gehen könnte und mich dadurch ablenken.
    Der erste neue Tag war für mich die Hölle. Ich ging mit zitternden Beinen zur Arbeit. Als ich dort ankam und mich hinter meinem Schreibtisch setzte, kamen die anderen beiden Mitarbeiter und mein Chef zu mir. Sie begrüßten mich und gratulierten mir, das ich wieder gesund sein würde. Kein Wort von meinem Alkoholproblem.
    Als ich wieder alleine war, griff ich zum Telefon und rief die Nummer an, die mir mein Chef im Krankenhaus gegeben hatte.
    Am anderen Ende meldete sich eine Stimme auf dem Anrufbeantworter. Mir wurden die Zeiten der Gruppensitzungen der caritativen Organisation durchgegeben.
    Seit dieser Zeit besuche ich zweimal pro Woche diese Selbsthilfegruppe.
    Es dauerte aber noch vier Wochen, bis ich meinem Chef und meinen Kollegen offen sagen konnte, danke.
    Es ist jetzt doch mehr geworden als ich dachte. Ich möchte allen Betroffenen damit Mut geben, sich immer offen und ehrlich der Umwelt gegenüber zu verhalten. Auch ich musste lernen. Heute weiß ich, das es mehr trockene Alkoholiker gibt, als ich je dachte. Wir sind eine große Gemeinschaft und müssen uns gegenseitig unterstützen.
    Die nächsten 24 Stunden kann ich überblicken, darum nicht zu lange im Voraus planen, Das ist seit je mein Leitspruch.

    Gruß
    Martin

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