Liebe fish,
wie schön, wieder von Dir zu hören! Habe gerade noch mal ein wenig im Forum gelesen, das bringt meine Gedanken vor dem Schlafen meistens zur Ruhe.
Wieder sprichst Du mir in manchem aus der Seele. Du hast, wenn ich es richtig verstanden habe, also auch in den Beziehungen immer etwas gesehen, was sich noch entwickeln soll? Hast in den Menschen, die Du geliebt hast, den guten Kern gesehen, das, was andere vielleicht nicht sehen... Ich hatte auch nur mehr oder weniger aussichtslose Beziehungen vor meinem Mann. Ein Priesteramtskandidat war übrigens auch dabei (ich bin allerdings gut und aktiv evangelisch). Er ist aber von seinem Berufswunsch abgesprungen und hat sich als schwul geoutet, was die Sache zwischen uns auch nicht einfacher gemacht hat .
Aber das ist lange her. Was mich bei meinem Mann anfangs so angezogen hat, war die Fixierung auf mich. Er schien auf mich gewartet zu haben, hat er auch so gesagt. Obwohl er natürlich auch vorher mit Frauen zusammen war. Diese Bezogenheit auf mich ging in schlimmen Zeiten so weit, dass er Wutausbrüche bekam, wenn ich "für ihn" nicht auf dem Handy erreichbar war.
Zugleich sagte er immer wieder, dass er alles für mich macht und machen würde.
Auch bei mir fühlt es sich so an, dass mir der blosse Gedanke an eine Rückkehr zu ihm schon Herzklopfen bereitet. Und auch ich schaffe es nicht, mich ganz klar zu äußern - und wenn ich es mal schaffe,dann ignoriert er es. So fühle ich mich immer gemein - bin ich nett, dann mache ich ihm falsche Hoffnungen, bin ich ehrlich und hart, dann verletze ich ihn. Und habe natürlich auch Angst (wieder mal typisch Co ), dass er sich betrinkt oder wieder irgendwelche komischen Mails verschickt oder sonst etwas unüberlegtes tut.
Und manchmal kommen mir noch ganz andere Gedanken, wie: darf ich ihm wirklich alle Hoffnung nehmen? Hält er dann seine Therapie durch? - aber das ist ja auch irgendwie entmündigend für ihn.
Am Schwersten gehe ich mit dem Zweifel um, der mich befällt, wenn ich bedenke, dass Alkoholismus eine Krankheit ist. Darf ich einen kranken Mann einfach verlassen??? Wenn die Gedanken diese Richtung nehmen, muss ich mir wieder den Charakter der Suchterkrankung klar machen. So, wie sie "funtkioniert" und so, wie ich "funktioniere", sorge ich wahrscheinlich schon seit Jahren dafür, dass er weiter trinken kann.
Wenn ich diese Gedanken alle durchdacht habe (hätte früher nie gedacht, wie viel ein Mensch täglich über sein Leben nachdenkt... ), dann spüre ich, dass mein Weg von ihm weg führt. Und das sage ich ihm immer wieder.
Mein nächster Schritt wird sein, einen Termin mit einer Anwältin zu machen, um mich mal "spaßeshalber" zu informieren, was bei einer Scheidung alles bedacht werden sollte. Vielleicht brauche ich für mich diese Klarheit und er auch, damit er nicht immer wieder so tun kann, als sei doch alles nicht so schlimm und meine Tochter und ich nur mal aus unverständlichen Gründen für eine Weile ausgezogen.
Meine Tochter (auf die ich wirklich echt stolz bin, ein richtiger Wirbelwind, reitet übrigens auch) fragt immer wieder, wann ich mich endlich scheiden lasse. Das hat mich am Anfang richtig geschockt, bis mir aufging, dass es ihr auch um die Klarheit geht. Und sie hat einfach so viele eskalierte Streitsituationen mitbekommen und ist reingezogen worden, dass sie sicher sein will.
Puh, liebe fish, das war viel - aber ich spür so einen Draht zwischen uns, dass Du damit schon umgehen können wirst.
Ich wünsch Dir eine gute Woche, in der Du Deinen angefangenen Weg geduldig weiter gehen kannst.
Liebe Grüße, Deine Thea