Guten Morgen,
es ist ein neuer Tag, ein schönes Tag. Die Sonne scheint und vertreibt etwas von dem Grau in meiner Seele.
Es ist schon erschreckend, wie sehr mein Leben bisher einem Theater geglichen hat. Ich hatte mich verkleidet, meine Maske aufgesetzt und dazu mein schönstes Lächeln verteilt. Die Maske wurde mit der Zeit mein Selbst und ich vergaß, wer und wie ich eigentlich selbst bin.
Die Menschen in meinem Umfeld hatten mich als zurückhaltend, aber doch hilfsbereit und immer freundlich und lieb empfunden. Hatte jemand mir Unrecht getan, dann habe ich es entweder geschluckt oder gesagt "Das macht doch nichts, ist doch nicht so schlimm" und gelächelt.
Doch die Verletzung dieser Situation war nicht weg, ich habe meine Gefühle der Verzweiflung, der Trauer und der Wut runtergeschluckt und meinen Bauch so damit belastet, dass er jetzt so Vieles an Lebensmitteln nicht vertragen kann und ständig schmerzt und Durchfall produziert.
Was jahrelang unterbewusst ablief, merke ich jetzt. Nur bin ich dem, was auf mich gefühlsmäßig einströmt, noch so hilflos ausgeliefert. Bei vielen Situationen weiß ich einfach nicht, wie ich mich angemessen verhalten soll und das trifft umso mehr zu, seitdem ich krank geschrieben bin und das berufliche Umfeld nicht mehr habe, in dem ich automatisch funktioniert habe und trotz allem Ärgers meinen notwendigen Pegel von Aufmerksamkeit und Anerkennung bekommen habe.
Ich werde jetzt auf mich selbst zurückgeworfen. Habe keinen Resonanzraum mehr für meine Sucht nach Anerkennung und Aufmerksamkeit. Ich merke, dass ich keinen gesunden Resonanzraum um mich herum aufgebaut habe. Der Freundes/Bekanntenkreis besteht grösstenteils selbst aus Co-Abhängigen und/oder Angehörigen von Suchtkranken, von denen aber die wenigsten an sich und der Gestaltung ihres Lebens aktiv arbeiten. Das sind keine lebendigen Kontakte und ich merke, dass sie mich auch oft hin- und herschwanken lassen wie in meinem Elternhaus. Das Gespräch dreht sich fast nur um Krankheit, Beziehungsprobleme und Jobprobleme. Das kann nicht alles im Leben sein.
Sehr oft bin ich alleine in meiner Wohnung, was nicht immer auszuhalten ist. Da sind so viele schöne Interessen, die meiner Seele gut tun, aber oft schaffe ich es nur, vorm Fernseher zu sitzen und mich von den Seifenopern berieseln zu lassen, die mir ein gutes Gefühl geben und ein Stück Hoffnung, wenn auch künstlich.
Was macht mich aus? Ich bin nicht nur Krankheit oder Leistung, über die ich mich in den letzten Jahrzehnten definiert habe und jetzt auch noch viel zu häufig definiere.
Was macht mich aus?
Ich möchte mich ausprobieren, ausprobieren was ich gerne tue, auch beruflich. Ich möchte die Angst vor wirtschaftlichem Absturz hinter mir lassen und sie durch Lust am Leben ersetzen. Ich möchte nicht irgend etwas machen, sondern das, was mir Spaß macht, wenn ich es gefunden und ausprobiert habe.
Ich möchte aus frischem Wasser schöpfen, nicht aus trüben Quellen, die mich verstopfen.
Wahrscheinlich ist dies die wertvollste und doch auch schwerste Zeit in meinem Leben. Aber ich werde es schaffen, ich werde da durchkommen und mir MEIN Leben aufbauen.
Sonnenstrahlen sind immer auch Hoffnung auf den nächsten Tag, auf den nächsten Frühling und die habe ich!!!
Liebe Grüße,
Sonnenstrahl