Liebe Caro,
du hast so schön bei mir in meinem thread geschrieben, da habe ich mich auch an Deinen thread herangewagt. Das ist nicht ganz so einfach für mich, aber es ging..
Du hast eine wanhinsinnige Tiefe in Dir, aber auch eine wahnsinnige Kraft.
Du sprichst viel von "anständig". Dein Dorf scheint klein zu sein. Ich kenne das , ich komme auch aus einem kleinen Dorf.
Gut, dass Du Dich jetzt heran wagst an das Grab Deines Vaters. Dass Du mit ihm Zwiesprache halten kannst. Das ist die eine Seite... ich mag Dir von der anderen Seite schreiben, von Mama's Seite.
Auch wenn Deine Mutter für Dich eine starke Frau war und alles gemanagt hat für Euch, geschaut hat, dass aus Euch früh selbständige junge Erwachsene werden, trotzdem, sie wird auch ein dunkles Loch in sich beheimaten. Ein verdammt schlechtes Gewissen!!! Ihr wart von ihr abhängig und sie konnte Euch nicht helfen, hat es nicht geschafft, Euch vor diesen schlechten Erfahrungen zu schützen. Das, das kann ich Dir bestätigen, wird in ihr arbeiten.
Bei AlAnon sitzen einige Mütter, die von diesem schlechten Gewissen berichten. Auch hier im Forum, lies Dich mal durch bei den Coabhängigen. Das sitzt sehr tief. Kinder sind das Liebste, das Beste, was eine Mutter hat, die Verantwortung ist allgegenwärtig. Und es ist eine tiefe Ohnmacht, die Kinder nicht vor allem bewahren zu können, noch dazu, wenn die Gefahr so offensichtlich ist und trotzdem nicht die Kraft da ist, sie abzuwenden.
Vielleicht wäre sie froh, wenn Du auf sie zukämst und das Thema anschneiden würdest? Von ihr würdest Du vielleicht auch eher eine Antwort bekommen als von Deinem toten Vater. Es ist schön, dass da so wenig Wut da ist, dass Du ihn trotzdem so geliebt hast, aber ich lese aus Deinen Zeilen auch ganz viel Coabhängigkeit heraus. Immer recht machen, immer gute Leistungen erzielen, immer lieb sein. Vielleicht trinkt er dann weniger?
Ich spüre auch keinen Hass in mir, aber mittlerweile habe ich begriffen, dass etwas mehr Wut heilsamer wäre. Weil das ein Zeichen wäre, dass ich bei MIR bin, dass ich mir etwas wert bin. Er durfte das alles mit mir machen, weil ich so coabhängig war, so voller Angst und Schuldgefühlen.
Vielleicht kannst Du ja bei Deiner Mama mal ganz vorsichtig das Thema anschneiden und sehen, ob sie offen ist für ein Gespräch? Wenn nicht, ok. Bleib einfach bei Dir, erzähle von Dir, von dem Forum, von Deinen Gedanken und dann sieh' wie sie reagiert. Ohne Fragen. Wenn sie bereit ist, wird sie einsteigen.. Wenn nicht, dann versuch es bei Deiner Schwester.
Ich kann das nachvollziehen, es stimmt sicherlich, dass Du durch Deine Kindheit auf der einen Seite sehr stark geworden ist, die funktionale Seite und Du hast gelernt, viel auszuhalten. Aber jetzt geht es darum, für Dich einzustehen, Deine Wünsche zu äußern und zu leben ohne immer zu überlegen "ist das gut für den anderen?".
Ach, es tut mir auch so gut, die Seite des betroffenen Kindes mitzulesen, es wächst eine Empathie für die Seelen meiner Töchter. Das tut mir gut und den beiden sicherlich auch!
Lieben Gruß, Jule