Hallo Marius,
ich finde es erstmal prima, daß Du bzgl. Deiner Verhaltensweisen vollkommen offen schreibst, ungeachtet der möglichen Reaktionen von anderen Usern.
Egal, wie abgeklärt das hier manchmal klingen mag, aber zu Beginn der Abstinenz hatten wir alle noch dieses sogenannte nasse Denken intus und gewisse Gefahren noch gar nicht auf dem Schirm. Es ist ein Lernprozess und wenn man sich vor Augen führt, daß man sich über Jahre hinweg in die Abhängigkeit gesoffen hat, ist es mMn. logisch, daß es auch eine gewisse Zeit dauert, risikobehaftete Verhaltensmuster abzulegen.
Risikominimierung ist essentiell wichtig - das bedeutet allerdings nicht, daß Du zum Einsiedler werden mußt und Dein restliches Leben mit Gesellschaftsspielen zuhause verbringen sollst.
Theorie und Praxis sind zwei verschiedene paar Schuhe. Theoretisch kann ich jeden Ort meiden, an dem mich Saufdruck überkommen und ich in die Lage kommen könnte, diesem nachzugeben...praktisch scheitert das schon an der Tankstelle.
Mir scheint es viel wichtiger zu sein, auf gewisse Situationen vorbereitet zu sein, um entsprechend gegenlenken zu können.
Wir hatten ja schon das Thema Kontrollinstanzen...dabei geht es nicht darum, die eigene Verantwortung abzugeben à la "Kannst Du bitte auch mit drauf achten, daß ich nicht wieder trinke", sondern darum, sich ein gewisses Sicherheitsnetz aufzubauen.
Nur, das das richtig ankommt - ich rate nicht zur absichtlichen Konfrontation mit dem Alkohol, wie Du sie oben beschreibst. Ich will nur davor warnen, so zu tun, als könnte man jeglichem Kontakt mit dem Alkohol aus dem Weg gehen - das ist aus meiner Sicht nicht möglich.
Vielleicht nur ein Beispiel:
Eine Eisdiele bringt man nicht unbedingt mit dem eigenen Trinkverhalten in Verbindung...trotzdem wirst Du in vielen Eisbechern auch Liköre finden und eine unachtsame Bestellung kann Dich Deine Abstinenz kosten.
Jetzt bin ich garantiert der Letzte, der Dir raten wird, Eisdielen deshalb zu meiden...Du mußt Dir nur vorher über die Risiken klar sein, Dir bewußt machen, daß da eine gewisse Gefahr lauert.
Oder, um es vielleicht kürzer zu formulieren:
Gefahren einschätzen und richtig beurteilen halte ich persönlich für wesentlich wichtiger als so zu tun, als könnte ich mir einen eigenen Mikrokosmos ohne Alkohol schaffen.
Oder anders formuliert: Saufkneipe definitiv nein - Bistro, Theater und Kino halte ich dagegen mit den entsprechenden Vorkehrungen (z.B., indem man nicht alleine dort hingeht, sondern jemanden mitnimmt, der über die eigene Alkoholkrankheit Bescheid weiß - und damit meine ich keinen alten Saufkumpan) für durchaus machbar.
Schönen Gruß und schöne Zeit (und gute Besserung)
Andreas