Hallo Hartmut,
dem Zusatz unter deinem Namen entnehme ich, dass du in diesem Forum als einer der Moderatoren fungierst. Ein wichtiges Amt. Meine ich ernst. Dann will ich in meiner Antwort an dich ein bisschen weiter ausholen.
Ich wundere mich so ein bisschen, dass ein Moderator – dessen Aufgabe im „kontrollieren, prüfen, verlangsamen“ besteht, hier jetzt die Abteilung „Attacke“ anführt. Sinnvoller wäre es mMn, erstmal abzuwarten, was ich so zu berichten habe, und an welchen Diskussionen ich mich beteilige. Bevor man darangeht, mir sofort meinen Willen zur Abstinenz abzusprechen. Bloß, weil mein Weg ein anderer ist als deiner.
ZitatFragen mit Gegenfragen zu beantworten sind auch keine Antworten.
Es ist natürlich schöner, auf der Frager- als auf der Antworterseite zu sitzen.
Das war die kurze Replik; jetzt wird es ausführlicher.
ZitatJedoch scheinst du den Weg nach ROM und in das Paradies der Trockenheit nach deiner einfachen zusammengeschusterte Individualität zu suchen . … Das ist auch Ok
Ich finde ich es vollkommen in Ordnung – gestehst du ja auch zu –, dass jeder für sich selbst sucht. Die einen tun es lieber im Kollektiv, die anderen stärker individuell. Was sich nachher als tragfähiger erweist, muss die Zeitschiene erbringen.
Weshalb aber mein Weg – der mich immerhin ein knappes Jahr trägt, und dessen Bausteine du gar nicht kennst – direkt mit den Adjektiven „einfach“ und „zusammengeschustert“ etikettiert wird, lässt mich schlussfolgern, dass ich bereits einzig durch meine kleine Vorstellungsrede gegen den Kanon der political correctness verstoße. Wenn’s so ist, ist es halt so.
Ob er „einfach“ ist, weißt du ja gar nicht. Denn über die einzelnen Puzzlestücke haben wir uns noch gar nicht unterhalten. Zudem muss auch nicht alles kompliziert sein, um Wirkung zu entfalten.
Zitat…aber leider nicht den Weg , den wir hier vermitteln wollen. Konfrontation, abschätzen , verschleiern und austesten hatte ich in meine Trinkpausen .
Hier entdecke ich eine ganze Salve an Vorwürfen:
( ) Konfrontation: weil ich anderer Auffassung bin als du? Wobei ich deinen Weg gar nicht kenne. Insofern kann es zu einer richtigen Auseinandersetzung noch nicht gekommen sein.
( ) abschätzen: keine Ahnung, was konkret du damit meinst. Wahrscheinlich nichts Nettes.
( ) verschleiern: weil ich differenziere, wen ich über mein Krankheitsbild in Kenntnis setze?
( ) austesten: damit sind die Gartenparties gemeint? Ei ei, was schlägst du mir stattdessen vor? Mich 24/ 7 in meiner Wohnung einzusperren? Auf dem Weg ins Sportstudio (einer meiner Mosaiksteine für ein trockenes Leben) komme ich an ca. zehn Trinkhallen und min. fünf Supermärkten vorbei. Wenn ich abends trainiere, lausche ich häufig Unterhaltungen in der Art: »Wo gehen wir gleich noch auf ein Bier hin?« Ob das jetzt weniger gefährlich ist, als mich 2x im Sommer neben einen Würstchengrill zu stellen? Ich weiß nicht.
( ) Trinkpause. Was ist das? Bzw. wann endet die und wird zur Trockenheit bzw. zur Abstinenz?
ZitatViellicht auch um die Ernsthaftigkeit des Alkoholikers zu erkennen, um ihm eventuell 40 Entgiftungen zu ersparen ? Viele verrecken schon weit aus vorher.
Das ist einer meiner „Lieblinge“: kann jemand, der 40 Entgiftungen auf dem Buckel hat, überhaupt ernsthaft sein? Du kannst dir vorstellen, dass mir diese Frage – natürlich immer von Teilnehmern, die weniger Klinikaufenthalte als ich absolviert hatten – spätestens ab Nr. 20 (10?) immer wieder gestellt wurde.
Das ist ein durchaus interessanter und auch legitimer Einwand an meine Adresse. Ich mach’s jetzt in der Kurzversion (kann aber im Nachgang auch gerne ausführlicher dazu schreiben): aus meiner Erfahrung heraus scheitern viele nicht so sehr an mangelnder Krankheitseinsicht, oder weil sie den Abstinenzwunsch nicht äußern, sondern vielmehr an dessen konkreter Umsetzung. Obwohl sie sämtliche Argumente contra Alkohol kennen und wissen, dass jeglicher Versuch zum Scheitern verurteilt ist, probieren sie es dennoch. Manche aus Leichtsinn, andere weil sie mit der Einsamkeit nicht fertig werden oder weil ihnen der Gerichtsvollzieher dummerweise in der Woche nach der Klinikentlassung den teuren Farbfernseher gepfändet hat. Häufig bekommt man zu hören: »Mein Freund hat mich gerade verlassen.« Wenn man dann nachfragt: »Ja, war der nicht vor vier Wochen bereits ausgezogen?«, heißt es: »Schon, aber er war zurückgekommen und ist vorgestern wieder weg.« Das kann bei manchen zur Dauerschleife und in der Konsequenz zum Dauer-Rückfallauslöser werden. Vernünftig ist der Griff zur Flasche dann nicht, denn der löst das Problem ja nicht. Das wissen die Betroffenen auch; und sie tun es trotzdem. Mangelnde Ernsthaftigkeit? Ich wage das zu bezweifeln. Erschwerend hinzu kommt bei manchen der Umstand der Verzweiflung, es ein weiteres Mal nicht geschafft zu haben. Was sie aus Frustration wiederum saufen lässt. Ich kenne nur ganz vereinzelte Patienten, denen die Krankheit so egal geworden war, dass sie gar keinen Gedanken in die Überwindung der Sucht mehr investierten.
Deshalb ist für mich der Vorwurf der mangelnden Ernsthaftigkeit ein Totschlagargument; sorry. Hält viele Hardcore-Alkoholiker davon ab, überhaupt noch SHGen zu besuchen. Weil sie keine Lust haben, sich das mantraartig anzuhören. Man sollte die eigene Ernsthaftigkeit nie über die eines anderen stellen. Die du digital ohnehin nicht beurteilen kannst.
ZitatDann mach mal
Das klingt vernünftig.
Und so sollten wir es m.E. auch handhaben: vier Wochen testen, ob Forum und neuer User zusammenpassen. All diese Schnellschüsse nach 48h zielen doch häufig an der Sache vorbei.
Vg Caligula