Hi Malone,
ein schwierige Entscheidung. Es ist ganz normal, dass Du nicht weißt was richtig und was falsch ist. Denn es gibt kein richtig und falsch.
Du sagst Dein Freund will für sich selber trocken werden. Das ist gut. Sein Wunsch, Dich als Begleiterin zu behalten, scheint dabei erstmal ganz verständlich und legitim. Die Gefahr besteht allerdings, dass er seine Abstinenz dann mit Eurer Beziehung in Verbindung bringen könnte, oder sogar unbewusst dem Irrtum erliegen könnte, dass seine Abstinenz davon abhängt. Damit würde er Verantwortung auf Dich abwälzen. Das kann ganz schleichend und unauffällig passieren. Ich schreibe das im Konjunktiv, weil es nicht passieren muss, aber es passiert doch sehr leicht.
Falls er seinen Wunsch als Forderung formuliert, ist das ein Zeichen dafür, dass er noch nicht 100% begriffen hat.
Wenn Du ihm die Chance gibst, sein Leben ganz allein neu zu entdecken, ist das für ihn vielleicht am Anfang der unbequemere Weg, aber sicherlich auch der übersichtlichere. Und auf eine gewisse Weise auch ein einfacherer Weg, weil er sich um Dich keine Gedanken machen musst. Denn der Prozess, durch den er jetzt geht, wenn er es ernst meint, ist lang und kostet Kraft.
Bei mir ist es so, dass ich Mitte April aufgehört habe zu trinken. Nach dem was Du schreibst habe ich vorher ein ähnliches Trinkverhalten gehabt. Party hier, Party da.. drei Tage wach. Vielleicht nicht ganz so fortgeschritten wie bei Deinem Freund, aber das spielt auch keine Rolle. Jendenfalls hat sich meine Freundin noch nicht beschwert, sondern nur mein eigenes Schamgefühl. Und bei mir fingen die Beziehungsprobleme erst an, als ich aufgehört habe. Ich habe für mich die Erfahrung gemacht, dass meine Bedürfnisse sich sehr verändert haben. Mein Lebenswandel auch ziemlich. Und ich hatte so viel mit mir selber auszumachen, dass meine Freundin - die meine Entscheidung nicht wirklich begreift - oft sehr verletzt war, weil ich sehr geizig geworden bin mit Gefühlsäußerungen. Weil mein Gefühlshaushalt völlig derrangiert ist, und ich eine Explikation niemandem zumuten will. (Vor allem nicht mir selbst, aber das ist ein anderes Thema.)
Ich musste meine ganze Identität in Frage stellen. Das erste Mal ein Leben ohne Rausch. Ich bin ein Alien, und das auf meinem Heimatplaneten. Diese Indentitäskrise ist bei mir noch lange nicht abgeschlossen. Das bedeutet auch, dass ich die Beziehung zu meiner Freundin immer kritischer gesehen habe. Und diese Zweifel waren am Ende so stark, dass ich mir von ihr vor kurzem eine Auszeit erbeten habe. Obwohl ich sie sehr mag, kann ich gerade keine klare Stellung zu ihr beziehen. Ich muss erst wieder eine zufriedene Beziehung mit mir selber haben, bevor ich mit ihr oder irgendjemand in einer gesunden Paarbeziehung leben kann.
Das war jetzt ganz schön viel über mich. Schreiben hilft, sagen viele hier. Was ich damit sagen wollte: Falls Du den Kontakt halten willst, richte Dich darauf ein, dass Du einen fremden Freund haben wirst. Nicht über Nacht, aber stetig. Und er wird sehr egoistisch sein müssen, wenn er geradlinig eine zufriedene Trockenheit zu gehen will. Insofern ist Spedis Voschlag mit den 1-2 Jahren Pause nicht abwegig. Danach müsste er für sich einiges geklärt haben. Und man kann wieder neutral reden. Wenn Euch wirklich viel aneinander gelegen ist, könnte der gute alte Brief vielleicht was für Euch sein. Keine SMS, keine Email, keine Telefonate, keine Treffen. Nur reflektierte, klare Kommunikation mit Distanz. Das praktiziere ich jetzt mit meiner Freundin. Von Plant zu Planet, von Alienhezr zu Alienherz. Ob das richtig ist, weiß ich aber auch noch nicht. Wichtig ist mir: keine Erwartungen. Ich nicht. Sie nicht.
Und dann werden wir ja sehen. Oder eben nicht.
Gute Reise!